18

Wenn Kita-Plätze fehlen Eltern können Verdienstausfall einklagen

Eltern, die zum Wunschtermin keinen Betreuungsplatz für ihr Kleinkind bekommen und deshalb erst später arbeiten gehen können, haben grundsätzlich Anspruch auf Schadenersatz. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschieden.

Von: Klaus Hempel

Stand: 20.10.2016

Schriftzug "Kita" | Bild: picture alliance / blickwinkel

Die verantwortliche Kommune haftet dem Urteil zufolge nur dann nicht, wenn sie keine Schuld trifft, zum Beispiel, weil nicht genügend Erzieherinnen auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Finanzielle Engpässe reichen als Rechtfertigung für fehlende Kita-Plätze nicht aus. Mit seiner Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die Rechte von berufstätigen Eltern deutlich gestärkt.

Geklagt hatten drei Mütter. Sie verlangen von der Stadt Leipzig insgesamt 15.000 Euro Entschädigung für Verdienstausfall: Die Frauen hatten keine Betreuungsplätze für ihre Kleinkinder bekommen und konnten deshalb nicht arbeiten. Die Fälle hat der BGH nun noch einmal an die Vorinstanz, das Oberlandesgericht Dresden, zurückverwiesen. Dort muss geprüft werden, ob der Stadt Fehler unterlaufen sind, etwa weil sie den Bedarf an Kita-Plätzen falsch eingeschätzt hat.

Der Kampf um einen Kita-Platz

Eine der Klägerinnen, Claudia Menschel, bekam Anfang 2013 einen Sohn und bemühte sich anschließend sehr schnell um einen Kita-Platz, weil sie Anfang 2014 wieder arbeiten wollte. Aber sie bekam nur Absagen. Die Stadt Leipzig konnte ihr keinen Platz zur Verfügung stellen, obwohl sie gesetzlich dazu verpflichtet war. Claudia Menschel konnte deshalb nicht wie geplant, nach einem Jahr Elternzeit, ihre Arbeit wieder aufnehmen. Dies gelang ihr erst einige Monate später, als sie endlich einen Betreuungsplatz gefunden hatte. Deshalb verklagte sie die Stadt Leipzig auf Schadenersatz. Sie möchte, dass sie für den Lohnausfall entschädigt wird.

"Die Zeit, die ich nicht arbeiten gehen konnte, kann ich nicht zurückbekommen. Aber zumindest das Gehalt, das mir in dieser Zeit entgangen ist, möchte ich natürlich haben. (...) Hätte ich den Kita-Platz bekommen zur richtigen Zeit, hätte ich wieder arbeiten gehen können und hätte auch mein Gehalt bekommen wie geplant."

Claudia Menschel, Klägerin

Landgericht spricht Entschädigung zu - Stadt lehnt ab

Kinder in einer Kindertagesstätte

Das Landgericht Leipzig sprach ihr das Geld Instanz auch zu. Doch die Stadt ging in Berufung - mit Erfolg: Das Oberlandesgericht Dresden wies die Klage zurück. Zwar habe die Stadt ihre gesetzlichen Pflichten verletzt, einen Kita-Platz bereitzustellen, so die Richter. Einen Rechtsanspruch auf den Platz hätten aber einzig und allein die Kinder, nicht die Eltern. Deren Wunsch, wieder arbeiten zu gehen, sei vom Gesetz nicht geschützt. Verdienstausfall könnten die Eltern nicht geltend machen. Deshalb habe Leipzig auch keine Entschädigung bezahlt, so der Pressesprecher der Stadt Leipzig:

"Das Gesetz schreibt seit 2013 vor, dass wir einen Kita-Platz zur Verfügung stellen müssen oder eine Kinderbetreuung. Die Vorinstanz hat festgelegt, dass sich dieses Recht an die Kinder richtet, und zwar ausschließlich. Und es nicht abzielt auf die Verdienstmöglichkeit der Eltern. Das heißt: Im Moment gibt es keine rechtliche Handhabe, hier Verdienstausfall zu zahlen."

Matthias Hasberg, Pressesprecher Stadt Leipzig

Eltern hoffen auf positives Urteil

Mit diesem Argument wurden auch die Klagen von zwei weiteren Müttern aus Leipzig zurückgewiesen. Alle drei Frauen legten Revision gegen die Urteile des Oberlandesgerichts Dresden ein.

"Wir erhoffen uns natürlich, dass den Eltern Recht gegeben wird; dass das Gesetz so ausgelegt wird, dass es ja darum geht, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu machen. Denn genau das ist ja das Ziel der Geschichte: Man möchte natürlich Kinder bekommen. Aber man möchte sein Leben auch so weiterführen, wie man es vorher hatte. Man möchte entscheiden, wann man wieder ins Berufsleben zurückkehrt und wann man einen Kita-Patz in Anspruch nimmt. Und nicht: Vielleicht bekomme ich irgendwann mal einen Platz oder auch nicht."

Claudia Menschel, Klägerin

Die Leipziger Richter hatten argumentiert, dass der Gesetzgeber es allen Eltern ermöglichen wollte, berufliche und familiäre Aufgaben zu verbinden. Deshalb seien die Ansprüche auf Verdienstausfall gerechtfertigt.


