Interview mit dem Erfinder des "Tschutti Heftli" Dieses Sammelalbum ist die schönere Alternative zu Panini

Mit dem Tschutti Heftli will der Schweizer Silvan Glanzmann eine schönere Alternative zu Paninialben bieten. Im Interview spricht er über Fußball, Kunst und diebische Nationalspieler.

Von: Kevin Ebert und Alexander Mittermiller

Stand: 06.06.2018 | Archiv

Tschutti Heftli | Bild: Tschutti Heftli

WM-Zeit heißt für viele: Panini-Zeit. Dann bricht in Deutschland wieder das generationsübergreifende Stickerfieber aus. Das Ziel ist ein ganzes Album voller Fußballergesichter - mal grinsend, mal ernst blickend … dann wieder grinsend. Sind wir ehrlich: Wirklich abwechslungsreich ist das nicht und auch die Ästhetik hält sich in Grenzen.

Tatsächlich kann man Fußballerporträts aber auch anders sammeln – und zwar auf eine sehr künstlerische Art und Weise. Tschutti Heftli heißt die Panini-Alternative und kommt aus der Schweiz. Das Besondere daran: Die Bilder sind Illustrationen, mal bunt, mal schwarz weiß – mal Fotorealismus, mal Kubismus. Jedes Team wird von einem anderen Künstler gestaltet.

Im Interview sprechen wir mit Tschutti Heftli Gründer Silvan Glanzmann über seine Lieblingsmannschaft im Heft, die Message hinter dem Projekt und Spieler, die ihre Tschutti-Porträts so geil finden, dass sie die Bildchen sogar stehlen.

Silvan, es gibt sehr viele verschiedene Mannschaften in eurem Tschutti Heftli. Welche Mannschaft ist denn deiner Meinung nach die besonderste in diesem Jahr?

Das ist ein bisschen wie bei der WM: Man kann das im Vorhinein schwer sagen wer der Beste ist. Mir gefällt die ganze Vielfalt. Aber natürlich gibt es Mannschaften, die einem besonders ins Auge stechen. Zum Beispiel die Spanier, deren Bilder vom Stil Dürers geprägt sind und wo auch viele Hinweise auf den Background der Spieler eingebaut sind. Dann aber vielleicht auch die Peruaner, die in einem pixelartigem Stil gemalt sind. Ich glaube jeder Künstler hat sich da etwas ganz Besonderes überlegt und man muss das alles erstmal entdecken.

Bei den Spaniern spielt also auch der Background der Spieler eine Rolle. Zieht sich das durchs Heft, dass die Illustratoren sich auf die Realität beziehen und Anspielungen auf das Team machen?

Auf jeden Fall. Wir versuchen auch immer, die Mannschaften so zu verteilen, dass die Illustratoren eine Mannschaft bekommen, zu denen sie möglichst einen Bezug haben. Der Künstler für die peruanische Mannschaft ist zum Beispiel mit einer Peruanerin verheiratet. Deswegen kennt er das Team sehr gut und hat dementsprechend viel Backgroundwissen über die Spieler. Ich glaube, das ist der Unterschied zu einer Fotografie: Man kann durch Zeichnen noch viele Sachen einbauen, die eben eine Story zu jedem Team ergeben.

Man könnte euch als ein Fußball-Kunst-Kulturprojekt gegen den Fußballkommerz bezeichnen. Auf der anderen Seite stehen die definitiv kommerz-orientierten Panini Hefte. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, denen Konkurrenz zu machen und ein eigenes Sammelalbum rauszubringen?

Als Kinder haben wir natürlich auch Panini gesammelt. Das gehört irgendwie dazu bei so einem Turnier. Wenn du aber als Erwachsener unter grafischen Aspekten diese Bilder anschaust, dann ist das stilistisch  ein bisschen eintönig. Wir haben uns gedacht, das könnte jemand schöner machen. Wir sehen uns also nicht als Konkurrent zu Panini, sondern eher als Ergänzung, auch um zu zeigen, dass man das auch anders machen kann. Die Sammelbilderidee ist sicher inspiriert von Panini. Mit der Idee, dass wir was Kulturelles zur Europameisterschaft in der Schweiz machen wollten, hat sich das dann so zusammengefügt. Dann haben wir befreundete Grafiker und Künstler gefragt, ob sie Lust haben, eine Mannschaft zu zeichnen.

