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Digital Lehren und Lernen RWTH Aachen setzt virtuelle Avatare ein

Ein physisches Treffen ist momentan nicht möglich – dann eben virtuell: Campus Magazin hat mit Dr. Anne Faber und Prof. Dr. Heribert Nacken, Zuständige für das Projekt, über “MyScore“ und die digitalen Strategien der RWTH Aachen gesprochen.

Von: Julia Brestrich

Stand: 07.04.2020 11:37 Uhr

Überblick über die drei verschiedenen Bereiche des Projekts MyScore. | Bild: Quelle: Dr. Anne Faber RWTH Aachen

Mit dem Projekt “MyScore“ können Studierende sich zum Beispiel als virtuelle Avatare in Übungsräumen begegnen oder in einer virtuellen Bergwerks-Umgebung trainieren.

"Wir können die Studierenden momentan nicht zu uns in die Hörsäle holen, wir müssen in die Studentenwohnheime und in Wohnungen der Studierenden gehen. Dafür brauchen wir die richtigen Werkzeuge."

Prof. Dr. Heribert Nacken, Rektoratsbeauftragter für Blended Learning der RWTH Aachen

Sommersemester startet trotz Corona

MyScore Avatar | Bild: Bayerischer Rundfunk zum Video Digital Lehren und Lernen Projekt “MyScore“ der RWTH Aachen

Mit dem Projekt "MyScore" können sich Studierende als virtuelle Avatare in Übungsräumen begegnen. Ja, es in der Video VR-Umgebung ist es sogar möglich - virtuell - direkt miteinander in Kontakt zu treten, oder in Lehrveranstaltungen Fragen zu stellen. [mehr]

Sommersemesterstart an der Rheinisch-Westfälisch Technischen Hochschule Aachen (RWTH Aachen). Doch statt vollen Hörsälen, Seminarräumen und Bibliotheken ist die Uni leer. Das Semester startet dieses Jahr online.

Noch ist unklar, ob das gesamte Semester so ablaufen wird, aber die RWTH Aachen wappnet sich bereits für ein digitales Sommersemester. Hilfreich ist hierbei das Projekt “MyScore“, welches bereits im August 2019 gestartet ist. Der Name steht für “Mobility System Cooperation in Higher Education“, es ist Bestandteil einer Digitalisierungsstrategie mit dem Ziel den Studierenden die Vorteile des digitalen Lernens zu ermöglichen. Digitalisierungsansätze sollen dabei angewandt, erprobt, ausgebaut und zur Verfügung gestellt werden.

‘Blended Learning' in Virtual Reality

Hierbei geht es um den Ausbau von ‘Blended Learning‘ Angeboten. Hierunter versteht man Lernmethoden, welche nicht ausschließlich face-to-face oder online stattfinden, sondern sich als eine Kombination aus virtuellen und nicht-virtuellen Lernsituationen verstehen. So wird beispielsweise ein virtuelles Bergwerk entwickelt, in welchem Studierenden die realen Bedingungen antizipieren können oder ein virtueller Begegnungsraum geschaffen, in welchem sie sich begegnen können. Zusätzlich entsteht ein elektronisches Prüfungssystem und die digitale Infrastruktur “EMREX“ kommt großflächig zum Einsatz. Dieses ermöglicht es Studienleistungen digital zu verschicken.

Im Projekt involviert sind drei Masterstudiengänge, “European Mining Course“ (Internationales Bergbaustudium), “Master of Sustainability – Water and Energy“ und Physik. Unterstützt wird das Projekt noch von den Einrichtungen Medien für die Lehre und dem IT Center. Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), sowie dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) im Rahmen des Programms Internationale Mobilität und Kooperation Digital (IMKD) gefördert.

Was ist das Besondere am Projekt MyScore?

Dr. Faber: "Den Studierenden kann damit ermöglicht werden, Studieninhalte ortsunabhängig wahrzunehmen. Studierende können an Etwas teilnehmen, ohne dass Sie vor Ort sein müssen – sie setzen sich die Brille auf und befinden sich am selben virtuellen Ort wie ihre Kolleg*innen an anderen Universitäten. Man kann Situationen erproben, die man nicht einfach so erleben kann – wie beispielsweise die Begehung eines Bergwerks. Darüber hinaus ist natürlich auch die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen ein spannendes Thema und auch das war eine große Motivation hinter dem Projekt, um die bisher noch sehr papierbasierten Anerkennungsprozesse, bei denen Studienleistungen in Papierform von A nach B getragen werden, mit digitalen Werkzeugen zu unterstützen, zu vereinfachen und natürlich auch zu beschleunigen."