18

Kommentieren

CG, Donnerstag, 20.Oktober 2016, 13:16 Uhr

5. Es geht um den Rechtsanspruch

Es geht im vorliegenden Fall ausschließlich darum zu klären, welche Konsequenzen die Nichterfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz hat.
Wenn den Klägern keine Entschädigung zugestanden wird, heißt das, dass der Rechtsanspruch lediglich fürs Schaufenster ist.

thorie, Donnerstag, 20.Oktober 2016, 10:30 Uhr

4. wie haben nur unsere großmütter und mütter ...

es geschafft ihre kinder großzuziehen.
ich warte nur drauf, das die modernen mütter kostenloses desinfektionsmittel für spielplätze und ab 1,5 kindern nen staatl. finanzierten t 5 fordern.

  • Antwort von Wolf, Donnerstag, 20.Oktober, 17:59 Uhr

    Sie haben es geschafft indem sie ihre Zeit nicht mit sinnfreien Kommentaren verplempern.....Arbeit ist halt nicht nur Theorie.

  • Antwort von Oma Erna, Donnerstag, 20.Oktober, 21:36 Uhr

    Und Sprit für den SUV.....

Alfred Haas, Donnerstag, 20.Oktober 2016, 09:44 Uhr

3. Frühkindliche Förderung

Die Gemeinschaft finanziert in Kita, Kindergarten und Schule die Entwicklung und Ausbildung der Kinder. Die Gemeinschaft finanziert auch eine Lebensgrundlage, falls Erwachsenen unverschuldet in Not geraten - aber es kann nicht sein, daß die Gemeinschaft alle Lebenswünsche finanziert.

  • Antwort von thorie, Donnerstag, 20.Oktober, 11:41 Uhr

    frühkindlich beginnt bei den männinnen ab dem zeitpunkt, dasse ihre beine br..... man darfs net schreiben..

  • Antwort von @Thorie, Donnerstag, 20.Oktober, 14:07 Uhr

    Sie und Ihre Denkweise sind schlichtweg widerlich.

  • Antwort von Nautilus, Donnerstag, 20.Oktober, 16:14 Uhr

    Was aber einige Frauen nicht davon abhalten wird, bewusst auf diesen Anspruch zu klagen, obwohl die vielleicht nie vor hatten zu arbeiten oder gar keinen vorherigen Arbeitgeber hatten. Wird das nachgeprüft? Denn ich befürchte da wirklich Missbrauch, weil gewisse MitbürgerInnen sofort ihre Chance auf ein Zubrot erkennen und ohne jedes Zögern anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen werden.

Heuberg, Donnerstag, 20.Oktober 2016, 09:32 Uhr

2. "Kinderförderungsgesetz"

Das Gesetz, das den Betreuungsplatz garantiert, heißt "Kinderförderungsgesetz" (KiföG). Es zielt auf die Förderung der Kinder. Es zielt mit keiner Silbe auf die Förderung elterlicher Erwerbstätigkeit. Von daher wären die Kosten einer ersatzweisen privaten Kinderbetreuung einklagbar ("Nanny"). Nach dem geltenden Gesetz kann die Mutter eher den Wert Ihrer persönlichen Betreuungarbeit einklagen, mit der sie die staatliche Betreuungslücke geschlossen hat.

Old Surehand, Donnerstag, 20.Oktober 2016, 08:04 Uhr

1. Vertane Zeit

Zitat Klägerin: "Die Zeit, die ich nicht arbeiten gehen konnte, kann ich nicht zurückbekommen".
Muss ja ganz furchtbar zuhause mit dem Kleinkind gewesen sein. Ich frage mich, weshalb manche Menschen überhaupt Kinder bekommen, wenn sie diese anschließend so schnell wie möglich los werden wollen.

  • Antwort von Rosie the Riveter, Donnerstag, 20.Oktober, 09:51 Uhr

    Ähem ... Sie sind ein Mann, oder?
    Als berufstätige Mutter von drei Kindern kann ich Ihnen versichern: Ich liebe meine Kinder, aber ich liebe auch meinen Beruf. Die miefigen Jahre, in denen berufstätige Frauen als Rabenmütter galten, die sich nicht mit dem holden Vollzeit-Hausfrau-und-Mutter-Ideal vereinen ließen, sind zum Glück vorbei.
    Und es kann einfach nicht sein, dass der Gesetzgeber selbst einen Anspruch festlegt, sich dann aber winkeladvokatenhaft versucht, herauszuwinden, falls tatsächlich jemand auf diesen Anspruch pocht. In welcher Bananenrepublik leben wir denn?

  • Antwort von thorie, Donnerstag, 20.Oktober, 10:08 Uhr

    @ rosie
    recht haste mit dem mief....aber!
    warum meinen dann alle, das sie alles, was sie tun von der allgemeinheit finanziert bekommen?

  • Antwort von Old Surehand, Donnerstag, 20.Oktober, 10:16 Uhr

    @Rosie: Natürlich ist es gut, dass die "alten" Zeiten vorbei sind. Aber der Kita-Anspruch hat m.E. nichts mit Geschlechterrollen zu tun. Stellen Sie sich vor: Es gibt mittlerweile viele Männer, die gerne wenigstens einen Teil der Elternzeit zuhause verbringen. Ein Recht auf berufliche Selbstverwirklichung für Mutter oder Vater ist mit der Betreuungsgarantie bzw. der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht gemeint.
    Im Übrigen schrieb ich oben von "Menschen", die Kinder bekommen und nicht von Frauen. Nach meinem Verständnis ist Erziehung grundsätzlich Sache beider Elternteile, soweit vorhanden.