BR Fernsehen - Sehen statt Hören


7

Taube Autorinnen Zwei Schriftstellerinnen – ein gemeinsamer Traum

In letzter Zeit drängen vermehrt taube Schriftstellerinnen auf den Buchmarkt. Die in Deutschland bekanntesten: Corina Brosch und Nova Silencemere. Sehen statt Hören hat die beiden besucht.

Stand: 13.11.2023

Nova Silencemere

Schon als Kind hat Nova Silencemere angefangen, Bücher regelrecht zu verschlingen. Als sie elf Jahre alt war, verstarb ihr Vater. Damals hat sie mit dem Schreiben begonnen. Deutsch war schon zu Schulzeiten ihr Lieblingsfach – hier kassierte sie Einsen für ihre langen Aufsätze. Doch auf ihren Klausuren stand nicht der Name Nova Silencemere. Das ist ein Pseudonym, unter dem sie jetzt schreibt und veröffentlicht. Im September 2023 erscheint ihr Buch "Das Schicksal der Wikingerin". Ein historischer Roman. Es ist schon ihr zweites Werk.

Die Ideen kommen Nova nachts – meist gegen 3 Uhr. "Dann muss ich aufstehen und sie sofort aufschreiben", berichtet sie. Erst am Morgen überlegt sie dann, wie sie ihre Ideen ausarbeiten kann. Fast immer gibt es historische Anteile in Novas Geschichten. Und Frauen spielen darin eine Rolle. "Und ich wollte das Thema Gehörlosigkeit mit einbauen, weil es mir wichtig ist, mit dem Buch auch zu informieren."

Nova ist in einem hörenden Umfeld aufgewachsen, hat aber eine Gehörlosenschule besucht – und fühlte sich dadurch hin- und hergerissen zwischen der hörenden und der gehörlosen Welt. Sie war schwerhörig, ist mittlerweile ertaubt; Gebärdensprache hat sie in ihrer Kindheit heimlich gelernt. Eigentlich ist Nova ausgebildete Bürokraft – doch es war schwer für sie, Arbeit zu finden. Sie war immer wieder arbeitslos und absolvierte mehrere Therapien.

Heute lässt sich Nova unterstützen – durch ein Coaching, das sie regelmäßig besucht "weil man mir dort Mut macht, ich werde selbstbewusster." Novas Coach Pamela Sabic sieht Fortschritte. Die schüchterne und ängstliche junge Frau hat sich gewandelt: "Jetzt ist das eine junge Dame, die voller Neugier ihrer Umwelt begegnet", sagt sie. Mit verantwortlich sei sicher die gute Resonanz auf Novas Buch. Schon das Schreiben an sich ist für Nova Therapie. Sie hatte in der Vergangenheit das Gefühl, keine Kritik äußern, keine andere Meinung haben zu dürfen. "Darum habe ich angefangen, Bücher zu schreiben", betont Nova.

Einen Verlag sucht Nova nicht, sie ist bewusst Selfpublisherin. "Ich möchte nicht mit einem Verlag zusammenarbeiten, weil ich nicht möchte, dass andere über mich bestimmen. In meiner Kindheit hat man immer über mich bestimmt. Das möchte ich heute nicht mehr." Nova träumt davon, Schreiben zu ihrem Beruf zu machen. Auch wenn das ein schwieriger Weg ist.

Corina Brosch

"Mein Traum ist, als Autorin durchzustarten und Vorbild zu sein für Kinder, Jugendliche, Erwachsene - um zu zeigen, dass man auch als tauber Mensch alles schaffen kann, sogar Bücher schreiben."

Corina Brosch

Corina liebt Bücher, seit sie denken kann. Und sie hatte schnell ein Faible fürs Schreiben entwickelt: Schon als Kind hat sie mit einem Bleistift wild auf Papier rumgekritzelt. Die Mutter hat das gefördert. "Und dann hatte meine Oma eine alte Schreibmaschine, die hat mich total in ihren Bann gezogen. Ich wollte wissen, wofür die ist. Und als die Oma mir erklärt hat, dass man darauf schreiben kann, habe ich darauf herumgetippt. Das hat mich absolut gefesselt. Ich war am Ende ganz schwarz von der Tinte, total schmutzig", erinnert sich Corina. Ihre ersten getippten Blätter hat die Oma zwar weggeworfen – doch eines hat das Mädchen damals schon erkannt: Sie hat Talent. "Ich glaube, jeder Mensch wird mit einem Talent geboren, als Geschenk für die Welt. Und mein Talent liegt im Sprachlichen. Obwohl ich taub bin, bin ich davon fasziniert…"

