BR Fernsehen - Sehen statt Hören


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Ehrenamtliche gesucht Was tun gegen Vereinssterben?

Viele Vereine und Verbände beklagen rückläufige Mitgliederzahlen. Der Nachwuchs fehlt. Aber wie gewinnt man junge Leute heutzutage, sich ehrenamtlich zu engagieren? Wie wird man als Verein attraktiv für neue und jüngere Mitglieder? Diesen und anderen Fragen geht Sehen statt Hören-Moderatorin Anke Klingemann nach.

Von: Holger Ruppert (Film) / Steffi Wolf (Online-Text)

Stand: 28.11.2019

Der Gehörlosenverband München und Umland e.V. (GMU) hatte zu einer Fachtagung eingeladen. Der Bedarf an Austausch ist höher als erwartet, wie Can Sipahi, GMU-Vorstandsmitglied, feststellt.

"Wenn man sich die Gründung der Vereine, die sich meinetwegen vor 50, 60 oder auch 100 Jahren gegründet haben, und heute die Gegenwart anschaut, in der die Deutsche Gebärdensprache anerkannt ist, es eine UN-Behindertenrechtskonvention und viele andere Dinge gibt, dann ist das alles auf den Ursprung von Vereinen zurückzuführen."

Can Sipahi, Vorsitzender GMU

Wenn man Europa insgesamt betrachtet, so ist Deutschland sicherlich das Land mit den meisten Gehörlosenvereinen. Dennoch muss der Deutsche Gehörlosen-Bund einen Mitgliederrückgang verzeichnen. Allein im letzten Jahr hat sich die Mitgliederzahl um 4.000 verringert. Das ist ein Minus von 14 Prozent.

Auch in Bayern gibt es Grund zur Sorge

"Wir haben momentan in Bayern die Situation, dass wir 2300 Mitglieder in knapp 40 Gehörlosenvereinen haben. Die Vereine sind nicht direkt im Landesverband angeschlossen, weil wir in Bayern besondere Strukturen haben. Die Vereine sind über die sieben Bezirksverbände organisiert, welche wiederum bei uns im Landesverband Mitglied sind. Wir schätzen die Entwicklung so ein, dass wir jedes Jahr ungefähr 30 bis 50 Mitglieder weniger haben. In zehn Jahren haben wir vielleicht nur noch die Hälfte der Mitglieder."

Bernd Schneider, Landesverband der Gehörlosen Bayern e.V.

Wie die Jugend erreichen?

Ein Facebook-Videoaufruf? - Inzwischen treibt sich die Jugend mehr bei Instagram herum. Infos müssen jedenfalls handytauglich sein, rät Sabrina Göb, Sozialarbeiterin GMU, bei ihrem Workshop zur Jugendakquise.

Und Cornelia von Pappenheim, Geschäftsführerin GMU, sieht in der Inklusion Risiko und Chance. Nicht nur Gehörlose können nun mehr teilhaben, es sei anders herum auch wichtig bei Veranstaltungen Gehörloser an Schwerhörige und Hörende zu denken: "Inklusion bedeutet, sich für andere zu öffnen, was sehr teuer ist."

Ein weiterer Knackpunkt könnte für Jugendliche die strenge Hierarchie in Verbänden und Vereinen sein, weiß Kathrin Wäder, Psychologin. Sie hält an der Fachtagung einen Vortrag zum Thema. "Empowerment bedeutet auch Begleitung, Unterstützung und Abgeben", sagt sie und weiter:

"Für Vorstände besteht die Herausforderung sicherlich im Umdenken. Man muss sich überlegen, wie man mehr Nähe zu den Mitgliedern schaffen kann und die Beziehung pflegen kann. Es gilt in den Dialog zu treten, und zwar auf Augenhöhe. Ich glaube viele Vereine haben Angst davor, ihre Hierarchie flach zu gestalten. Sie wollen an der alten Hierarchie festhalten, weil es sich so leichter leiten und lenken lässt. Fragt sich nur, ob das auch langfristig gesehen eine gute Lösung ist."

Katrin Wälder, Psychologin

Die zukünftigen Herausforderungen der Gehörlosenvereine und Verbände sind sehr vielschichtig. Es geht darum, im Wandel der Zeit Neues auf den Weg zu bringen und sich weiterzuentwickeln.


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