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"Das absolute Diesseits" Regisseur Max Färberböck über Bayern

Regisseur Max Färberböck erinnert sich an seine oberbayerische Kindheit und seine überraschenden Begegnungen mit Niederbayern und seinen Besonderheiten.

Von: Max Färberböck

Stand: 13.06.2012 | Archiv

Max Färberböck  | Bild: BR/Regina Recht

"Die Gamserl schwarz und braun, de san so liab zum schaugn, doch wennst as fanga wuisst, dann muast de aufe draun." Diese Strophe aus einem Lied, das wir, je nach Laune des Lehrers einzeln oder als Klasse singen mussten, ist das erste, was mir einfällt, wenn ich an eine, an meine bayrische Kindheit denke.

Im Heimatkrimi "Sau Nummer vier" verfolgen die Dorfbewohner und die Polizei von Niedernussdorf Rauhhaardackel Seppl.

Dann prasseln alle Klischees des Landlebens auf einmal nieder: die Steinschleuder, aufgeschlagene Knie, gerissene Fahrradketten, ewig Hunger, immer Durst, der strenge Pfarrer, cholerische Bauern, das Sonntagssaufen, alte Männer im Straßengraben und natürlich pralle Dirndl und das kräftige, robuste Lachen bayrischer Frauen, die auch gern mal ihren braven Mann gegen einen echten "Hund" eintauschen. Denn das muss der oberbayrische Mann schon sein, ein Pfundskerl, ein Viech, ein über ganz Deutschland hinweg dröhnender Überkerl. Wo sonst wäre F.J. Strauß soviel Liebe geschenkt worden, wenn nicht da, wo man in jedem Mann den echten Hund verehrt.

Diese Frage beschäftigt Polizeiobermeisterin Gisela Wegmeyer: Welchem Mann fehlt ein Finger?

In dieser Matriarchats- und Patriarchats- und liebschaftsberstenden Welt, voll geranienschwerer Balkone, sündteurer Bauernhöfe und extrem hoher Skiliftpreise wächst man, staunend und von vielen Ohrfeigen begleitet, gut heran. Und wird auf Lebenszeit ein mit Stolz versorgter, in teurer Tracht gekleideter, Witze und gute Laune hin- und herschwingender Ober- sprich: Überbayer. Niederbayern ist da, mit Verlaub, echt weit weg.

Ich war schon beinah zwanzig, als ich das erste Mal "da nunter" fahren musste und mit großer Verwunderung sah, wie beeindruckend diese Landschaft und sogar die Höfe waren. Riesenhöfe, in ihrer Schlichtheit manchmal sogar besser als die unseren... echt was Neues.

Was soll im Scheiterhaufen im Wald verbrannt werden?

Da ist dieses Niederbayern, obwohl beinahe berglos, wirklich schön. Und keiner erzählt einem das. Ich stand an meinen VW gelehnt, schaute in die unendlich weit und weich geschwungene Landschaft und kratzte mich am Kopf: "Die Hügel schaun ja aus wie liegende Frauen", dachte ich. "Ja echt, nicht schlecht." So ungefähr war das.

Und jetzt, viele Jahre später, haben wir uns wie die Zwerge in Gullivers Reisen auf diesen riesigen feinlinigen Hügeln hin- und herbewegt und dauernd "Klappe!" und "Aus!" gerufen. Die Bauern, keine Über-, sondern eben Niederbayern, sahen uns relativ unbewegt zu. Es werden viele Filme hier gedreht. Niederbayernsets sind ziemlich dran, aber das beeindruckt hier keinen. Zu lange waren die Menschen hier unverwöhnt, und das wird, was die wirtschaftliche Situation sehr, sehr vieler Höfe angeht, wohl auch so bleiben.

Gisela Wegmeyer (Johanna Bittenbinder) auf Spurensuche im Schweinestall

Europa hat seine kalte, bürokratische Hand auf die Region gelegt und an der Zukunft dieser arbeitsamen Menschen gerüttelt. Keine blumigen Balkons, kein internationaler Massentourismus, keine oberbayrische One-Man-Show in Supertracht. Alles cool. Die Witze hintersinnig und schief wie bei den Friesen. Wenn einen das Leben nicht wie in Oberbayern mit exorbitanten Grundstücks- und Immobilienpreisen von einem Zwangsvergnügen zum anderen treibt, nimmt man sich eben Zeit. Für einen Blick, ein paar trockene Sätze, für das absolute Diesseits.

Eigentlich sollt' ich über Sau Nummer 4, also über Film und Schweine schreiben. Nun sind mir der Niederbayer an sich und der Oberbayer außer sich dazwischen gekommen. Der letzte trachtelt ohne Ende, der andere sieht eher zu. Von vielen Problemen bedroht, aber ziemlich unaufgeregt, dad i amoi sagn.


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