Zündfunk Generator Es wird enger: Wie Künstler ihren Freiraum bewahren können

Es wird enger: Wie Künstler den kulturellen Freiraum bewahren können
Gespräch mit Luzia Dellefant und Norbert Niemann
Mit Caroline von Lowtzow
Internet: www.bayern2.de/zuendfunk
Als Podcast verfügbar

Am 20. Mai hat der Schriftsteller Norbert Niemann den Carl Amery Preis erhalten. Ausgezeichnet wurde er unter anderem für seinen Künstlerroman "Die Einzigen" (Berlin Verlag), der im Herbst 2014 erschienen ist. Ein Roman über die Liebe, vor allem aber ein Roman über die Rolle von Kunst in Zeiten eines entfesselten Marktes. Ein Roman darüber, wie sich unsere Welt seit den 80er Jahren verändert hat und wie sich auch die Rolle von Kunst und Kultur verändert haben.
"Der Schriftsteller Norbert Niemann ist einer der profiliertesten Analytiker der Gegenwart. In seinen Romanen, Essays und Kommentaren verschränkt und befragt er mediale Realität und Alltagsgeschehen auf kritische Weise", so die Begründung der Jury.
Und ganz im Sinne von Carl Amery, diesem kritischen Intellektuellen und Vordenker einer politischen Ökologie , hat Norbert Niemann bei der Preisverleihung eine kämpferische Rede gehalten, in der er die Ausbreitung der Marktideologie auf alle Bereiche unseres Lebens kritisiert und die Kunst gegenüber der Macht des Marktes verteidigt:
Zitat:
Der ideologische Charakter dieses gesamtgesellschaftlichen Umbaus während des vergangenen Vierteljahrhunderts ist aber zu einer ernsthaften Bedrohung der offenen Gesellschaft geworden. Gerade indem sie vorgibt, jenseits aller Ideologien zu stehen, hat die Marktideologie begonnen, die Demokratie von innen auszuhöhlen.(…) Alle ideologischen Systeme versuchen ihre Herrschaft dadurch zu sichern, dass sie den kulturellen Raum besetzen. (...) In welchem Grad ein kultureller Freiraum im öffentlichen Leben existiert oder nicht existiert, daran lässt sich geradezu ablesen, wie offen eine Gesellschaft noch ist.
Meine Damen und Herren, Sie merken, worauf ich hinauswill: Nach meiner Beobachtung ist dieser kulturelle Freiraum in den vergangenen Jahrzehnten mehr und mehr geschrumpft und in den letzten Jahren fast völlig in die Nischen abgedrängt worden. Und Sie ahnen auch, wen oder was ich dafür verantwortlich mache.
Auszug aus der Rede von Norbert Niemann zum Carl Amery Preis

Diese Rede hat uns im Zündfunk Generator so sehr beeindruckt, dass wir die Themen und Thesen im Generator noch einmal diskutieren wollen. Denn wenn man Norbert Niemann folgt, dann ist die Lage ernst. Der Freiraum für die Kunst wird nicht nur enger, sondern er ist ernsthaft in Gefahr.
Kaum ein Bereich hat das in den letzten Jahren stärker zu spüren bekommen als die Bildende Kunst. Kunst ist zur Ware geworden, mehr noch: Der Markt hat die Kunst aufgegessen, sagte kürzlich Robert Storr, der Dekan der amerikanischen Yale Akademie, einer der erfolgreichsten Kunstschulen
Deshalb haben wir für dieses Gespräch noch einen weiteren Gast eingeladen: die Künstlerin Lucia Dellefant, für die Kunst und politisches Handeln ebenfalls immer eng zusammengehen. So verleiht sie zum Beispiel den "award of change" an Personen oder Initiativen, die Veränderungen bestehender Strukturen innerhalb der Gesellschaft einleiten.