Bayern 2 - Hörspiel


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Raoul Schrott: Erste Erde Epos VII. Autopoiesis

Stand: 12.12.2013 | Archiv

Raoul Schrott | Bild: picture-alliance / Erwin Elsner

Der Musenbrunnen der Hippokrene auf dem griechischen Berg Helikon gilt seit jeher als inspirativer Quell der Poesie. Ob beim allerersten europäischen Dichter Hesiod, bei den Römern Vergil und Ovid oder in der Renaissance: wer dichten wollte, hatte vom Wasser dieses Brunnens trinken. Auch Lukrez, dessen naturwissenschaftliches Lehrgedicht DE RERUM NATURA dem ERSTE ERDE EPOS Pate stand, berief sich auf den Gang zu dieser Quelle.
Ihm im Wortsinn folgend, stellt Autopoiesis eine autopoetische Selbstvergewisserung dar. Das Wasser des Musenquells wird dabei aus seinem alten symbolischen Kontext gehoben und zu jener Substanz, in der sich die allerersten Lebensformen bildeten. Die Musen werden dabei zu Figurationen dessen, wie Leben aus Stein, Erde und Wasser entstehen konnte. Die unterschiedlichen, nie völlig überzeugenden Definitionen von Leben lassen sich auf diese Weise mit dem abgleichen, was ein Gedicht auch ist – eine Zelle von Worten, die das Außen in ein Innen verwandelt: Dichtung, die Welt verarbeitet und dabei den Menschen in ihr lebendig hält.


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