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Entscheidung in Wien Österreicher müssen noch einmal wählen

Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat entschieden: Die Stichwahl um das Bundespräsidentenamt muss wiederholt werden. Ein Erfolg für die rechte FPÖ, deren Kandidat Norbert Hofer knapp unterlegen war.

Von: Silke Henning und Martin Plank

Stand: 01.07.2016

Die Richter des österreichischen Verfassungsgerichts | Bild: orf

"Wahlen sind das Fundament unserer Demokratie. Dieses müsse daher funktionstüchtig erhalten werden. Das Urteil wird keinen zum Verlierer, keinen zum Gewinner machen", sagte der Präsident des Verfassungsgerichts (VfGH), Gerhart Holzinger, zu Beginn seiner Urteilsverkündung. Dann wurde er konkret und sagte für jedermann verständlich:

"Die Stichwahl muss in ganz Österreich wiederholt werden."

Präsident des österreichischen Verfassungsgerichtshofs, Gerhart Holzinger

Grund für die Aufhebung des Wahlergebnisses seien Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung von Briefwahlstimmen. Diese wurden schon am Wahlsonntag - dem 22. Mai - ausgezählt, und nicht erst am Tag danach, wie gesetzlich vorgeschrieben. Das VfGH sieht damit die Voraussetzung erfüllt, dass das Wahlergebnis beeinflusst worden sein könnte, beispielsweise durch die Weitergabe von Teilergebnissen an Medien.

Formale Mängel

77.926 Stimmen seien von Rechtswidrigkeiten erfasst, die theoretisch allein Norbert Hofer (FPÖ) oder Alexander Van der Bellen zufallen hätten können, so Holzinger zur weiteren Begründung. Dabei reiche allein die Möglichkeit. Ein Nachweis, dass es tatsächlich zu Manipulationen gekommen ist, sei nicht nötig. Der VfGH hält sogar "ausdrücklich" fest, dass er aufgrund der Befragungen keine Manipulationen feststellte.

"Das habe man schon immer so gemacht"

In 94 von 117 Wahlbezirken habe es Unregelmäßigkeiten gegeben, so hatten die Freiheitlichen die Wahlanfechtung begründet. Allerdings hatte die FPÖ bei der vorzeitigen Zählung der Briefwahlstimmen mitgemacht. 90 Zeugenbefragungen vor dem Verfassungsgerichtshof in den vergangenen Tagen bestätigten dies. Sie bestätigten, dass aus Zeitnot Kuverts vorzeitig geöffnet und die Stimmen auch teils von nicht Befugten ausgezählt wurden.

Allerdings habe man das schon immer so gemacht. Die Korruptionststaatsanwaltschaft ermittelt nun auch. Denn das ist gegen das Gesetz: Ausgezählt werden durften die Briefwahlstimmen erst ab Montagmorgen 9 Uhr.

Vorschriften seien künftig auf "Punkt und Beistrich" einzuhalten. Der "Schlendrian" habe sich schon länger eingeschlichen, nur sei diese Causa eben jetzt an den VfGH herangetragen worden, so Holzinger. Die österreichische Mentalität "irgendwie werden wir das schon organisieren" sie hier fehl am Platz.

Chance auf Wiederholung

Die rechtspopulistische FPÖ wittert nun Morgenluft. Immerhin besteht die Chance, dass bei einer Wiederholung der Bundespräsidentenwahl ihr Kandidat Norbert Hofer doch noch gewinnen könnte.

Am 22. Mai hatte der von den Grünen ins Rennen geschickte Kandidat van der Bellen die Wahl knapp gewonnen, mit etwa 31.000 Stimmen Vorsprung vor Hofer. Die jetzt festgestellten Unregelmäßigkeiten haben auch schon zu einer Debatte über Wahlrechtsänderungen geführt. Die FPÖ ist vor allem für eine Reform des Briefwahl-Rechts - denn die Briefwähler stimmen traditionell eher nicht für die Rechtspopulisten.

Fischer: „Sicher keine Staatskrise“

"Es droht sicher keine Staatskrise. Es sind Fehler passiert, aber sie sind souverän repariert worden."

Bundespräsident Heinz Fischer

Weil die Wahl nun wiederholt werden muss, bedeutet dies auch: Van der Bellen kann am 8. Juli nicht als Nachfolger Heinz Fischers, SPÖ, vereidigt werden. Der Sozialdemokrat scheidet nach dem Ende zweier Amtszeiten in der kommenden Woche als Staatsoberhaupt verfassungsgemäß aus. Das dreiköpfige Präsidium des Wiener Parlaments müsste vorläufig die Hofburg-Geschäfte übernehmen - ein Vizepräsident heißt übrigens Norbert Hofer.

Die Neuwahl wird voraussichtlich erst im Herbst stattfinden.


