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Jung und jüdisch in Deutschland

RESPEKT Jung und jüdisch in Deutschland

Stand: 24.11.2021

  • Von den heute weltweit 14,8, Millionen Jüdinnen und Juden leben in Deutschland 118.000, in den USA und in Israel jeweils knapp 7 Millionen.
  • Der Begriff "jüdisch" steht für vielerlei unterschiedliche Dinge: für eine eigene Religion, für eine besondere Tradition, für eine bestimmte Lebensweise oder für eine eigene Kultur.
  • Prinzipiell gilt nach religiöser Tradition: Als Jüdin und als Jude wird man geboren. Die Regel lautet: Jeder Mensch, dessen Mutter Jüdin ist, ist Jude beziehungsweise Jüdin.
  • Da jüdische Menschen immer wieder verfolgt und vertrieben wurden, gehören sie seit vielen Jahrhunderten unterschiedlichen Nationen an.

Religion, Tradition, Geburtsrecht

Mit dem Begriff Judentum kann verschiedenes gemeint sein: die jüdische Religion, eine bestimmte Kultur, alle Menschen, die einer jüdischen Religionsgemeinschaft angehören, Menschen, die sich selbst einer jüdischen Gemeinschaft zugehörig fühlen oder auch Menschen, die von anderen als jüdisch angesehen werden. Wer keine jüdische Mutter hat, kann zur jüdischen Religion übertreten. Das ist ein langer Prozess und wird von Rabbiner:innen, also von jüdischen Geistlichen, genau überprüft. Entstanden ist das Judentum vor über 3000 Jahren mit besonderen religiösen und kulturellen Eigenheiten. Im Gegensatz zu den anderen Religionen, die viele Götter und Göttinnen verehrten, preist die jüdische Religion erstmals einen einzigen, unsichtbaren und namenlosen Gott. Weitere jüdische Besonderheiten: der Schabbat als Tag der Ruhe sowie die Beschneidung männlicher Kinder und das Verbot, Schweinefleisch zu essen. Die jüdische Religion hat viele Berührungspunkte mit dem Christentum und dem Islam, hat aber kein geistliches Oberhaupt, wie zum Beispiel die katholische Kirche den Papst.

"Für mich ist junges jüdisches Leben die Verbindung mit den anderen jüdischen Leuten, um ehrlich zu sein."

Bella

Bräuche, die alle verbinden

Bella sind jüdische Bräuche und Traditionen wichtig – und auch, sie mit anderen jungen Juden und Jüdinnen zu teilen. Sie sagt: "Meiner Familie sind gerade die Bräuche extrem wichtig, also Feiertage und alles, was dazugehört. Und das ist auch das, was ich sehr gerne mit meiner Familie irgendwann fortsetzen möchte." Im Sportverein "Maccabi" spielt Bella Tennis. Hier kommen junge Juden und Jüdinnen zusammen, und auch Angehörige anderer Religionen sind willkommen. Zu Festen und dem Schabbat wird gemeinsam Brot gebacken: Challa, das ist ein Hefegebäck in Zopf-Form. Bella bäckt das zu Hause jeden Freitag mit ihrer Mutter. Zu ihrem Alltag als Jüdin gehört es auch, auf den Holocaust angesprochen zu werden. Doch das nerve sie nicht, im Gegenteil.

"Falls irgendjemand von meinen nicht-jüdischen Freunden oder sonst was Fragen hat, bin ich die erste Person, die gerne alles erzählt, weil ich finde, es ist das Wichtigste überhaupt, dass die Leute informiert sind, wissen, was passiert ist."

Bella

Von streng bis liberal: jüdische Religionsrichtungen

Das Spektrum der religiösen Strömungen reicht von orthodox bis liberal. Entscheidendes Kriterium: die Auslegung der Thora, der hebräischen Bibel. Für orthodoxe Jüdinnen und Juden ist die Thora unmittelbar von Gott offenbart. Sie halten sich strikt an die dort formulierten Grundsätze und Regeln. Sie ernähren sich koscher und halten die Schabbat-Ruhe ein. Das liberale oder progressive Judentum legt die Texte der Thora neu aus und passt sie an heutige Gegebenheiten an. Einen Mittelweg geht das konservative Judentum. Es bewahrt jüdische Traditionen, daher der Begriff konservativ oder "Masorti", Hebräisch für "traditionell". Gleichzeitig strebt diese Richtung Modernisierung an. Hier und in den liberalen Gemeinden gibt es auch Rabbinerinnen.

