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Weihnachtsbaum in der Hausapotheke Die Fichte hilft bei Erkältungen

Das Holz der Fichte ist ein beliebtes Baumaterial – und schmückt in der Weihnachtszeit unsere Wohnzimmer. Und: der Nadelbaum wird schon lange in der Volksmedizin genutzt. Kräuterexpertin Karin Greiner, Apothekerin Margit Schlenk und Waldpädagogin Claudia Müller checken die gesundheitlichen Wirkungen der Fichte in der Rubrik: natürlich! wirksam? getestet!

Von: Agnieszka Schneider

Stand: 20.11.2023

Die gemeine Fichte - Picea abies - zählt zur Familie der Kieferngewächse. Wegen ihrer rötlichen Borke wird sie auch Rottanne genannt. Der Baum umfasst heute etwa vierzig Arten. Die ursprüngliche Heimat der Fichte sind die europäischen Hochebenen und das Gebirge. Der Nadelbaum wird bis zu sechzig Meter hoch, blüht alle vier bis sieben Jahre von April bis Juni und kann sechshundert Jahre alt werden. Mit dem Merksatz: "Die Fichte sticht, die Tanne nicht" - kann man die Fichte von der Tanne gut unterscheiden.

Bereits im 12. Jahrhundert war die Fichte sehr angesehen. Hildegard von Bingen bezeichnet den Baum als "Sinnbild der Kraft und der Hoffnung". Der Gattungsname "Picea" bedeutet außerdem "pechhaltig" , mit dem gewonnenen Harz stellte hat man früher Salben her.

In der Naturheilkunde kommt heute vorrangig das Fichtennadelöl zum Einsatz. Es wird aus den Nadeln und Zweigspitzen durch Wasserdampf-Destillation gewonnen. Wer selbst Zweige zur Herstellung der eigenen Hausmittel ernten will, sollte ausschließlich die unteren Äste abschneiden, da der Baum diese mit der Zeit abwirft. Die oberen nutzt der Baum, um neue Energie zu tanken und zu wachsen. 

Anwendungsgebiete: Bei welchen Beschwerden hilft Fichte?

Fichte hat eine desinfizierende, entzündungshemmende und schleimlösende Wirkung. Deshalb wird sie vorwiegend bei Atemwegserkrankungen und Erkältungen in der kalten Jahreszeit angewendet. Fichten-Tee wird gerne bei Husten oder Bronchitis getrunken. Einen einfachen Tee bereitet sich Kräuterexpertin Karin Greiner zu. Dafür zerkleinert sie mit den Fingern die frisch gezupften Fichtennadeln in einen Topf, übergießt sie mit Wasser und lässt sie für etwa 20 bis 30 Minuten auf dem Herd köcheln. Da die Nadeln der Fichte robust sind, treten erst dann die gesunden Wirkstoffe aus.

"Berühmt ist die Fichte als Helfer bei Erkältungskrankheiten: von Husten über Schnupfen bis hin zu Stirnhöhlenproblemen. Gerade, wenn man erkältet ist, einen grippalen Infekt hat, alles ist kalt und man friert, dann hilft die Fichte richtig gut. So, dass man sich wohl fühlt und der Körper sich selber helfen kann. Man schmeckt die Fichte; man schmeckt etwas Harziges, etwas Würziges, aber auch etwas Grünes. Sehr angenehm."

Karin Greiner, Biologin und Kräuterexpertin, Kleinberghofen

Die ätherischen Öle der Fichte eignen sich besonders gut zum Inhalieren, auch als Cremes oder Salben aus der Apotheke. Ein Badezusatz lässt sich aus grobem Salz, frisch abgezupften Nadelzweigen und ein paar wenigen Tropfen Fichtennadelöl herstellen. In der Apotheke gibt es Fichtennadelölpräparate, wie Ölbäder mit Fichtennadeln. Einige Tropfen des reinen Öls können auch in einen Inhalator gegeben werden. Inhalationsgeräte mit Plastikschläuchen eignen sich aber nicht für ätherische Öle, da diese fett- und plastikliebend sind. Das heißt: Die Öle machen das Plastik porös. Die Apotheker helfen bei der Auswahl eines passenden Inhalationsgerätes.

Ein besonders wirkungsvoller Auszug aus der Fichte kann im Mai hergestellt werden. Die leuchtenden, frischen Fichtenspitzen werden Maiwipferl genannt und enthalten unter anderem viel Vitamin C. Daraus entsteht ein Sirup , der sich besonders bei Hustenreiz bewährt hat.