Corina wurde in einem hörenden Umfeld groß und bekam deshalb wenig mit. Ihre Welt hat sie sich mit Hilfe von Büchern erschlossen: In ihnen hat sie ihre ersten Wörter entdeckt und Zusammenhänge begriffen. Seitdem sind viele Jahre vergangen. Über vier Jahre lang arbeitete Corina als Lehrerin, doch schließlich hat sie gemerkt, dass das nicht das Richtige für sie ist. "Ich habe den Beruf dann aufgegeben, weil ich mich dem Bücherschreiben widmen wollte." Zusätzlich hat sie angefangen, als Copywriterin zu arbeiten. Dabei bekommt sie verschiedene Aufträge von Kunden, mit Hilfe von Texten die Umsätze oder die Sichtbarkeit der Unternehmen zu steigern. Dabei schreibt Corina für Homepages und textet Posts für Social Media. Doch den Traum Bücher zu schreiben hat sie nie aufgegeben: 2021 erscheint Corinas erster Roman – ein Thriller. 2023 der zweite, eine Liebesgeschichte.

Ihre Hauptfiguren begegnen ihr meist nachts im Schlaf, verrät sie. Bis diese dann aber ihren Charakter ausgeformt haben und in Corinas Geschichten miteinander verknüpft auf Papier gebracht werden, vergeht doch eine Menge Zeit – mit viel kreativer Energie. Gerade schwirren in ihrem Kopf schon Ideen zum dritten Buch herum. Es soll wieder um Liebe gehen, um Freundschaft – und vielleicht um schöne Autos. "Ich habe da schon viele Ideen, aber eigentlich möchte ich noch nichts verraten. Es gibt ja immer wieder Änderungen, es ist ein stetiger Prozess. Nur so viel: Es wird wieder um eine taube Person gehen, die einer Person mit Autismus begegnet. Aber mehr möchte ich noch nicht verraten."

Liebe, aber auch Zeitmangel - das erlebt Corina seit 2021 intensiv: In diesem Jahr bekam sie mit ihrer Ehefrau Bianca eine Tochter. "Mit Familie ist alles anders. Vorher konnte ich mir meine Zeit frei einteilen, konnte allein entscheiden, wann ich aufstehe, was ich machen, wann ich schreibe. Jetzt mit Kind geht das nicht mehr. Da hab ich kaum freie Zeit, da sind die Prioritäten anders", sagt sie. Ihr zweites Buch hat sie fertiggestellt, bevor die Kleine auf die Welt gekommen ist – und danach über ein Jahr korrigiert. Mit dicken Augenringen, wie sie betont. Doch es übertraf qualitativ ihr Debüt noch. "Für das dritte Buch habe ich noch nicht viel geschafft. Klar, die Ideen habe ich bereits im Kopf, aber ich habe noch nicht angefangen zu schreiben."

Doch gerade während der Corona-Zeit hat Corina gespürt, wie wichtig Schreiben für sie ist. "Schreiben ist für mich eine Art Heilung. Da habe ich gespürt, dass es mein Traum ist, vom Schreiben leben zu können." Wie schwer das ist, hat die Autorin schnell realisiert: Sie dachte, mit der Veröffentlichung eines Buches, würden auch die Einnahmen kommen. "Aber ich habe mich komplett getäuscht. Ich hatte sogar mehr Ausgaben als Einnahmen", erklärt sie. Von den 12 Euro für jedes verkaufte Buch, bleibt kaum ein Euro für sie übrig. Und dabei macht Corina auch noch ihr ganzes Marketing selbst, denn Verlag hat sie bislang keinen gefunden – obwohl sie sich bei über 30 beworben hat.

Ihre Frau Bianca unterstützt Corina in ihrem Traum – sie hält ihr den Rücken frei und kümmert sich um die gemeinsame Tochter. Der Weg ist trotzdem ein langer und beschwerlicher. Aber eben auch ein erfüllender und glückbringender.


7