BR Fernsehen - Dokumentarfilm


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Dokumentarfilm Bolshoi Babylon

Die 3.000 Mitarbeiter des Bolshoi, der berühmtesten Ballettkompanie der Welt, repräsentieren die russische Gesellschaft. In "Bolshoi Babylon" sprechen Künstler und Mitglieder der Kompanie offen über den "Staat im Staat" und die Welt jenseits der Bühne.

Stand: 07.01.2018

Filmszene aus "Bolshoi Babylon" | Bild: BR/Red Zed Films/Nick Read

2013 geschieht am legendären Moskauer Bolschoi-Theater ein unfassbarer Anschlag: Sergej Filin, der künstlerische Leiter des Balletts, wird mit schweren Verätzungen im Gesicht ins Krankenhaus gebracht; ein maskierter Mann hat ihn mit Säure angegriffen. Die Suche nach dem Täter führt ins eigene Ensemble: Der Auftraggeber des Angriffs war offenbar ein Solo-Tänzer des Bolschoi-Theaters. Das bestätigt, was lange schon gemunkelt wurde: Hinter den Kulissen des prestigeträchtigen Hauses brodeln Intrigen und Konflikte.

Filminfo

Originaltitel: Bolshoi Babylon (GB, 2015)
Regie: Nick Read, Mark Franchetti
Länge: 82 Minuten
16:9, Stereo, VT-UT

Der Dokumentarfilmer Nick Read trifft ein Jahr nach dem Attentat Mitglieder der Ballettkompanie, der technischen Crew und der Leitung. Der Vorfall hat das Ensemble, in dem es wegen des erbitterten Konkurrenzkampfs ohnehin kaum Freundschaften gibt, gespalten in die, die den Tänzer anklagen, und die, die an seine Unschuld glauben.

Und auch die Politik hat sich in den Konflikt eingeschaltet: Um die Ordnung am Bolschoi, dem renommiertesten Theater des Landes und dem Inbegriff russischer Kultur, wiederherzustellen, hat der Kreml einen neuen Intendanten installiert, der mit eiserner Hand regieren soll – und dieser neue Intendant ist ein Erzfeind des rekonvaleszenten Ballettchefs Sergej Filin. Nick Read und Mark Franchetti tauchen in die in jeder Hinsicht gnadenlose Welt des Profi-Balletts ein.

Tänzerin Oksana Yushko.

„Es gibt nicht viele Marken, die Russland repräsentieren. Die eine ist das Bolschoi-Theater. Die andere ist die Kalaschnikow. Die Kalaschnikow scheint ein auslaufendes Modell zu sein. Das Bolschoi-Theater bleibt“, erklärt ein Protagonist zu Beginn von „Bolshoi Babylon“ und der ehemalige russische Ministerpräsident Medwedjew ergänzt: „Das Bolschoi-Theater ist das Wahrzeichen unseres Landes (...) unsere Geheimwaffe, die wir in die unterschiedlichsten Länder der Welt entsenden, und wir werden sie weiter nutzen, um unsere Ziele zu erreichen.“ Unmissverständlich wird klar, dass das Bolschoi eben nicht einfach irgendein Theater ist, sondern eng verwoben ist mit der Identität der ganzen Föderation.

Dem Dokumentarfilmregisseur Nick Read und seinem Co-Regisseur Mark Franchetti gelang es als erstes Filmteam in der Geschichte des Theaters, einen wirklich intimen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Trotz der virtuosen Analyse der Verknüpfungen von Politik und Kultur und des Zusammenhangs zwischen Intrigen hinter und Erfolg auf der Bühne entzaubern die Filmemacher den Mythos Theater nicht: In opulenten, glamourösen Bildern frönen sie der Faszination und Schönheit des Phänomens Ballett.

Die BR-Koproduktion „Bolshoi Babylon“ hatte seine Weltpremiere beim Toronto International Film Festival 2015.


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