Aromatherapie und Waldbaden

Fichtennadelöle gibt es auch in der Aromatherapie. Sie haben eine beruhigende und entspannende Wirkung. Achtsamkeitstrainerin, Waldpädagogin und Bloggerin Claudia Müller bietet in diesem Zusammenhang Waldbaden-Seminare an.

"Waldbaden bedeutet: Baden in der Waldluft. Also mit allen Sinnen in die Atmosphäre des Waldes eintauchen. Das bewusste Riechen, Hören, Fühlen und Schmecken. Das alles bewusst zu erleben."

Claudia Müller, Waldpädagogin, Hohenkammer

Claudia Müller zeigt Interessierten, wie sie die Düfte und die Stimmung des Waldes auf sich wirken lassen. Mit geschlossenen Augen lässt sie ihre Seminar-Teilnehmenden an den Fichtennadeln, Zapfen und dem Harz des Nadelbaumes riechen. Die Übungen sollen die Sinne anregen und entspannende Erinnerungen zurückholen.

Schon öfter beim Waldbaden war die 52-jährige Nicole Veeh. Sie ist selbständig, hat viel zu tun, kann schlecht abschalten und schläft schlecht. Das Waldbaden mit dem intensiven Fichtenduft hilft ihr dabei, den Stress des Alltags zu vergessen und schenkt ihr frische Energie.   

"Wenn ich als Kind erkältet war, hat mir meine Mutter ein Erkältungsbad gemacht. Daran erinnert mich das. Es riecht wie ein Saunaaufguss. Beim Waldbaden erhole ich mich, ich rieche intensiv, werde langsamer - und das tut unheimlich gut."

Nicole Veeh, Waldbaderin

In den Kursen zeigt Claudia Müller, wie sich die Fichte von anderen Nadelbäumen unterscheidet. Das ganzheitliche Naturerlebnis mit den Düften der Fichte hilft den Kursteilnehmenden neue Kräfte zu tanken, die Gedanken zu ordnen und die Akkus aufzuladen.

Schon das "Handbuch der gesamten Arzneimittellehre" aus dem Jahre 1883 weist auf eine Vielzahl medizinischer Anwendungen auf Basis der heimischen Nadelbäume hin. Von Ende des 19. Jahrhunderts an bis heute sind in Kurhäusern Fichtennadelbäder bekannt. Auch als Saunaaufguss ist der Nadelbaum besonders beliebt, lässt einen wieder richtig durchatmen und öffnet die Bronchien. Räuchern mit Fichte hat eine raumreinigende, raumdesinfizierende Wirkung.

Die Inhaltsstoffe: Was macht die Fichte so wirksam?

Die Fichte ist reich an Flavonoiden und Vitaminen. Der wichtigste Bestandteil ist aber das ätherische Öl mit den Monoterpenen: Bornylacetat, Pinen, Phellandren und Camphen. Auf diese gesunden Stoffe setzt Apothekerin Margit Schlenk. Sie ist Expertin für Naturheilverfahren und Dozentin in der Phythotherapie. Fichtennadelöl verwendet sie bei Einreibungen.

"Terpene sind kleine Moleküle, die ganz rasch in die Haut gehen. Oder aber auch an die fünf Quadratzentimeter der Riechepithel am Nasendach. Und dann ganz schnell im Gehirn wirken. Alle ätherischen Öle docken an der glatten Muskulatur an und wirken über einen kalziumantagonistischen Mechanismus sofort krampflösend, spasmolytisch. Wie viele ätherische Öle ist auch das Fichtennadelöl antibakteriell, antiviral und pilzhemmend. Es wirkt per se entzündungshemmend, aber auch durchblutungsfördernd und schmerzstillend. Das ist wirksam bei Muskel- und Gelenkschmerzen."

Margit Schlenk, Apothekerin für Naturheilverfahren, Dozentin Phytotherapie, Nürnberg

Für diese Beschwerden kann auch Salben oder Cremes mit ätherischen Ölen nutzen. Einreibungen mit dem Fichtennadelöl empfiehlt auch die Deutsche Arthrose Stiftung. In der Apotheke gibt es Franzbranntwein mit Fichte, der bei rheumatischen Erkrankungen angewendet wird.

Der Forschungsstand: Gibt es wissenschaftliche Studien zur Fichte?

