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Gemeinsam im Kampf gegen den Terror Bundeswehr und Polizei üben auch in Bayern

Nach dem Amoklauf von München war die Diskussion über den Bundeswehreinsatz im Inneren wieder voll entbrannt. Nun sollen Soldaten unter Führung der Polizei gemeinsame Übungen durchführen - 2017 auch in Bayern. Ein Kompromiss der Großen Koalition schöpfte dazu die bestehenden Möglichkeiten des Grundgesetzes aus.

Von: Achim Wendler und Janina Lückoff

Stand: 31.08.2016

Symbolbild: Herrmann will Bundeswehr im Inneren einsetzen | Bild: picture-alliance/dpa

Wie läuft im Ernstfall die Kommunikation? Wie läuft die Zusammenarbeit? Die Antworten auf diese Fragen wollen Bundeswehr und Polizei zusammen suchen. In vier Bundesländern wollen sie im Februar 2017 zusammen üben. Sicher sind Bayern, Nordrhein-Westfalen und Bremen, noch nicht offiziell ist Baden-Württemberg. Auf die gemeinsame Übung hat sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) mit seinen Länderkollegen bei einem Treffen in Berlin geeinigt.

"Das ist kluge Vorsorge für eine unwahrscheinliche, aber denkbare Situation."

Thomas de Maizière

Ralf Jäger, Ursula von der Leyen, Klaus Bouillon, Thomas de Maizière, Lorenz Caffier (v.l.n.r.)

Der Innenminister betonte dabei, die Führung eines solchen Bundeswehreinsatzes "erfolgt immer durch die Polizei". Das heißt, die Bundeswehr leistet im Inneren nur Amtshilfe. So sieht es das Grundgesetz vor. Darauf pochen de Maizières Länderkollegen, besonders die sozialdemokratischen. Zugleich sind sie aufgeschlossen für eine Übung. Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) sagt, im Ernstfall müssten die Meldewege funktionieren.

Offen ist noch das genaue Szenario der Übung. Ein Bombenanschlag? Eine Attacke mit Schusswaffen? Vorstellbar seien jedenfalls "tagelange, schwierige Terrorlagen", sagte de Maizière.

Herrmann zufrieden

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann sieht sich bestätigt. Laut dem CSU-Politiker ist es "unbedingt notwendig", dass Bundeswehr und Polizei im Terrorfall zusammenarbeiten.

Im Weißbuch verankert

Auf gemeinsame Übungen von Polizei und Bundeswehr hatten Union und SPD sich schon im Juli geeinigt. Damals handelten sie das neue Weißbuch der Bundeswehr aus. Die CSU würde gern weitergehen. "Um unsere Bürger bestmöglich vor Terrorangriffen zu schützen, darf auch eine Grundgesetzänderung kein Tabu sein", sagte Joachim Herrmann. Dazu sagt die SPD aber klipp und klar: "Nein".

Was die Definition der Sicherheitsstrategie im Weißbuch bedeutet, erläuterte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU):

"Dort ist möglich, dass die Bundeswehr bei solchen schweren Unglücksfällen wie terroristischen Großlagen unter der Federführung der Polizei zu einem Einsatz im Inneren gerufen werden kann, unter Einsatz von militärspezifischen Mitteln, das heißt: sie hat Hoheitsbefugnisse."

Ursula von der Leyen

Parteiübergreifendes Interesse, Linke dagegen

Interesse an solchen Übungen besteht bei den Ländern über Parteigrenzen hinweg: Sowohl das schwarz-rot regierte Saarland als auch das schwarz-rot-grün regierte Sachsen-Anhalt wollen ihre Polizisten mit der Bundeswehr üben lassen. Auch der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, befürwortet die Pläne: Da das Grundgesetz den Einsatz der Bundeswehr unter dem Kommando der Polizei in engen Grenzen erlaube, müsse man eine solche Unterstützung auch mal einüben, sagte er. Damit stellt sich Kretschmann einmal mehr gegen die Linie seiner Partei. Auch die Linke ist gegen die gemeinsamen Übungen:

"Klar ist ja, das was gerade von der Leyen und de Maizière machen, ist ja Stück für Stück eine Verschiebung. Eine Verschiebung, eine Akzeptanz für einen Militäreinsatz im Inneren zu schaffen."

Jan Korte, Fraktionsvize der Linken

Dagegen werde die Linke, so Korte, "massiv Front machen".


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Erstaunter, Mittwoch, 31.August 2016, 23:12 Uhr

13. Erstaunlich, was da alles geschaffen, geübt und gearbeitet werden soll

Ja, die nervigen blöden Einbrüche sind lästig und machen eben auch nicht dieses Katastrophenszenario her. Ach, herrlich wie schnell Politiker vergessen können.
Die Kriminalitätsbelastung trifft den Normalbürger eher bei den allgemeinen, unscheinbaren, kleineren Delikten mehr als irgend ein Terroranschlag.

Sind die Initiativen dagegen schon wieder eingeschlafen?