Herr Prof. Dr. Nacken, was haben die Studierenden für einen Mehrwert von diesem Projekt?

Heribert Nacken | Bild: Bayerischer Rundfunk zum Video Prof. Dr. Heribert Nacken, RWTH Aachen "Krisenzeit als Chance für das deutsche Bildungssystem"

Prof. Dr. Heribert Nacken, Rektoratsbeauftragter für Blended Learning der RWTH Aachen in seinem Virtuellen Home-Office-Studio. Er sieht in dieser Krisenzeit sich auch eine Chance für das deutsche Bildungssystem. [mehr]

Prof. Dr. Nacken: "Es geht in diesem Projekt 'MyScore' darum zu zeigen, was heute schon ohne großen Aufwand machbar ist. Nicht im Sinne von „was technisch machbar ist“, sondern auch was didaktisch sinnvoll ist. Wir können in der aktuellen Situation nicht einfach sagen: So jetzt zeichnen wir alle unsere Vorlesungen auf und stellen die ins Netz und gut ist. Das wird sehr wahrscheinlich fürchterlich schief gehen.
Da muss man einen etwas anderen didaktischen Ansatz machen. Wenn wir das vernünftig und gezielt machen, bin ich sehr davon überzeugt, dass unsere Studierenden davon einen besonderen Mehrwert haben. Sie können rezipieren, wo sie wollen und wenn sie Zeit dazu haben. Sie können wiederholen, sooft und sie können das in ihrem jeweiligen Tempo machen – alles Sachen, die sie in der analogen Lehre, also in Hörsälen, nicht machen können."

"Wenn man das bewusst angeht und die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzt, bin ich absolut davon überzeugt, dass das einen Mehrwert hat – sowohl für unsere Studierenden, als auch für uns als Dozierende."

  Prof. Dr. Heribert Nacken, Rektoratsbeauftragter für Blended Learning der RWTH Aachen

Zeit- und ortsunabhängiges Rezipieren ist allerdings auch “einfachen“ Vorlesungsinhalten möglich. Was ist, ihrer Meinung nach, das Besondere an einer virtuellen Lernumgebung?

Prof. Dr. Nacken: "Mit der virtuellen Welt kann man Szenarien schaffen, welche ich in der analogen Welt überhaupt nicht hinbekommen würde. Ich bekomme nicht 200 Statisten in meine Hörsäle rein, um mit meinen Studierenden Rollenspiele machen. In der virtuellen Welt ist das sehr einfach – da habe ich einfach per Knopfdruck Szenario 1, Szenario 2 und kann meine Studierenden ganz Möglichkeiten geben an ihren Kommunikationskompetenzen zu arbeiten. Ingenieure sind vielleicht nicht unbedingt immer diejenigen, die bestmöglich kommunizieren können und in unseren klassischen Ausbildungen, in den Universitäten, kommt zum Beispiel diese Kommunikationskompetenz total zu kurz, weil man das nicht trainieren kann. Und da sind zum Beispiel VR-Möglichkeiten super gut geeignet, weil sie ermöglichen, dass Sie mit ganz niedrigen Kosten, bestimmte Sachen realisiert.

Und nochmal der Bezug zu MyScore: Wir realisieren derartige VR-Szenarien und die Software dazu. Diese wird später kostenfrei an jede Universität und Hochschule in der Bundesrepublik Deutschland abgegeben, sodass die Leute diese Sachen auch nutzen können. Das läuft unter dem Begriff der Open Educational Resource (OER) und wir möchten an der Stelle ein gewisser Vorreiter sein, um solche Angebote an die Deutsche und gegebenenfalls auch internationale Bildungslandschaft zur Verfügung zu stellen. Und das sind alles Dinge, die Sie in der klassischen Art und Weise für Jahrzehnten nie realisieren konnten."


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