"Ich glaube, dass weite Teile der Bevölkerung ein Problem mit der 'Agenda 2010' haben – weniger mit einzelnen Maßnahmen als mit der Wertehaltung, die dahinter steht. Damals ist ja Folgendes passiert und das stellte und stellt für die Sozialdemokratische Partei ein ganz gravierendes Problem dar: Man hat damals den Blick auf die Arbeitslosigkeit geändert. Davor wurde Arbeitslosigkeit als ein gesellschaftliches Schicksal gesehen. Und dafür spricht ja auch vieles, denn was können die Frauen bei 'Schlecker' dafür, dass 'Schlecker' Pleite geht? Diese Frauen sind sicherlich nicht schuld an ihrer Arbeitslosigkeit, sondern sie sind über ihre Beschäftigung in ein solches soziales Risiko hineingeraten: Das heißt, ihnen ist hier ein gesellschaftliches Schicksal widerfahren. So wurde die Arbeitslosigkeit früher gesehen und deswegen wurde dann auch gesagt: 'Denen muss aus dem Kreise der Gesellschaft über die Arbeitslosenversicherung geholfen werden!' Mit der 'Agenda 2010' wurde der Blick plötzlich ein anderer: Arbeitslosigkeit wurde auf einmal als individuelle Schuld angesehen. Es wird nun gesagt: 'Man ist arbeitslos, weil man nicht so leistungsfähig ist, weil man vielleicht ein bisschen faul ist oder zu hohe Lohnansprüche hat.'"

Gustav Horn