Nürnberger Gesetze Rassegesetze vor 80 Jahren erlassen
Sie sind an Menschenverachtung nicht zu unterbieten: Am 15. September 1935 verabschiedete der Reichstag die Nürnberger Rassegesetze. Es folgten für Juden Verbote und Repressionen, die in der Terrorherrschaft der Nazis endeten.
Hitler benötigte auf seinem Reichsparteitag 1935 in Nürnberg noch einen "Höhepunkt". Da kam die Rede des Reichsärzteführers Gerhard Wagner gerade recht, der in einem Vortrag mitteilte, dass der nationalsozialistische Staat bald durch ein "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes die weitere Vermischung von Juden und Ariern verhindern" werde. Hitler griff dies auf und ließ daraufhin Gesetzesentwürfe erarbeiten. 24 Stunden später lagen die Papiere auf seinem Schreibtisch.
"Die Art und Weise des Zustandekommens der Gesetzestexte war besonders typisch für das Regime. Der Führer befahl, er nahm die Stimmung seiner engsten Berater auf, über Nacht wurden die schamlosen Gesetze entworfen, der Reichstag nickte."
Siegfried Zelnhefer, Nürnberger Historiker und Leiter des Presse- und Informationsamtes der Stadt Nürnberg
Grundlage für die Judenverfolgung
Die Gesetze waren die Grundlage für die Ausgrenzung und Verfolgung von Juden. Für die Nazis waren diese Verordnungen die "endgültige Regelung der Judenfrage". Viele Juden dachten, dies sei der Gipfel ihrer Diskriminierung – eine oft tödliche Fehleinschätzung.
Schon früh nach der Machtübernahme 1933 begannen die Nazis konsequent Juden aus dem Alltag auszugrenzen - so zum Beispiel mit dem "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums". Es wurde ein "Arierparagraph" eingeführt, mit dem Ziel, jüdische Bürger aus dem Arbeitsmarkt zu verdrängen. Wer Jude war, und wer nicht, legte die erste Durchführungsverordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 fest.
"Die Bestimmung der 'Rasse' blieb im NS-Regime uneindeutig. Entgegen allen biologistischen Bezugnahmen auf das 'Blut' nahmen die Nationalsozialisten doch Zuflucht zur Religionszugehörigkeit, um Juden von Nicht-Juden zu unterscheiden."
Michael Wildt, NS-Experte
Verordnungen und "Ariernachweis"
Es wurden Verordnungen erlassen, die die Ausplünderung und Ausgrenzung der Juden legitimieren sollten. In den Nürnberger Gesetzen wurde ein "Ariernachweis" vorgeschrieben. Beamte und öffentliche Angestellte mussten schon seit 1933 "arischer" Abstammung sein, um weiterhin im Dienst bleiben zu können. Die Nürnberger Gesetze schrieben den "Ariernachweis" nun für alle Bürger des Deutschen Reichs vor.
Wer ein Darlehen oder ein Sportabzeichens haben wollte, brauchte ihn ebenfalls. Der "Ariernachweis" bestand aus Heirats-, Geburts- oder Sterbeurkunden, die von Priestern, Standesbeamten und Archivaren offiziell beglaubigt werden mussten. Diese Urkunden mussten bis zu den Großeltern zurückreichen.
Das "Blutschutzgesetz" verbot Eheschließungen zwischen Nichtjuden und Juden. Somit war dementsprechender Geschlechtsverkehr ebenfalls strafbar. Auch wer als Jude "arische" Dienstmädchen unter 45 Jahren bei sich arbeiten ließ oder die Hakenkreuzfahne hisste, drohte eine Haftstrafe.
2.090 Menschen wurden verurteilt
Bis zum Jahr 1940 wurden offiziell 2.090 Menschen verurteilt, weil sie sich nicht an die Nürnberger Gesetze gehalten haben. Auch Todesstrafen wurden ausgesprochen. Hans-Walter Schmuhl, Geschichtsprofessor aus Bielefeld, meint, der drohende Unterton in Hitlers Nürnberger Parteitagsrede sei von vielen nicht wahrgenommen worden.
Falls der Versuch einer "gesetzlichen Regelung der Judenfrage" mehrmals scheitern sollte, hatte Hitler gesagt, dann müsse das Problem "zur endgültigen Lösung der nationalsozialistischen Partei übertragen" werden. Bereits hier sei laut Schmuhl klar geworden, dass die Nürnberger Gesetze nicht das Ende, sondern erst der Anfang des Antisemitismus gewesen seien.
"Kaum jemand ahnte 1935, dass diese infamen Gesetze noch längst nicht der Höhepunkt des nationalsozialistischen Rassenwahns waren."
Burkhard Asmuss, Deutsches Historisches Museum Berlin
Kranzniederlegung und Gedenkveranstaltung
Anlässlich des 80. Jahrestages der Rassengesetze legten Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) und Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle am Dienstag am Mahnmal der von den Nazis ermordeten Sinti und Roma einen Kranz nieder. Spaenle würdigte dabei die Stadt Nürnberg für ihren "fachlich höchst begründeten und hoch sensiblen Umgang mit dem Erbe der Jahre von 1933 bis 1945“. Als Beispiele nannte der Minister das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände als Ort, "an dem Menschen heute authentisch an das dunkelste Kapitel der deutschen Zeitgeschichte erinnert werden."
"Ich bin der Stadt Nürnberg sehr dankbar, dass sie so außerordentlich viel für die Bildung und Erziehung unserer jungen Menschen zu mündigen Staatsbürgern leistet."
Ludwig Spaenle (CSU), Bayerischer Kultusminister