Die Fichte ist in der Volksheilkunde schon lange als Heilmittel bekannt. Die Kommission E, eine wissenschaftlichen Sachverständigenkommission für pflanzliche Arzneimittel, hat die Verwendung der Fichte bei katarrhalischen Erkrankungen der Atemwege sowie die äußerliche Anwendung bei rheumatischen Beschwerden und bei leichten Muskel- und Nervenschmerzen empfohlen. Die Kommission E hat sowohl frische Fichtenspitzen als auch das Fichtennadelöl bewertet und dazu zwei Monographien herausgegeben.

"Bei Erkältungen regt das Fichtennadelöl die Flimmerhaare der Atemwegsschleimhaut an. Sie bugsieren Viren, Bakterien, Auflagerungen aus dem Körper hinaus. Das nennt man Sekretolyse und sekretomotorische Wirkung - eine Schleimlösung und eine Anregung der Selbstheilungsmechanismen. Dies ist an Studienmodellen abgeklärt und nachgewiesen."

Margit Schlenk, Apothekerin für Naturheilverfahren, Dozentin Phytotherapie, Nürnberg

Fichte gegen Schmerzen und Angstsymptome

In Österreich arbeiten einige Arbeitsgruppen an der positiven Auswirkung der Fichtenöle auf Muskel- und Gelenkschmerzen. Der Balsam der Fichte wird außerdem als Mittel zur Wundheilung eingesetzt. Diese Verwendung ist bekannt in der österreichischen Volksmedizin, aber auch in einigen anderen Regionen Mitteleuropas sowie im skandinavischen Raum. Der Fichtenbalsam und die Fichtenbalsamsalbe sind in das Österreichische Arzneibuch aufgenommen. Studien zur Wirksamkeit dieses Medizinprodukts, das Harze und ätherische Öle des Baumes enthält, zeigen gute Ergebnisse bei der Behandlung von Dekubitus (Abdrücke auf Körperstellen) und schlecht heilenden Wunden nach Operationen.

Außerdem wurde in einer aktuellen Studie der Einfluss des Fichtenduftes, insbesondere der darin enthaltenen Monoterpene, auf Angstsymptome getestet. Dabei wurden 505 Probanden bei 39 Waldspaziertherapien an verschiedenen Standorten in Italien erfasst. Die Konzentration der Monoterpene wurde zuvor in der Luft vermessen.

"Die Donelli-Studie aus dem Jahr 2023 hat gezeigt, dass ätherisches Fichtennadelöl im Gehirn entspannende Effekte hervorruft. Dass die Gehirnwellen sich ausnivellieren, wir eine Entspannung haben, also im Elektroenzephalogramm (EEG) die Wellen sich beruhigen - und quasi Waldbaden simuliert wird durch das Einatmen von Fichtennadelöl."

Margit Schlenk, Apothekerin für Naturheilverfahren, Dozentin Phytotherapie, Nürnberg

Die Risiken: Gibt es unerwünschte Nebenwirkungen?

Einige Personengruppen sollten bei den Fichtennadelölen vorsichtig sein. Die Dosierung der ätherischen Öle in den Nadeln ist völlig ungefährlich. Doch die ätherischen Öle, die man als Fertigprodukt kauft, sind hochkonzentriert. Diese können bei Überdosierung schädlich werden. Vor allem bei Kindern unter Schulalter sind sie nicht zu empfehlen, da sie einen Stimmritzenkrampf erzeugen könnten.

"In der Überdosierung kann es leicht zu Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel kommen. Für kleine Kinder ist es überhaupt nicht geeignet."

Karin Greiner, Biologin und Kräuterexpertin, Kleinberghofen

"Bitte keine Fichtennadelölzubereitungen auf die Haut bei Neurodermitis oder Psoriasis, wo wir Entzündungsherde haben - oder bei Wunden und einem Sonnenbrand."

Margit Schlenk, Apothekerin für Naturheilverfahren, Dozentin Phytotherapie, Nürnberg

Das Fazit: Wie schneidet das Hausmittel ab?

Fichte ist einfach anwendbar: äußerlich wie innerlich. Die intensiven ätherischen Öle sind der Hauptwirkstoff. Es gibt Untersuchungen zu Bronchitis, Wundheilung und gegen Stress, aber größere Studien fehlen. Vorsichtig sollten vor allem Allergiker sein, denn Fichtennadelöle können auf die Haut reizend wirken.

Die Fichte gehört also nicht nur in der Erkältungszeit in jede Hausapotheke. Sie ist das ganze Jahr über verfügbar.

Weiterführende Studien


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