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Philipp Moll Blumen und Wurst

Er hat Theologie studiert, eine Schreinerlehre gemacht, den Bildenden Künsten gefrönt und steht seit ein paar Jahren als Kabarettist auf der Bühne: Philipp Moll. Nun hat er ein Buch mit dem Titel "Blumen und Wurst" veröffentlicht.

Von: Tobias Föhrenbach

Stand: 20.11.2013

Buchcover "Blumen und Wurst", Autor Philipp Moll | Bild: BR-Studio Franken/Christian Schiele

Nun schau sich einer mal dieses Kunstwerk an. Sechs auf 14 Zentimeter groß, im hellen, neonpinken Einband, einhundert Seiten schwer, die Texte schwarz auf weiß gehalten, umrahmt mit feinen Kaltnadelradierungen. Und die Signatur des Künstlers kann man auch erkennen: Phillip Moll.

"Die Farbe Pink war keine Entscheidung von mir, sondern das hat der hervorragende Typograph des Verlages entscheiden. Sehr zu meiner Freude, weil dies natürlich viel von den meta-sakralen Aspekten, die da drin sind, in einer Wurstpredigt, und was weiß ich, ein bisschen konterkarier. Und zwar auf die Art und Weise, wie ich das gerne habe. Nämlich mit einer grundlegenden Fröhlichkeit."

Philipp Moll

Wir, die wir die Gnade haben erfahren dürfen, in einem Land, das weit mehr als 1.500 Wurstsorten geboren hat, zu leben, wollen gemeinsam mit Demut und Hingabe uns dieses Gegenstandes ernstlich besinnen: Die Wurst ist geheimnisvolles Objekt, nährt und fasziniert uns, strahlt in barockem Glanz oder singt das schlichte Lied der harten Arbeit oder aber legt sich bieder geschnitten in die Reihe. Sie eint die hungrigen Massen und treibt sie an den Grill. Sie trennt mit scharfer Klinge aber auch den normalen Menschen vom Vegetarier. (Auszug aus "Blumen und Wurst")

"Blumen und Wurst" ist das Werk überschrieben. Doch wäre es bestimmt fatal, nur den oberflächlichen Schein dieses absurden Spannungsgefüges wahrzunehmen. Bei den 27 Kapiteln schöpft Moll aus einer motivisch biographischen Metaebene.

"Ein grundlegender Mechanismus dessen was ich aufschreibe ist oft, dass ich natürlich von Erinnerungen meiner Kindheit und meiner Jugend ausgehe. Das hängt damit zusammen, dass ich in einer Familie groß geworden bin, in der das Erzählen von Geschichten über die eigene Familie eine gewisse Tradition hat und auch mit Begeisterung betrieben wurde. Zum einen, weil es eine Möglichkeit war, Angehörige des Clans zu beleidigen und  zu demütigen, ohne das auf eine sagen wir mal unanständige Weise zu tun. Zum anderen, weil es dadurch dass wir eine sehr große Verwandtschaft haben unerlässlich war, den Nachwachsenden immer wieder die Alten vorzustellen. Die kannte man nämlich oft gar nicht. Die hat man dann mit 14 Jahren das erste Mal bei einer Konfirmation gesehen und da musste man mal fragen: 'Wer ist der alte Mann dahinten eigentlich?' Und das ist etwas, was mich sehr geprägt hat."

Philipp Moll

Info und Bewertung

Wertung: 3 Frankenrechen von 5 | Bild: BR

"Blumen und Wurst" von Philipp Moll ist im Bartlmüllner Verlag erschienen. ISBN: 978-3-942953-15-3

In meiner Familie tummelte sich eine große Zahl Tanten und Onkels und noch interessanter, nachwuchsfreie, aber früh verwitwete oder nie verheiratet gewesene Solche. Aus dem reichhaltigen Tretminen-Bergwerk der mündlichen Überlieferung in meiner ehrwürdigen Familie habe ich einen Satz übernommen, mit dem man ganz prima in politische Diskussionen hineinstoßen kann, oder Verschwörungstheorien kommentieren, oder den Klimawandel, oder die Arbeit unserer Regierung. […] Ein Satz, der die Kraft hat, den Sagenden aus unangenehmen Zusammenhängen auf wohl gewählte Worte leichten Schwingen hinauszuflattern. Ein Satz, der auch am verachtenswerten immerhin noch die Qualität des Rästelhaften erkennen lässt: 'Komisch, komisch, zwei Backen und keine Nase, was ist das?' (Auszug aus "Blumen und Wurst")

Sich bahnbrechende Sprachgewalt

Auffällig ist bei genauerer Betrachtung die Sprachgewalt, die sich hier bahnbricht. Die Sätze schütten eine Farbvielfalt aus, die, sofern laut ausgesprochen, in den Ohren die ungeheuerliche Bildhaftigkeit der Motive ertönen lassen, mit Satzkaskaden, Zeichenclustern und plastischem Wortgemenge. Darin zeigt sich durchaus: Der Autor hat auch die Bildende Kunst studiert.

