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Wiesn-Geschichte (1) Traumhochzeit mit Pferdeäpfeln

Am Anfang stand ein opulentes Hochzeitsfest für die bayerische Bevölkerung: Zur Trauung von Kronprinz Ludwig und der Sachsenprinzessin Therese gab es ein Pferderennen - der vierbeinige Ursprung der Wiesn.

Von: Michael Kubitza

Stand: 16.09.2016 | Archiv

Pferderennen 1844 auf der Münchner Theresienwiese | Bild: Münchner Stadtmuseum

Um seine Hochzeit geht es: Ludwig I., damals noch Kronprinz, der 1810 die sächsische Prinzessin Therese zur Frau nahm.

König Ludwig I.

Davon abgesehen ist wohl Franz Baumgartner schuld, seines Zeichens Lohnkutscher, Pferdefreund und Nationalgardist III. Klasse, also in der Bürgerwehr. Man könnte doch, schlug Baumgartner seinem Kommandanten Dall'Armi vor, die Hochzeit durch ein zünftiges Pferderennen aufpeppen?

Der Kavallerie-Major und Bankier Dall' Armi reichte den Vorschlag nebst bereits eingesammelten Spenden beim bayerischen Königshaus ein und erhielt die gnädige Erlaubnis, "hinter dem neuen Spital bis an die Dorfschaft Sendling" eine Rennbahn zu errichten.

Eine Art Win-Win-Win-Win-Situation: Dall' Armi gewann die Gunst des Königshauses, dieses eine Bühne, sich vom Volke huldigen zu lassen, jenes sein künftiges Nationalfest und der Baumgartner Franz das Rennen.

Ein Fest fürs Volk und seine Regenten

Soweit die Legende. Fest steht: Es war ein Spektakel. Schon die Hochzeit selbst war ein Großereignis gewesen, bei dem München, nun ja, leuchtete. Die Bürgerhäuser der kleinen Residenzstadt waren festlich wie selten geschmückt und illuminiert, über die Plätze hallte Musik, und die vom Königshaus spendierte "öffentliche Ausspeisung" war üppig genug, dass die Chronisten von einem "Volksfest" sprechen konnten.

Das Pferderennen

Eine Woche später dann das Rennen. Es knüpfte an die mittelalterliche Tradition der "Scharlachrennen" an, eine Art Turnier, bei dem die Reiter um ein rotes Tuch wetteiferten. Um 1800 stand der Pferdesport erneut hoch im Kurs - verband er doch aufs Augenfälligste adelig-militärisches Selbstverständnis, bäuerliche Erfahrungswelt und das bürgerliche Fortbewegungsmittel Nummer 1.

Kaum weniger als die Jockeys standen die Wittelsbacher selbst im Mittelpunkt. Nach feierlichem Aufzug wohnten sie dem Rennen in einem eleganten Pavillon bei, während das Volk sich 30.000 Mann stark auf der "Gegentribüne" - dem Hang unterhalb der heutigen Ruhmeshalle - zusammenpresste.

Geburtshilfe für den "National-Character"

Vor dem Rennen defillierte "das Volk" in Gestalt von 16 Kinderpaaren vorbei, um den Hauptzweck der Veranstaltung deutlich zu machen: Gekleidet in die unterschiedlichen Landestrachten, überreichen sie dem König wie beim Erntedank Blumen und Früchte und sagten Huldigungsverslein auf. Eine Imagekampagne, würde man heute sagen.

Erst seit vier Jahren war Kurfürst Maximilian IV. Joseph König der Bayern von Napoleons Gnaden; zum Herrschaftsgebiet des Wittelsbachers zählten seither auch fremdelnde Franken und Schwaben, zahllose ehedem selbständige Klöster, Adelsgüter und die Freien Reichsstädte Nürnberg, Augsburg und Regensburg. Neu- wie Altbayern ächzten unter der Last der Napoleonischen Kriege, die Tausende von ihnen das Leben kosten. Ein Super-Familienfest sollte das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken.

"Volksfeste freuen mich besonders. Sie sprechen den National-Character aus, der sich auf Kinder und Kindes-Kinder vererbt"

Kronprinz Ludwig.

Im nächsten Jahr wurde das Fest unter Einbeziehung des Bauernstandes wiederholt, 1819 zum jährlichen Nationalfest erklärt. Die Anwesenheit des Königs ist bis zum Sturz der Monarchie Programm, seine ausnahmsweise Absenz stets ein Politikum. Der königliche Pavillon bleibt für Jahrzehnte optischer Mittelpunkt. Manchmal gibt es ein spezielle Spektakel wie den Gasballon der Wilhelmine Reichard, der 1820 über der Wiesn schwebt. Der Aufstieg der Wiesn zum bayerischen Nationalrausch steht da noch bevor.


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