Queer, feministisch, jüdisch

Anna ist Jüdin. Allerdings erst, seit sie offiziell zum Judentum übergetreten ist. Denn nur ihr Vater ist jüdisch, ihre Mutter nicht. Deshalb brauchte es den offiziellen Schritt. Sie findet es wenig fortschrittlich, dass die Elternteile da nicht gleichgestellt sind. In den USA ist das bereits so: Es reicht ein jüdisches Elternteil, damit das Kind jüdisch ist. Zumal die Diskriminierung ja auch genau so funktioniert habe, etwa in der ehemaligen Sowjetunion. "Im Nationalsozialismus mit den Nürnberger Rassegesetzen war es auch egal, ob dein Dad oder deine Mum jüdisch ist. Also ich meine, für die Gaskammer hat es da gereicht", sagt Anna. Sie hat den Verein Kheshet München mitgegründet, einen Verein für queere Jüdinnen und Juden. Queer zu sein sei in liberalen jüdischen Gemeinden kein Problem, doch in Deutschland ist die große Mehrzahl der Gemeinden orthodox.

"In orthodoxen Gemeinden gibt es auch schon teilweise unterschwellig auch Diskriminierungsformen, gegen die wir aufstehen möchten, beziehungsweise dass man eben auch sichtbar machen möchte, dass man sich nicht zwischen seiner queeren und seiner jüdischen Identität entscheiden muss."

Anna

Wie viele Juden und Jüdinnen leben wo?

  • Von den heute weltweit 14,8, Millionen Jüdinnen und Juden leben in den USA und in Israel jeweils knapp 7 Millionen.
  • 1939 lebten 58 Prozent aller Jüdinnen und Juden auf dem europäischen Kontinent. Heute sind es nur noch neun Prozent.
  • Die meisten von ihnen leben in Frankreich, knapp 450.000. Zweitgrößte jüdische Gemeinschaft in Europa: das Vereinigte Königreich mit 292.000
  • Von den 118.000 jüdischen Menschen in Deutschland gehören 96.000 den Gemeinden an, die sich im Zentralrat der Juden zusammengeschlossen haben.

Zahlen und Fakten: Quellen

Demographische Studie zur jüdischen Bevölkerung
Sergio DellaPergola, L. Daniel Staetsky: "Jews in Europe at the turn of the Millennium. Population trends and estimates", Institute for Jewish Policy Research, London 2020, S. 12 ff., S. 70 f.
"Jüdische Allgemeine" zur Studie
Zu den in der Studie verwendeten Definitionen der demographischen Gruppen ("Core Jewish population" und "Law of Return Jewish population") und zur Diskussion der Definitionen
Institute for Jewish Policy Research: Germany; "Why European Jewish demography?"; bpb: Judentum
Rückkehrgesetz
Knesset: Law of Return; bpb: Immigration policy
Jüdische Gemeinden in Deutschland
1700 Jahre jüdisches Leben; Jüdische Gemeinden (Landkarte & Liste)
Zentralrat der Juden / Geschichte
Zentralrat der Juden; bpb; BMI
"Kontingentflüchtlinge"
BR24; Deutschlandfunk; bpb: Zunehmende Gemeindemitglieder durch "Kontingentflüchtlinge"
Beschränkung der Zuwanderung ab 2006
BAMF: Jüdische Zuwandernde; bpb
Strömungen des Judentums
bpb: Strömungen; planet wissen; Deutschlandfunk; Masorti e.V.; bpb: liberales Judentum
Thora; Koscheres Essen; Sabbatruhe S. 72; Rabbiner und Rabbinerinnen
Jüdische Einrichtungen
Kindergärten & Schulen; Abraham Geiger College; Rabbinerseminar; Zacharias Frankel College; Podcast: Schalom
Antisemitische Diskriminierung & Straftaten
BMI: "Hasskriminalität", S. 5; BMI: Bundesweite Fallzahlen, S. 8; Mediendienst Integration
Jüdinnen & Juden: Deutschland verlassen
dpa-Meldung vom 29.5.2021: "Knobloch: Junge Juden überlegen, Deutschland zu verlassen"

Ein jüdischer Wahlbayer

Antisemitische Diskriminierung und Straftaten nehmen zu und gefährden das Leben der Jüdinnen und Juden in Deutschland und auch in anderen europäischen Ländern. 2020 gab es in Deutschland 2.351 registrierte Straftaten. Daher überlegen immer mehr Jüdinnen und Juden, ihre heutige Heimat zu verlassen und nach Israel auszuwandern. Asaf Erlich dagegen kommt aus Israel und ist sehr gerne "Wahlbayer": Er liebt bayerische Feste und Traditionen, zum Beispiel Trachten. Als Hobby vloggt er über jüdische Feiertage und Traditionen. Vor Kurzem hat er in München geheiratet, davor ist seine Frau zum jüdischen Glauen konvertiert, beide sind entschlossen, gemeinsame Kinder in der jüdischen Tradition zu erziehen.

"Ich bin nicht religiös. Aber bei der Tradition mache ich schon mit. Und da ist es einfacher, wenn man das für dich entscheidet. Und dann nachher machst du, was du willst."

Asaf Erlich

Autorin: Monika von Aufschnaiter

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