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focus, Freitag, 01.Juli 2016, 16:14 Uhr

7. ...der schnellste sein

bei unseren Kommunalwahlen herrscht scheinbar unter den Wahlleitern und Wahlhelfern der Gemeinden immer ein richtiger Wettstreit. Am nächsten Morgen heißt es dann in der Tagespresse: "Die Gemeinde xxx war am schnellsten bei der Auszählung. Bereits um 18.25 Uhr wurde das Endergebnis an die zentrale Wahlstelle beim Landratsamt gemeldet". Das verführt natürlich evtl. auch hier zu eine Übereifrigkeit.

Truderinger, Freitag, 01.Juli 2016, 15:56 Uhr

6. Ein schwarzer Tag...

für Europa und die Demokratie. Es ist den Rechtsextremisten gelungen, mit fragwürdigen Tricksereien die Demokratie auszuhebeln. Wie blind sind solche Richter auf dem rechten Auge? Hoffentlich lassen sich die Anständigen Österreichs nicht von diesen schlechten Menschen verführen!

  • Antwort von na ich, Freitag, 01.Juli, 16:12 Uhr

    so wie es aussieht haben wohl die Linken ihren Kanditaten nach vorne getrickst...

  • Antwort von Elisabeth, Freitag, 01.Juli, 16:38 Uhr

    Wer hat hier denn getrickst? Nicht die Rechten, bitte schoen.

  • Antwort von Österreich ist eine demokratische Republik., Freitag, 01.Juli, 17:06 Uhr

    Ihr Recht geht vom Volk aus. (Art. 1 Satz 1 u. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes der Republik Österreich)
    Was für ein abstruser und unqualifizierter Kommentar. Die Demokratie wurde mit nichten ausgehebelt. Es gibt ein Wahlgesetz und daran haben sich die Wahlgremien zu halten und zwar genaustens! Denn wie der Präsident des Verfassungsgerichtshofs betont hat, ist eine Wahl die Basis der Demokratie. Auf ihr bauen alle weiteren Entscheidungen auf. Wird eine Wahl nicht ordnungsgemäß durchgeführt, ist das Vertrauen in die Demokratie grundlegend erschüttert.
    "Wie blind sind solche Richter auf dem rechten Auge?"
    Gar nicht. Z. B. wurde VfGH-Präsident Prof. Dr. Gerhart Holzinger (Spezialgebiet Grund- u. Menschenrechte, ehem. Vorsitzender des österr. Menschenrechtsbeirats) von einer SPÖ/ÖVP-Bundesregierung vorgeschlagen.

  • Antwort von Zwiesel, Freitag, 01.Juli, 18:58 Uhr

    @na ich und Elisabeth:
    Es ist erkennbar, wie Sie auf die Verschwörungstheorie von Strache und den Rechtspopolisten hereinfallen. Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat nicht festgestellt, dass getrickst worden ist. Es geht um formale Verstöße gegen das Wahlgesetz. Manipulationen wurden nicht festgestellt. Und, es bleibt die Frage offen, wie viele Wahlverantwortlichen von der FPÖ mit an diesen Schlampereien beteiligt waren und die Protokolle unterschrieben haben. Mit Ihrer Zustimmung ermöglichen Sie den Rechtspopulisten und auch den Rechtsextremen den Kampf gegen die Demokratie. Sie sind das Kanonenfutter für deren menschenverachtenden Eigeninteressen.

Manuela, Freitag, 01.Juli 2016, 15:50 Uhr

5. Die Österreichen MÜSSEN nicht nochmals wählen...

sie DÜRFEN nochmal wählen und haben so die Entscheidung erneut in der Hand, wer ihr Land repräsentieren soll.
Eine Probezeit für gewählte Politer wäre doch eine überlegenswerte (teuere - das ist mir bewusst) Einführung.
Vor der Wahl sind die Versprechen oft groß und nach der Wahl weiß plötzlich keiner mehr, was er alles versprochen hat.

Isabell Speidel, Freitag, 01.Juli 2016, 14:34 Uhr

4. Rechtsstaat siegt noch in Österreich !

In manchen Gemeinden, in denen der linksgrüne Kandidat die Mehrheit hatte, haben komischerweise 142 Prozent gewählt.
Es ist gut, dass die Wahl wiederholt werden muss !

Bei uns sollte man sich nach 18 Uhr künftig auch ins Wahllokal stellen und zuschauen....ich vertraue derzeit niemandem mehr ! Bei dem Dauerbashing gegen Nicht-Etablierte Parteien würde mich nicht wundern, wenn viele unter den Tisch fallen.

  • Antwort von Bernhard, Freitag, 01.Juli, 15:22 Uhr

    Bei solchen voreingenommen Personen sollte man das Wahllokal schützen.
    Diesen Personen ist nicht über den Weg zu trauen. Denn: Wer so verleumdet, ist zu mehr fähig!

  • Antwort von Truderinger, Freitag, 01.Juli, 15:58 Uhr

    Klar, für Sie mit Wahlbeobachtern aus Ungarn, Russland und anderen Schurkenstaaten!

Hugo, Freitag, 01.Juli 2016, 13:45 Uhr

3. Die Österreicher müssen nochmal wählen

also neue Wahl bis Hofer gewonnen hat