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Protestaktionen & News Der Deutsche Gehörlosenbund e.V. aktuell

Seit Monaten wird heftig über das Bundesteilhabe-Gesetz diskutiert. Und es wird gekämpft – dafür, dass das Gesetz gut wird. Im Moment befindet sich der Gesetzesentwurf im Bundestag. Somit ist die heiße Phase angebrochen, jetzt zählt’s. Der Deutsche Gehörlosenbund bleibt am Ball – und das nicht nur bei diesem Thema.

Stand: 27.10.2016

Protestplakat | Bild: BR

In zahlreichen Protestaktionen machen Verbände und Organisationen auf ihre Bedürfnisse aufmerksam und bringen ihre Kritik an dem Gesetz zum Ausdruck. Und die Kritik ist umfänglich. Der Deutsche Gehörlosenbund e.V.  (DGB e.V.) hat sich beispielsweise in einer Arbeitsgruppe gezielt mit einzelnen Passagen zur sozialen Teilhabe des umfangreichen Bundesteilhabegesetzes auseinandergesetzt. Zum Teil mit ersten Erfolgen.

"Wir wollten klare Formulierungen einbringen. Der Referentenentwurf enthält z.B. keine klaren Aussagen zur Kommunikation. Das haben wir erfolgreich in Stellungnahmen und Gesprächen angemerkt und jetzt im Gesetzesentwurf tauchen unsere Vorschläge explizit auf. Die Notwendigkeit „Verständigung“, also „Kommunikation“ ist klar formuliert worden – für uns ein wichtiger Erfolg."

Helmut Vogel, Präsident DGB e.V.

Bringt §99 Leistungseinschränkungen?

Die Behindertenverbände sehen gerade in Paragraf 99 des Entwurfs die Gefahr von Leistungseinschränkungen. Hier muss der Behinderte fünf von insgesamt neun Kriterien erfüllen, um Leistungen zu erhalten. Dr. Rolf Schmachtenberg, zuständiger Ministerialdirigent im Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt Entwarnung.

"Wir sehen das so, dass diese neue Regelung so gestaltet ist, dass damit diejenigen, die heute Leistungen der Eingliederungshilfe bekommen dies auch künftig tun werden. Wenn wir konkret an Gehörlose denken, müssen wir immer diese Regelungen so verstehen, dass sie natürlich typisierend betrachten. Es geht um den typischen Gehörlosen. Und der hat typischerweise in sehr vielen Lebensbereichen Einschränkungen im Leben. Und es wäre Unfug, wenn die Regelung so verstanden würde, dass es darum geht, dass der Einzelne erstmal darstellen muss, wie schlecht er im Leben zurechtkommt, um dann diese Leistungen zu bekommen. [...]"

Dr. Rolf Schmachtenberg, Ministerialdirigent  Bundesministeriums für Arbeit und Soziales

Das Gesetz muss sich beweisen

Helmut Vogel sieht das grundsätzlich als positives Signal – auch wenn Zweifel bleiben.

"Auf jeden Fall zählt das Signal seitens des BMAS, dass sich für uns Gehörlose nichts zum Nachteil verändern soll. Nur muss dies wirklich klar dargestellt sein. Während der dreijährigen Evaluationsphase ab 2017 gilt es, genau zu beobachten, wie es sich mit den Leistungen für Gehörlose verhält. Wir müssen sehen, was tatsächlich praktisch umgesetzt wird und was gutgemeinte Worthülsen sind. Wir werden Beispiele sammeln, so dass dann ab 2020 wirklich vernünftig Leistungen erbracht werden können. Dies soll nicht abhängig sein vom Ermessen einzelner Sachbearbeiter oder von Länderfinanzen. Wir wollen, dass den gesetzlichen Vorgaben klar Folge geleistet wird."

Helmut Vogel, Präsident DGB e.V.

Aus Sicht der Betroffenen muss sich also noch herausstellen, ob das Bundesteilhabegesetz tatsächlich Vorteile für gehörlose Menschen bringt. Es wird bemängelt, dass sie weniger berücksichtigt wurden als Menschen mit anderen Handicaps.

"Geht es um Barrierefreiheit im öffentlichen Raum, so wurden in der Vergangenheit vielerorts bauliche Maßnahmen ergriffen, um die räumliche Zugänglichkeit zu gewährleisten. Gehörlose Menschen profitieren davon nicht. Erst das Bundesteilhabegesetz ermöglicht als einziges Gesetz soziale Teilhabe. Ab 2020 soll es uns Gehörlosen möglich sein, Dolmetscher finanziert zu bekommen. Darauf warten wir also weitere 4 Jahre. Andere Behindertengruppen haben schon seit längerem durch verschiedene andere Gesetze Barrierefreiheit erreicht, z.B. sind Museen zugänglich geworden. Sie brauchen keine Dolmetscher, denn alle sprechen Deutsch. Wir müssen weitere 4 Jahre warten, bis wir endlich Dolmetscher finanziert bekommen. Das ist nicht fair."

Alexander von Meyenn , Vorsitzender Bundesverband der Dozenten für Gebärdensprache e.V.

Eine große Sorge bleibt

Insgesamt erfährt der DGB für seinen Einsatz großes Lob – auch wenn die Erfolge unterschiedlich eingeschätzt werden. Einen großen Wunsch hat Helmut Vogel jedoch: Er hofft, dass das Bundesteilhabegesetz noch in dieser Legislaturperiode verankert wird.

"Denn wenn sich das Gesetz in die nächste Legislaturperiode verschiebt, ändert sich vielleicht die Regierung und all das, was bisher erreicht worden ist, müsste wieder neu erarbeitet werden. Das würde viel Kraft und Ressourcen kosten."

Helmut Vogel, Präsident DGB e.V.

Weitere Meldungen vom DGB

Schuldenfrei

Eine wirklich durchweg positive Nachricht hat DGB-Präsident Helmut Vogel zu verkünden: Der Schuldenberg von 220.000 Euro konnte in seiner bisherigen zweijährigen Amtszeit komplett abgebaut werden. Eines der großen Ziele des neuen Präsidiums - die finanzielle Sanierung des Verbandes – ist damit erreicht.

Bundeskompetenzzentrum

Große Sorgen macht sich der DGB um die Finanzierung seines 2013 gegründeten Bundeskompetenzzentrums mit vier festen Mitarbeiten. Im März 2017 läuft die Förderung durch die „Aktion Mensch“ aus. Im Moment sucht der DGB nach einer neuen Finanzierungsmöglichkeit.

Jubiläum

Im kommenden Jahr feiert der DGB sein 90-jähriges Bestehen mit einem großen Fest in Berlin.


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