BR Fernsehen - Bergauf-Bergab


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Klettern im Altmühltal Glatter Fels, klassische Absicherung, spezieller Kletterstil

Vor allem in den Achtzigerjahren war die Weltelite des Sportkletterns im unteren Altmühltal zu Gast. An den extrem glatten Wänden des Tals fanden die Pioniere dieses damals noch jungen Sports immer schwerere Kletterrouten. Wenige Jahre zuvor galt deren Begehung noch als unmöglich. Routen wie "The Face" von Jerry Moffat oder Sepp Gschwendtners "Münchner Dach" zeugen bis heute von den einstigen Bestrebungen, die Schwierigkeits-Skala bis in den zehnten Grad hinein zu erweitern.

Von: Kilian Neuwert

Stand: 28.09.2018 | Archiv

Verglichen mit damals ist Ruhe eingekehrt an den Felsen. Das einstige Ziel internationaler Spitzenkletterer ist ein wenig in Vergessenheit geraten. Es ist eher zum regionalen Ziel geworden. Kilian Neuwert hat der Geschichte des Tales für Bergauf Bergab nachgespürt und hat die prägenden Köpfe der Szene von einst und jetzt getroffen.

Es ist eine Rückkehr an die alte Wirkungsstätte. Hier in Niederbayern – zwischen Kelheim und Riedenburg – hat Gschwendtner Klettergeschichte geschrieben. Vor allem in den Achtziger- und frühen Neunzigerjahren war das untere Altmühltal ein Ziel internationaler Spitzenkletterer: "Es war ja so eine Szene da. Du hast gewusst, heute triffst du den und den. Und du hattest deine Ziele", sagt Gschwendtner. "Heute schaue ich, dass ich soundso viele Achter mache oder ich schaue, dass ich eine schwere Tour mache. Oder ich mache eine Erstbegehung. Das war sicherlich fast die schönste Zeit in meinem Leben, weil ich auch recht fit war."

Kletterszene hat sich verändert

Heute kommt der 74-Jährige nur mehr als Gleitschirmpilot in die Nähe der Felsen. Seine Interessen haben sich verändert – genau wie die Kletterszene im Tal. Denn junge Kletterer zieht es eher in andere Regionen, beobachtet Gschwendtner bei seinen Besuchen. "Leider ist es inzwischen sehr ruhig geworden. Es ist eine Art von Klettern, die bei den Jetzigen vielleicht nicht mehr so ganz beliebt ist. Die sind heute körperlich deutlich durchtrainierter. Aber die Kraft kommt halt sehr stark vom Hallentraining. Und das Altmühltalklettern – das ist alles mehr so Fußtechnik."

Glatter Fels - klassische Absicherung

Der Grund: Die Felsen hier sind extrem glatt – zumindest dort, wo sie nicht von Rissen oder Verschneidungen durchzogen werden. Noch dazu gilt die Absicherung als klassisch – Bohrhaken im Meterabstand? Fehlanzeige. Ein Sturz kann in mancher Route gefährlich werden. Mehrere große Massive liegen südlich oder nördlich des Main-Donau-Kanals an den teils steilen Hängen des Tals. Der Kanal prägt seit seiner umstrittenen Errichtung das Landschaftsbild der Gegend. Die Felsen mit ihren bis zu siebzig Metern Wandhöhe stehen teils frei, teils liegen sie versteckt im Wald.

Bis in die Siebzigerjahre wurde hier meist technisch geklettert – doch wenig später rückte das Tal in den Fokus der damals noch jungen Sportkletterbewegung. Ohne an Haken zu rasten, oder sie zur Hilfe zu nehmen, rangen Sepp Gschwendtner und andere den Felsen sturzfreie Begehungen von schwersten Routen ab bis in den zehnten Grad hinein ab.

Spezieller Kletterstil gefordert

Die Kletterei im Tal gilt vielen bis heute als speziell: "Hier muss man ein relativ vollkommener Kletterer sein. Man muss gut stehen können, gutes Bewegungsgefühl. Viel Fingerkraft. Viel Spannung", erklärt Jonas Häring. Der 22-Jährige hat Linien im zehnten Schwierigkeitsgrad erstbegangen, die noch übrig waren im Tal. Darunter ein altes Projekt, dass Sportkletterlegende Wolfgang Güllich unvollendet ließ. "Ich bin inzwischen relativ gut in dem Kletterstil, der hier so gefordert wird von einem. Aber das hat einfach Jahre gedauert, bis ich gelernt habe, wie man die Griffe belasten muss."

Jonas ist weiter auf der Suche nach Neuland. Doch anders als viele Generationen vor ihm, gelten heute strenge Regeln im unteren Altmühltal und im benachbarten Donaudurchbruch. Viele der Felsen liegen in Naturschutzgebieten. Teils sind sie monatelang gesperrt, um Vögeln Nistplätze zu bieten. Ein Konzept regelt seit mehreren Jahren, wo geklettert werden darf und wo nicht mehr – wie der Sport in einem hochsensiblen Naturraum verträglich ausgeübt werden kann. Kletterer und Naturschützer haben sich darauf geeinigt. Die Zusammenarbeit beschreiben beide Seiten als gut. Heute hat jeder seinen Platz im Tal – die meisten Routen von Kletterpionieren wie Gschwendnter sind für die Jungen erhalten. Doch als Held will der Altmeister heute nicht gelten: "Ich muss da einen österreichischen Fußballer zitieren: Ich will kein Denkmal. Da scheißen nur die Tauben drauf. So geht es mir auch. Da lege ich keinen besonderen Wert drauf."


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