Bayern 2 - Gedanken zum Tag


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Georg Magirius Gedanken zur Passionszeit

Ich bin pilgernd unterwegs, um neuen Mut zu finden.

Stand: 20.03.2024

Gedanken zur Passionszeit | Bild: BR

20 März

Mittwoch, 20. März 2024

Ich bin pilgernd unterwegs, um neuen Mut zu finden. Nicht auf fernen Pilgerwegen, sondern in der Nähe, bei Wiesenbronn am Steigerwald. Mehrere Male wechsle ich die Wandermarkierung. Kurzzeitig bin ich sogar ohne Markierung unterwegs, bis ich den fürstlichen Schlosspark von Rüdenhausen erreiche. Allerdings lässt sich das Schloss nicht betreten. Und der Park öffnet nur, wenn Kirchweih ist. Dann ist Schlosstanz, bei dem nur Unverheiratete tanzen, die überdies im Ort wohnen müssen. Aber träumt nicht jeder hin und wieder von einem edleren Leben? Und davon, Grenzen zu überschreiten? Am schmiedeisernen Zaun des Schlossgeländes entlang führt mich der Weg zur Kirche von Rüdenhausen, die - geöffnet ist. Außer mir ist niemand in der Kirche. Viel Mut erfordert mein Aufstieg nicht, ich brauche nur das eher symbolisch wirkende Absperrseil am Treppenaufgang zu übertreten. Auf der Empore drücke ich sanft die Klinke nach unten. Und es öffnet sich: die Fürstenloge! Ich sitze auf keiner gewöhnlichen Kirchenbank, sondern auf Samt. Durchs Fenster der Loge schaue ich zum Taufengel hinüber, der frei im Kirchenraum aufgehängt ist und eine ausgesprochen vergnügte Miene hat. Zufrieden trete ich den Weg zurück in niedere Gefilde an. Und lese an der Ausgangstür: Die Kirche ist videoüberwacht. Ich drehe mich um: Der Engel lächelt immer noch.

Georg Magirius / unveröffentlichter Text


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