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Von der Bekämpfung der Fluchtursachen Leere Worte

Weltweit sind 65 Millionen Menschen auf der Flucht. Nur ein Bruchteil kommt bis nach Deutschland. Das Land scheint überfordert, genau wie Europa. Politiker aller Parteien fordern deshalb neben der Sicherung der europäischen Außengrenzen, die Fluchtursachen stärker zu bekämpfen. Doch was ist damit eigentlich gemeint?

Von: Ina Krauß

Stand: 07.09.2016

Illustration: Die dicken Hände eines Wohlhabenden halten ein Carepaket und wehren gleichzeitig Bedürftige ab | Bild: BR/Christian Sonnberger

Als im vergangenen Jahr Hundertausende Flüchtlinge Europa zum Teil zu Fuß durchquerten, schien es fast so, als hätte eine Völkerwanderung begonnen.

Kriege im Irak und in Syrien

Vor einem slovenischen Flüchtlingslager im Oktober 2015

Die Ursachen für die steigenden Zahlen sind dabei offensichtlich:  Die Kriege in Syrien und im Irak sind Fluchtursache Nummer 1. Doch warum 2015 plötzlich so viele Menschen nach Europa wollten,  hatte einen besonderen Grund: In den Flüchtlingslagern rund um Syrien war das Leben der Geflüchteten untragbar geworden, weil internationale Finanzzusagen ausblieben; auch aus Europa. Es gab zu wenig zu Essen und keine Schulbildung für die Kinder. Die Bekämpfung von Fluchtursachen kann also auch bedeuten,  die Lage der Menschen in den Flüchtlingslagern dieser Welt zu verbessern.

Abziehende Bundeswehr und Gerüchte fördern den Aufbruch der Afghanen

Flüchtlinge aus Afghanistan in einem Bus bei Passau

Eine zweite Beobachtung des vergangenen Jahres: Die Zahl der aus Afghanistan stammenden Flüchtlinge stieg rasant an. Eine Entwicklung, die unter anderem mit dem Abzug der Bundeswehr aus Kundus zusammenhing. Die Taliban kämpften im Herbst gegen die Regierungstruppen um die Vorherrschaft in der Stadt. Aber es kam ein weiterer Faktor hinzu. Schlepperorganisationen hatten in dem kriegsversehrten Land Falschmeldungen verbreitet, wonach Deutschland 800.000 Flüchtlinge aus Afghanistan aufnehmen würde und lockten damit Tausende auf den gefährlichen Weg über das Mittelmeer nach Europa. Die Regierung appellierte an die Bevölkerung, das Land nicht zu verlassen. Denn der Druck aus Europa war groß, weitere Hilfen wurden an Bedingungen geknüpft.

Entwicklungsminister Gerd Müller fordert Marshall-Plan für Afrika

Ein Trend, der sich in der Entwicklungszusammenarbeit zunehmend durchsetzt. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) will Hilfen für Entwicklungsländer an die Zusage der Regierungen koppeln, Flüchtlinge zurückzunehmen. Ausbildungsprojekte, mit deutschen Geldern gefördert, sollen mit Rückkehrprogrammen verzahnt werden. Gleichzeitig fordert der Minister einen Marshall-Plan für Afrika. In Kooperation mit der Wirtschaft will er Anreize schaffen, in Afrika zu investieren. Doch die aktuellen Probleme sind damit kaum in den Griff zu bekommen.

Libyen - Drehscheibe für den Menschenschmuggel

Flüchtlinge auf einem Boot | Bild: picture alliance/dpa zum Artikel Rettungseinsatz im Mittelmeer Tausende Flüchtlinge an nur einem Tag geborgen

Innerhalb von 24 Stunden sind vor der libyschen Küste tausende Flüchtlinge aus dem Meer gerettet worden. Die italienische Küstenwache berichtet auf Twitter von 6.500 Geretteten. Von Günter Mayr-Eisinger und Jan-Christoph Kitzler [mehr]

Beispiel Libyen: Nach dem Sturz des Machthabers Gaddafi vor fast fünf Jahren entwickelt sich das Land immer mehr zu einer unkontrollierbaren Drehscheibe für den internationalen Menschenschmuggel.  Folter, Erpressung und Zwangsarbeit treiben die Menschen auf die Boote in Richtung Italien. Europa will nun den Migrationsdruck weiter südlich lindern. In Niger, dem ärmsten Land weltweit, sammeln sich in Agadez die Flüchtlinge aus den Ländern der Subsahara, um die gefährliche Route nach Norden anzutreten. Hier betreiben Deutschland und die EU gemeinsam ein Rückkehrzentrum und unterstützen die Regierung bei der Sicherung der Grenze.

Lassen sich so wirklich Fluchtursachen bekämpfen? Oder braucht es nicht einen viel tiefer greifenden Ansatz in der Entwicklungspolitik um die Menschen daran zu hindern, ihre Heimatländer zu verlassen?

UNHCR-Sprecherin Melissa Fleming

Es bestünde die Gefahr, dass in der Entwicklungszusammenarbeit zu sehr auf kurzfristige Maßnahmen gesetzt würde, warnt der Politikwissenschaftler Jörn Grävingholt vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik.  Es bestünde das Risiko, dass zu hohe Erwartungen geweckt würden. Entwicklungspolitik könne nur langfristig dazu beitragen, Fluchtursachen zu bekämpfen. 

Dossier Poltik, 7.9.2016, 21.05, Bayern2

Thema: Leere Worte – von der Bekämpfung der Fluchtursachen
Studiogast: Melissa Fleming, Sprecherin des UNHCR
Themen der Beiträge:

  • Syrische Tragödie – Reportage aus einem Flüchtlingslager im Libanon (Anna Osius)
  • Abwehrversuch – Wie EU und Bundesregierung Flüchtlinge stoppen wollen (Jens Borchers)
  • Fluchtursachen Afghanistan – Warum Zabihulla wieder nach Europa will (Jürgen Webermann)

 „Fluchtursachen bekämpfen!“ – Lässt sich die Flüchtlingskrise durch mehr Entwicklungshilfe lösen? - Gespräch mit Jörn Grävingholt, Experte vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik DIE in Bonn


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