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"Lächel doch mal" Warum Frauen immer das Gefühl haben, nett sein zu müssen

Ein Fremder auf der Straße sagt: "Lächel‘ doch mal!" Angesprochen werden so allerdings fast nur Frauen. Gleichberechtigung ist nämlich noch nicht im Gesicht angekommen. Ein Interview mit der Lächel-Forscherin Marianne La France.

Von: Ann-Kathrin Wetter

Stand: 30.01.2017 | Archiv

Ariane macht eine Lächel-Grimasse | Bild: BR

PULS: Lächeln Frauen anders als Männer?

Marianne La France: Wir wissen, dass Frauen grundsätzlich sehr anders kommunizieren als Männer. Frauen sind freundlicher, extrovertierter, empathischer und gehen mehr auf ihr Gegenüber ein. Für Männer gilt, dass Emotionen kontrolliert und im Zaum gehalten werden müssen. Das Lächeln ist einer der wesentlichen Unterschiede im Kommunizieren. Das fängt schon bei Kindern an: Mädchen lächeln mehr als Jungen. Frauen lächeln dann mehr als Männer – und das nicht nur, wenn sie bei Leuten sind, die sie kennen und mögen. Auch bei Anspannung oder in unangenehmen Situationen lächeln Frauen. Allerdings nicht, um ihre Gefühle auszudrücken, sondern um zu entspannen.

Und dass Frauen mehr lächeln liegt nicht vielleicht daran, dass sie einfach glücklicher sind?

Absolut nicht, im Gegenteil. Die Daten zum Thema Depression zeigen sogar eher, dass Frauen unglücklicher sind als Männer. Sie sind häufiger klinisch depressiv als Männer.

Viele Frauen lächeln einfach gerne, ist das nicht okay?

Doch klar! Das Problem ist ja nur: Lächeln passiert oft so automatisch, dass es gar keine Gefühle mehr ausdrückt, sondern nur noch für andere gemacht wird. Das kann dazu führen, dass man nicht mehr ernst genommen wird. Wenn Frauen immer lächeln, dann ruft das beim Gegenüber das Gefühl hervor, dass sie angenehm und fröhlich sind, aber nicht unbedingt auch kompetent.

Wenn fremde Männer Frauen auffordern zu lächeln, kann das sehr fordernd und aggressiv wirken. Sie haben das mal als Belästigung definiert.

Die Wissenschaftlerin Marianne La France | Bild: Marianne La France

Jedes Mal, wenn ein Fremder uns sagt, was wir mit unserem Körper machen sollen, dann ist das übergriffig. Manchmal frage ich meine Studenten in der Vorlesung: "Ist euch das schon mal passiert?" Dann sagen immer fast alle Frauen ja, und die Männer sagen nein. Tatsächlich finden die meisten Männer das einfach nur bizarr und völlig unverständlich. Es ist eine milde Form von Belästigung, aber es ist Belästigung. Es passiert ziemlich häufig, also glauben Männer ganz offensichtlich, dass es okay ist, eine Fremde zum Lächeln aufzufordern. Das Problem: Frauen lächeln einfach öfter, und wenn sie es nicht tun, irritiert das.

Manchmal machen Sie mit Ihren Studenten ein Experiment...

Ja. Dann sage ich den Frauen, dass sie einen Tag lang nicht lächeln sollen. Nicht fies sein oder feindselig. Einfach nicht lächeln. Und zu den Männern sage ich: Vom Aufstehen bis zum Schlafengehen will ich, dass ihr immer lächelt. Nicht albern grinsen, einfach lächeln. Wenn euch jemand entgegen kommt, lächeln. Wenn ihr ein Bier trinken seid, lächelt. Es ist egal, wo ihr seid, ich will, dass ihr lächelt.

Und was kam raus?

Beide Geschlechter fanden es sehr schwierig. Die Frauen hatten das Gefühl, dass sie unfreundlich oder wütend rüberkommen. Die Männer hatten das Gefühl, dass andere denken, dass bei ihnen was nicht ganz stimmt. Sie wollten das nicht machen. Sie haben sich unmännlich gefühlt. Genau das passiert jedes Mal, wenn ich dieses Experiment mit meinen Studenten mache.


Würden Sie sagen, wir Frauen müssen unser Lächeln bewusster dosieren?

Schwierig, das Lächeln läuft ja oft unbewusst ab – aber ab und zu ist das auf jeden Fall eine gute Übung. Ich sage nicht, dass Menschen immer nachdenken sollen, bevor sie lächeln. Dann wäre die Welt ein ganz schön komischer Ort. Aber wir sollten uns wieder bewusst machen, dass wir oft automatisch lächeln und gar nicht mehr, weil es irgendwas mit unseren Gefühlen zu tun hat.

Aber unsere Welt kann manchmal so hart sein. Wenn wir jetzt noch aufhören unsere Mitmenschen anzulächeln, dann wird sie ja noch härter!

Ich habe mich das immer gefragt: Wäre die Welt eine bessere, wenn wir mehr lächeln würden? Wahrscheinlich schon. Das würde ja zeigen, dass die Menschen glücklicher sind. Aber oft zeigt ein Lächeln gar nicht, dass der Mensch dahinter glücklich ist. Manchmal schon – aber oft nicht.

Wie kann sich denn die Gesellschaft verändern, sodass Frauen nicht mehr die ganze Zeit das Gefühl haben müssen, sich hinter einem Lächeln verstecken zu müssen?

Frauen haben oft das Gefühl, nett sein zu müssen. Der Druck angenehm sein zu müssen, kann manchmal sehr erdrückend sein. Wenn das verschwinden würde, dann würde man sagen, Frauen können sind etwas wert auch wenn sie nicht immer nett, empathisch und sympathisch sind – sondern auch schlau, selbstbewusst und fähig. Wenn wir Frauen als vollwertigen Menschen anerkennen, der viele Dinge kann und nicht nur gefühlig ist, dann ist der Druck weg. Aber bis dahin ist es noch lange hin.