"Ich denke, die Art und Weise Bilder zu bauen, ob mit der Sprache, der Mimik oder mit Musik oder Literatur, wohnt jedem Künstler inne. Und die Art und Weise, wie ich meine Bilder zusammenschraube, so will ich das mal nennen, die unterscheidet sich in der Bildenden Kunst kaum von dem, was ich in den Texten mache. Die sind natürlich Grundlage für das, was ich auf der Bühne mache. Das ist klar."

Philipp Moll

Die frühen und auch lausigen Erfahrungen im Showgeschäft bewegten mich dazu, meine Fertigkeiten an einem anderen Instrument im Einzelunterricht einer irgendwie gearteten Meisterschaft entgegen zu treiben. Durch das von mir selbst im Alter von kaum zehn Jahren völlig eigenständig entwickelte musikpädagogische Konzept der Harmischen Provisation, das auf bestechend eindeutige Weise den gänzlichen Verzicht auf jede Art von Übung mit einem ungeheuer aufbrausenden Ausstoß von tonalen wie auch atonalen Vielheiten verschmilzt, habe ich meinen Klavierlehrer psychisch zerrüttet und ihn dazu getrieben wegzuziehen. (Auszug aus "Blumen und Wurst")

"Alle großen Dinge beginnen mit einer Pause"

Die Stille des Beobachtens ist Grundlage für dieses kleine lesenswerte Werk. Bringt die Stille doch eine für Philipp Moll unerlässliche Stilistik mit, die sich nicht nur auf der Bühne bewährt hat, sondern auch im Duktus der geschriebenen Phrase: Es ist die Pause, die der Künstler facettenreich einbindet.

"Da möchte ich an dieser Stelle mal meinen geschätzten Professor von der Akademie  der Bildenden Künste zitieren, den Diet Sayler, der gesagt hat: ‚Wissen Sie, alle großen Dinge beginnen mit einer Pause.‘ Und das ist genau der Punkt bei der Poesie. Man muss sehr genau aufpassen, dass man die schönen Pausen zwischen den Worten nicht zustellt, mit nichtentrümpelten Buchstabenkombinationen. Eigentlich hat die Poesie dieselbe Funktion wie das Skizzenbuch eines Künstlers, nämlich die Klärung dessen, der Frage, ob es notwendig ist etwas zu beschreiben oder nicht. Und diese Funktion ist sowohl im Dialekt, als auch in der Hochsprache für mich die wichtigste an der Poesie."

Philipp Moll

Entschleunigung also als wiedererkennbare künstlerische Handschrift in diesem der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Werks, dass auch Einblicke in die fränkische Seele vermittelt.

"Wie ich das erste Mal aufgetreten bin in einer Comedy Mixed Show, ist es mir gelungen, innerhalb weniger Sekunden die Stimmung im Saal auf minus 800 Grad runter zu frosten, einfach deswegen, weil ich zu langsam war für die Veranstaltung. Da kamen lauter so junge Slammer auf die Bühne, die Stand-Up-Comedy vom Feinsten gemacht haben, mit einer Pointendichte, dass einem die Ohren hinter dem Kopf zusammenflattern und ich komm auf die Bühne, schaue das Publikum an und sag erst mal nichts. Das ist schwierig. Und inzwischen hat man sich daran gewöhnt, dass es nicht immer so schnell sein muss und ich kann auch aufgrund meines äußeren Erscheinungsbildes relativ schnell vermitteln, dass Geschwindigkeit nicht immer etwas mit Qualität zu tun hat."

Philipp Moll

Dann in ein Wirtshaus einkehren. Hier im stillen Auge des Orkans des überschäumenden fränkischen Willens zum Ausdruck, hat die gesprochene Pause sozusagen ihr Zuhause. Wenn man zum Beispiel im Wirtshaus gefragt wird, ob es geschmeckt habe, dann etwa so: Der Wirt verharrt mit dem abgetragenen Teller in der Hand vor dem Gast und fixiert ihn. Nach einer Pause, aus deren Länge man einige Rückschlüsse auf das Maß an Sympathie für den Gast ziehen kann, spricht er: 'Und?' Der Ureinwohner antwortet dann, sollte es gemundet haben, nach einer Pause, aus deren Länge man einige Rückschlüsse über die Qualität der Speisen ziehen kann: "Houd scho bassd.' (Auszug aus "Blumen und Wurst")

Dieser fränkischen größtmöglich innewohnenden Begeisterung kann man sich anschließen, wenn man sich durch dieses kleine Büchlein hindurchgeblättert hat und manch verstörend wirkendes Bild abgehakt, manch farbenprächtiges Motiv in sich aufgesogen hat. Ein Betrachtung ist weiterzuempfehlen.


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