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Der mehr/wert-Check Homeoffice: Fluch oder Segen?

Arbeiten wo und wann man will - das klingt auf den ersten Blick verlockend. Doch die kritischen Stimmen zu Homeoffice und mobiler Arbeit werden lauter. Denn bislang bedeutet das Arbeiten von zu Hause für viele unbezahlte Mehrarbeit. Bislang bieten etwa 40 Prozent der Betriebe Homeoffice an.

Von: Katharina Kerzdörfer

Stand: 14.11.2016

Impressionen Home Office | Bild: BR

Familienfreundlichkeit

Sie gilt als eine der Hauptpunkte, weshalb Homeoffice von vielen als Segen gesehen wird: Die Familienfreundlichkeit.

Ob Kitazeiten einhalten oder morgens Zeit mit der Familie verbringen - Homeoffice bietet die Möglichkeit, Privatleben und Beruf besser unter einen Hut zu bringen.
Wie ist das Homeoffice in Sachen Familienfreundlichkeit aus wissenschaftlicher Sicht zu bewerten? Ist es ein Fortschritt, wenn es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht?
Stefanie Wolter vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung in Nürnberg, IAB, beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema.

"Wir sehen, dass die Vorteile ganz klar die Nachteile überwiegen. Die Beschäftigten sagen, sie können Fahrtzeit sparen durch das Homeoffice, sie können Privatsachen und Beruf besser vereinbaren. Und sie können sich bei manchen Tätigkeiten zu Hause besser konzentrieren."

Stefanie Wolter, Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung, Nürnberg

Stress

Homeoffice bedeutet derzeit in Deutschland noch großteils unbezahlte Überstunden. Nach Studien des IAB arbeiten 56 Prozent der Deutschen von zu Hause aus ausschließlich außerhalb der Arbeitszeit, also in ihrer Freizeit. 23 Prozent innerhalb der Arbeitszeit und 21 Prozent sowohl als auch. Sind Mitarbeiter, die zu Hause arbeiten, gestresster?
Dr. Verena Di Pasquale vom DGB Bayern fordert einen klaren Ordnungsrahmen, damit Homeoffice für Mitarbeiter nicht mehr Stress bedeutet

"Wir brauchen klare Rahmenbedingungen auch bei mobilem Arbeiten. Weil wenn der Druck durch ständige Erreichbarkeit und durch die Leistung, die trotzdem erbracht wird, dazu führt, dass Überstunden anfallen und die nicht abgegolten werden, dann ist es ein Moment, wo sich das auch auf die Gesundheit der Beschäftigten nachteilig auswirkt. Und das gilt es zu verhindern."

Dr. Verena Di Pasquale, DGB Bayern

Ökologie

Im Großraum München gibt es mehr als 400.000 Berufspendler. Die, die mit dem Auto fahren, belasten die Umwelt am meisten: Sie schleudern jährlich insgesamt 3,2 Millionen Tonnen CO2 in die Luft. Bei den öffentlichen Verkehrsmitteln sind es insgesamt 0,9 Millionen Tonnen CO2.
Arbeitnehmer, die von zu Hause aus arbeiten, haben eine noch bessere Ökobilanz. Homeoffice spart Zeit und Geld, denn man steht nicht im Stau und das alles kommt auch noch der Umwelt zugute.

Soziale Kontakte

Ein kurzes Gespräch mit den Arbeitskollegen, ein spontanes Meeting – all das wird mit Homeoffice schwieriger oder zumindest ist es mit mehr Organisationsaufwand verbunden. Leidet die Unternehmenskultur und der soziale Zusammenhalt in einer Firma, wenn Homeoffice angeboten wird?

"Die Beschäftigten, die kein Homeoffice machen, das ist ganz interessant, sagen, sie befürchten, dass der Kontakt zu Kollegen leidet, weswegen sie es bevorzugen, im Büro zu arbeiten."

Stefanie Wolter, Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung, Nürnberg

"Es wird zum Teil von den Beschäftigten selber die Erfahrung gemacht, dass die Arbeit zu Hause gar nicht so gut für die Leistung ist, die sie erbringen. Ihnen fehlt das betriebliche Geschäftsklima auf dem Arbeitsplatz und genauso wie auch der Austausch mit den Kollegen."

Dr. Verena Di Pasquale, DGB Bayern

Fazit

Homeoffice kann also derzeit beides, Fluch und Segen sein. Vorteile für Arbeitnehmer hat es nur dann, wenn das Arbeiten von zu Hause für Flexibilität steht und nicht für entgrenzte Arbeitszeiten.


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