BR Fernsehen - Sehen statt Hören


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Bernd Schneider Vom Fernsehtechniker zum Präsidenten

Bernd Schneider – an diesem Mann kommt man in der Gehörlosen-Community nicht vorbei: Der gelernte Fernsehtechniker und Vierfach-Vater ist in verschiedenen ehrenamtlichen Funktionen im Hörgeschädigtenbereich immer auf Achse. Elf Jahre war er „Landesvater“ der Gehörlosen in Bayern – seine Amtszeit dauert noch eineinhalb Jahre - und nun ist Bernd Schneider als Nachfolger von Ulrich Hase als Präsident der Deutschen Gesellschaft der Hörgeschädigten gewählt. Eine Bilderbuchkarriere – die Sehen statt Hören schon seit Jahren begleitet.

Stand: 29.11.2023

"Ich bin sehr froh, dass er sich bereiterklärt hat, dieses Amt in der Deutschen Gesellschaft zu übernehmen, denn ich habe ihn kennengelernt als jemanden, der um Ausgleich bemüht ist. Er versucht nicht konfrontativ seine Meinung durchzusetzen, sondern wirkt mit seiner freundlichen Art ausgleichend, um die doch sehr verschiedenen Interessen wahrzunehmen. So jemanden braucht die Deutsche Gesellschaft." Der langjährige ehemalige Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft Ulrich Hase formuliert, was viele über Bernd Schneider denken. Er sei laut seiner Weggefährten zudem engagiert und technikaffin, zielstrebig – und damit erfolgreich.

Erster großer Erfolg

Schon vor über 15 Jahren war er in der Arbeitsgruppe "Untertitel" aktiv, damit das Fernsehprogramm auch für Gehörlose verständlich wird. Sieht man sich das Angebot heute an, bemerkt man, was seine Hartnäckigkeit gebracht hat. Denn in diesem Bereich sind die Veränderungen enorm: 2002 lagen die Untertitelungsquoten der öffentlich-rechtlichen Sender bei 3,7 Prozent. "Heute hat die ARD allein schon 98 Prozent, das ZDF über 90 Prozent und in den Dritten Programmen erreichen die Quoten fast die 90 Prozent. Das ist eine große Veränderung, wobei natürlich die Privaten Sender noch aufholen müssen", freut sich Bernd Schneider.

Großes technisches Interesse

Doch woher rührt dieses technische Interesse und Verständnis? Der Schlüssel dazu liegt bei Bernd Schneider weit in der Vergangenheit, besser gesagt vermutlich sogar in seiner Kindheit: Sein Vater hatte ein Elektrogeschäft – und so hat Bernd später eine Ausbildung zum Fernsehtechniker gemacht. Heute ist Technik immer noch sein Steckenpferd. Seit 2007 berät er beim Dolmetschdienst TeSS taube Kundinnen und Kunden im Support, wenn sie technische Schwierigkeiten haben. Zuvor hat er zehn Jahre im Team von Taubenschlag gearbeitet und auch dort technische Fragen geklärt.

Vom Ratschlag zur Liebe

Bernd Schneider mit seiner Frau Claudia

Genau dort hat er auch seine zweite Frau Claudia kennengelernt: Sie hatte vor 19 Jahren Fragen zu einem Festplattenrekorder für ihren Fernseher. Bernd Schneider wurde ihr über Taubenschlag als Experte empfohlen. So kam der Kontakt zustande. Schon lange sind die beiden ein Paar, obwohl Claudia vor dem ersten Treffen Bedenken hatte. "Bernd ist ja schwerhörig und ich hatte als Gehörlose am Anfang etwas Vorbehalte, weil ich noch nie vorher Kontakt mit Schwerhörigen hatte. Mir war etwas mulmig, denn ich habe erwartet, dass ich sprechen muss. Aber als er kam, hat er gleich angefangen zu gebärden und das fand ich sehr schön." Beide haben - mittlerweile erwachsene - Kinder aus vorausgegangenen Beziehungen.

Der Startschuss für sein Engagement

Eigentlich gaben indirekt die Kinder die Initialzündung für sein großes Engagement, genauer gesagt, der taube Sohn seiner Ex-Frau. "Ich habe mich im Elternbeirat der Gehörlosen-Schule engagiert und gemerkt, dass gebärdensprachliche Kommunikation dort nicht richtig funktioniert und dass er in der Schule nicht gut mitgekommen ist", erinnert er sich. Bernd Schneider hat schnell gemerkt, dass man politisch etwas bewegen und verändern kann, "wenn man die Dinge selbst angeht und nicht darauf wartet, dass jemand anderes etwas für einen tut."

"Ich würde sagen, dass er sehr engagiert und wissbegierig ist. Er will immer etwas Neues lernen und Neues entdecken. Er fährt immer überall hin und ist sehr interessiert. Und wenn er Entscheidungen trifft, trifft er sie nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen Ich bin froh, dass das heute viel besser ist."

Selina Schneider, Tochter

Erfolge in Bayern

Elf Jahre lang war Bernd Schneider Vorsitzender des Gehörlosenverbandes Bayern. In eineinhalb Jahren läuft seine Amtszeit aus, den Vorsitz der Deutschen Gesellschaft hat er aber bereits übernommen. Bernd Schneider kann auf eine erfolgreiche Zeit im Freistaat zurückblicken. "Ich bin sehr stolz, in den letzten zehn Jahren für Bayern drei EUTBs, also ergänzende unabhängige Teilhabeberatungen aufgebaut zu haben. […] Dann haben wir jährlich unsere Coda-Wochen für hörende Kinder tauber Eltern; und Austauschwochen für taube Jugendliche, alle zwei Jahre." Und es gibt Förderungen für ein Buch zur bayerischen Gehörlosengeschichte sowie eines zu Bayerischen Gebärdensprach-Dialekten durch Aktion Mensch. Bernd Schneiders „letzte Amtshandlung“ beim Gehörlosenverband Bayern ist nun das Gehörlosengeld. Das hat er durch seine Kontakte zu Politikern bereits in den Wahlprogrammen der Parteien platzieren können, "und jetzt hoffe ich natürlich, dass der Koalitionsvertrag bald umgesetzt wird."

Pläne für Deutschland

Über zu wenig Arbeit kann sich Bernd Schneider keinesfalls beklagen: Seine ehrenamtliche Tätigkeit lässt sich nach seiner Einschätzung mit einer Vollzeitstelle vergleichen. „Ich kann sehr schlecht "Nein" sagen und viele Projekte laufen nebenbei, die zusätzlich Zeit kosten.“ Und natürlich hat der aktive Mann bereits neue Ideen und Pläne für seine Zeit in der Deutschen Gesellschaft. Die größte Baustelle sieht er hier im Thema politische Teilhabe. "Wenn sich taube Menschen zum Beispiel in Parteien engagieren möchten, gibt es große Hürden bei der Inanspruchnahme von Gebärdensprach- oder Schriftdolmetschern", bemängelt Bernd Schneider. Vor allem die Bürokratie sei für viele kaum überwindbar. "Der Aufwand ist eindeutig zu hoch. Das muss zugänglicher gemacht werden."

Bernd Schneider ist für vier Jahre in das Amt als Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft gewählt worden. Sehen statt Hören wird seine Arbeit begleiten.


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