Wie hat sich das Projekt dann entwickelt?

Das Ganze ist extrem groß geworden und mit so einer Resonanz hätten wir nie gerechnet. Wir sind oft knapp davor, dass es uns über den Kopf wächst. Allerdings werden auch jedes Jahr Abläufe vereinfacht und Vertriebskanäle eröffnet, die uns dann wieder entlasten. Gleichzeitig wollen wir aber diese Ur-Idee, also das Künstlerische und nicht Profitorientierte schon behalten. Das ist bei so einem Wachstum schon ein bisschen schwierig. Wir haben das Glück, dass wir bis jetzt immer tolle Partner gefunden haben, die diese Idee auch so weitervertreten. In Österreich vertreiben wir zum Beispiel durch eine Sozialfirma, die damit gleichzeitig Erwerbslosen über 50 hilft wieder in den Arbeitsmarkt zu kommen. Außerdem gibt mehr Wachstum auch den Künstlern und der Idee eine größere Plattform. Grundsätzlich ist das also nicht schlecht.

Steckt hinter diesem bunt zusammengewürfelten Potpourri an Illustrationen eigentlich noch mehr?  Habt ihr eine Message, die ihr ausstrahlen wollt?

Ja, und zwar die Philosophie, aus der dieses Projekt hervorgegangen ist. Wir hatten bei der EM 2008 in der Schweiz das Gefühl, dass es nur darum geht, welches Maskottchen-Tier man wo verkaufen und welches Sponsorenshirt man mit ins Stadion nehmen darf. Das hat uns extrem gestört, weil für uns Fußball Kultur und auch Kunst ist: Wenn man die Choreografien der Fans in der Kurve anschaut, ist da die Kunst gar nicht mehr so weit weg vom Fußball. Als Leute, die selbst in der Kurve stehen, aber auch auf Ausstellungen unterwegs sind, wollten wir ein Statement setzten. Auch wenn es ein Tropfen auf den heißen Stein dieser Geldmaschinerie ist, machen wir dieses Projekt aus Leidenschaft. Wenn wir nicht drauflegen müssen, sind wir glücklich. Wir brauchen nicht wahnsinnig Gewinn zu machen.

Ihr seid also nicht profitorientiert?

Nein, wir spenden ja zum Beispiel auch an terre des hommes Schweiz und unseren deutschen Partner Viva Con Aqua. Damit wollen wir zeigen, dass Fußball auch etwas Positives leisten kann. Terre des hommes macht zum Beispiel viele Projekte, die mit Fußball zusammenhängen und Jugendlichen helfen, die auf der Straße leben.

Das ist wirklich ein ganz anderer Ansatz als der, den Panini verfolgt. Gab es von denen eigentlich schon Klagen - oder Übernahmeangebote?

Nein, von Panini selbst haben wir noch nichts gehört. Es gibt aber tatsächlich eine kleine Geschichte, wie der Sohn der Panini-Brüder, die nicht mehr leben, auf uns aufmerksam geworden ist. Wir hatten im letzten Album als Hommage die vier Panini-Brüder mit ihrer Druckmaschine als Sticker gehabt. Der Sohn hat das entdeckt und hat sich natürlich total gefreut, dass sein Vater und seine Onkel in so einem Sammelalbum geehrt werden. Wir haben ihm dann eine ganze Kollektion geschickt.

Was sagen eigentlich die Spieler selbst zu ihren Porträts? Gibt’s da Feedback?

Ja das gibt es. Zum Teil fragen wir Spieler auch, was sie zu einem Portrait meinen. Wir haben zum Beispiel Haris Seferovic, einen Spieler der Schweizer Mannschaft, riesengroß auf ein Spielfeld gezeichnet und ihm ein Video davon gemacht. Der fand das natürlich Wahnsinn, einerseits das Portrait an sich, andererseits die Größe. Wir haben die Sticker auch an die Schweizer Nationalmannschaft geschickt, mit der Bitte sie zu signieren. Wir haben alle signiert zurückgekriegt, außer die von Shaqiri. Als wir dann nachgefragt haben, hieß es er hätte sie wohl gerne behalten. Anscheinend haben sie ihm gefallen. Das hat uns natürlich dann gefreut, obwohl wir kein Autogramm hatten.

Sendung: Filter vom 06.06.2018 – ab 15 Uhr