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Münchner Original Der Posaunist unter der Münchner Isar-Brücke

Einst war er Lehrer, jetzt ist er Nachtportier und übt täglich unter der Brücke am Tucherpark. Den Lehrerberuf hat er an den Nagel gehängt, weil die Kinder nach seiner Meinung viel zu wenig Musikunterricht in der Schule erhalten.

Von: David Friedman

Stand: 20.12.2017 | Archiv

Der Posaunist an der Isar unter der Brücke am Tucherpark. | Bild: BR/David Friedman

Der Englische Garten in München ist voller Originale. Da gibt es die Kutscher und Jäger, den Schafhirten und den Baumkletterer, die Hunde-Sitterin und den Musikanten.

Unter der Brücke

Zur letzten Kategorie gehört etwa ein Mann, der unter einer Autobrücke zwischen dem südlichen und dem nördlichen Teil des Englischen Gartens Posaunespielen übt. Nicht eine oder zwei Stunden lang. Nein. Sondern bis zu sieben Stunden lang – an jedem Tag in der Woche. Bei jedem Wetter.

Vor den Graffitis

Beim Spielen wandert sein Blick über grell-bunte Graffitis auf grauer Betonwand. Er selbst ist dazu ganz Kontrast. In gepflegtem, schwarzem Anorak, schwarzem Schal und schwarzer Mütze. Wollhandschuhe schützen seine Finger vor der Blech-Kälte der Posaune.

"Wenn man gut eingepackt ist, dann ist ja die Kälte was Wunderbares. Wenn man sagt quasi, macht mir nichts, dann ist das ja fast ein Glück, draußen zu sein."

Wolfgang Morczinek, Posaunist

Ehemals Lehrer für Sport und Musik

Der einsame Posaunist stellt sich als Wolfgang Morczinek vor, 59 Jahre alt, aus Eichstätt. Er sei einige Jahre lang Musik- und Sportlehrer gewesen - an einer Realschule im Münchner Stadtteil Hasenbergl. Doch dann hätte er aufgesteckt - aus Protest, weil die Schüler zu wenig Musikunterricht bekommen.

"Die Schule hatte 19 Klassen, und von den 19 Klassen habe ich 17 unterrichtet und habe dann gemerkt: Nein, das hat nichts von Lehrersein, wenn jede Dreiviertelstunde jede Klasse der Schule zu dir kommt. Das ist eine reine Energieleistung, die eigentlich nicht sehr viel Sinn macht."

Wolfgang Morczinek, Posaunist, Ex-Lehrer

Portier im Luxus-Hotel

Heute lebt Wolfgang Morczinek von seinem Gehalt als Nacht-Portier in einem Luxus-Hotel. Nach der Arbeit geht er schlafen. Bis Mittag. Und nach dem Essen dann - in den Englischen Garten - zum Üben unter die Tucherbrücke. Von 15.00 bis 22.00 Uhr.

Keine Musik im hellhörigen Mietshaus

Vor allem in der Dämmerung lassen sich viele Radler, Spaziergänger und Jogger von seinen Posaunen-Tönen bezaubern.

"Unter der Brücke ist der Sound ein anderer und ein besserer als in einem geschlossenen Raum. - Ich finde das wunderbar, dass man, wenn man hier so entlangläuft, auf einmal schöne Musik hört, das ist doch eine ganz tolle Sache. Und die Akustik unter der Brücke: sehr schön!"

Umfrage unter Passanten

Wolfgang Morczinek könnte auch daheim üben, das will er aber nicht. Sein Mietshaus mit 28 Parteien sei einfach zu hellhörig.

"Ich möchte zuhause nicht einen hören, der so viele Stunden übt, auch wenn's im Keller ist. Vielleicht möchte man mal andere Musik hören oder man möchte gar keine hören."

Wolfgang Morczinek

Hin und wieder wirft ihm ein Spaziergänger eine Münze vor die Füße. Wolfgang Morczinek dankt dann höflich und gibt das Geld zurück.

"Denen sage ich immer: Leute, ich übe ja nur! Das ist sehr nett, nehmen Sie es wieder mit! Geben Sie es Ihrer Kleinen!"

Wolfgang Morczinek

Zu allererst die Muße

Weniger peinlich sind ihm da die Begegnungen mit Tieren, vor allem in der Dämmerung.

"Da besucht mich dann ein Entenpärchen, weil es weiß: Hier sitzt es sicher vor dem Fuchs." Wolfgang Morczinek

Ab und zu kommt auch ein seltener Konzertbesucher vorbei:

"Dann sitzt da der Biber in diesem Gesträuch, greift sich einen Ast nach dem anderen und dann schaut er her, mampft weiter, und sowas ist natürlich ein Geschenk, wenn man erleben kann, dass Tiere sich so daran gewöhnen, dass sie wissen: Wenn der wieder bläst, dann ist alles in Ordnung, da kann ich in Ruhe meinen Geschäften nachgehen. Das hat Muße, so etwas!"

Wolfgang Morczinek

Auf die Muße kommt es ihm zu allererst an. Auch und vor allem in der Weihnachtszeit.

"Ich genieße es sehr, diese Freizügigkeit zu haben."

Wolfgang Morczinek


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