Wenn ich jetzt schon höre, daß da ein privater Sicherheitsberater der Polizei die israelischen Verhältnisse darlegt und Zugänge und Zufahrten von Kaufhäusern zur Durchsuchung nahelegt, frage ich mich, wer da jetzt hysterisch wird. Heute legt eine Frau mit 2 Kindern den Frankfurter Flughafen lahm. Klar, Frauen mit Kindern sind ja typische Terroristen?! - Werden nur noch Vorschriften abgearbeitet oder schaltet jemand auch mal das Hirn ein? Kommen wir in einen eigendynamischen Sicherheitswahnstrudel?
Warum traut sich keiner zu sagen, ok, dieses oder jenes Restrisiko nehmen wir hin? Terror verlagert sich doch sowieso immer

Higgstoriker, Mittwoch, 31.August 2016, 22:56 Uhr

12. Bundesverfassungsgericht hat ja bereits die Vorgaben definiert

Nur in Fällen "katastrophischen" Ausmaßes zulässig hatten sie geurteilt.

Darüber hinaus müsste es noch den Parlamentsvorbehalt geben. Organisatorisch jeweils unter der Führung von den Polizeiführern, Hundertschaftsführern
bis zur Truppebene. Die Bundeswehr kann mit Manpower sicher helfen. Sicherungs- und Kontrollstellenaufgaben übernehmen. Polizei- und kriminaltaktische Kenntnisse sind jedoch keine Ausbildungsinhalte der Bundeswehr. Deshalb sind rein polizeiliche Aufgaben und Einsätze aus historischen Gründen mit aller Vorsicht zu behandeln. Handlungshoheit im Inneren darf nur die Polizei haben.
Schon jetzt gibt es auch die Möglichkeit ausländische Spezialeinheiten anzufordern, so auch in München geschehen mit der österreichen Cobra. Die Zusammenarbeit und Koordination der europäischen Spezialeinheiten wäre ein weiterer sehr effizienter Schritt zur Bewältigung von Großlagen.

Aber gut, dass wir so normal wie möglich weiterleben sollten ;-)

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vielfahrer, Mittwoch, 31.August 2016, 17:04 Uhr

11. BW - Einsatz im inneren

Bundeswehr Einsatz im inneren, Nein das geht gar nicht!
Hilfen bei Natur / Umwelt Katastrophen. - gerne, sollte Personal frei sein. Danke dann dafür.
Bei größeren terroristischen Gefahren, gibt es auch noch die MP.
"Militärpolizei". Sie dürfen angefordert werden. - Aber nur auf Anforderung! (mit Name und Grund!)
MP ist dazu ausgebildet (Rechtlich), und ausgerüstet (Materiell).

kein Militär im Inneren, a. gutem Grund u. Vorbild, Mittwoch, 31.August 2016, 14:23 Uhr

10.

"Das Weißbuch - und damit diese Definition - wurde auch mit den Stimmen der SPD-Minister im Kabinett verabschiedet."
Was die SPD am 23. März 1933 richtig gemacht hat, macht sie heute falsch.
Die deutschen Polizeien machen weitgehend sehr gut Arbeit, sie brauchen keine Hilfe der Bundeswehr.
Wenn überhaupt, dann brauchen wir im Inneren höchstens "die helfende Hand" der Bundeswehr, nicht aber "die helfende Waffe".
Die historische Randnotiz: Am 23. März 1933 fand in der Berliner Krolloper - der Reichstag war abgebrannt - die Debatte und Abstimmung über "Das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich" statt - dem Ermächtigungsgesetz. Otto Wels sprach für die SPD die letzten freien Worte im Reichstag. Danach stimmte als einzige Partei die SPD - die KPD-Abgeordenten waren verhaftet oder mit dem Tod bedroht abwesend - gegen das Gesetz. Am nächsten Tag trat es in Kraft und bedeutete das Ende der Grundrechte, der Verfassung und der Gewaltenteilung.

Ein Bayer, Mittwoch, 31.August 2016, 12:38 Uhr

9. Die Gefahr des "Staatsmißbrauchs" wird es immer geben

Wenn die Bundeswehr schon im Inland mitmachen soll, dann muss die Wehrpflicht wieder her. Eine Berufsarmee mit wenigen 100.000 Berufssoldaten kann nicht alle Aufgaben gleichzeitig stemmen. Gleichzeitig würde man damit auch das Verständnis der heutigen Spaßgesellschaft-Jugend für das eigene Land stärken und zeigen, dass das alles, was wir haben, nicht von "Ungefähr" kommt, sondern hart erarbeitet wurde. Da auch die Exekutive hoffnungslos unterbesetzt ist, wird sie im Extremfall auch Hilfe brauchen. Wer dann - in welchem Gewand auch immer - die Bevölkerung schützt, dürfte ziemlich egal sein. Also ist es nur gut, wenn die Bundeswehr die inneren Sicherheitskräfte kopfmäßig aufstockt. Das aktuelle Beispiel Türkei zeigt, dass es die Gefahr des "Staatsmißbrauchs" der eigenen Armee schon immer gegeben hat. Auch wenn unsere jüngste Geschichte so etwas eigentlich verbietet scheint es doch inzwischen geboten: Die Bundeswehr soll/muss vor allem das eigene Volk schützen - auch im Inneren.

  • Antwort von Militarisierung der Gesellschaft, Mittwoch, 31.August, 14:33 Uhr

    Falscher Ansatz! Die Polizei ist so auszustatten, dass sie immer Herr der Lage ist. Das könnte dann auch Vorbild für andere Staaten sein, die z. Z. noch Militär im Inneren zusätzlich einsetzen.
    Die türkische Armee hat immer dann geputscht, wenn der kemalistische Ansatz von Trennung von Staat und Moschee bedroht war. D. h. sie wurde immer dann gegen die Regierung tätig, die das "Rad der Geschichte" zurückdrehen und aus der Türkei ein/e islamische Republik/Sultanat machen wollten.