Bayern 2 - Nachtstudio


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Nachtstudio Programmphilosophie

Das Lagerfeuer in der Referenzhölle

Stand: 01.07.2011

Für ein wildes Denken

"Was tun?", fragte erst Nikolaj Gavrilovitsch Tschernyschevskij und dann ein gewisser Vladimir Iljitsch Uljanov aka Lenin. Wir plädieren dafür, bevor wir etwas tun, nochmal gründlich nachzudenken. Dafür ist das Nachtstudio da – ein Ort der Reflektion, der positiven Verunsicherung, des second thought. Die zentrale Frage: Was bewegt die Menschen? Oder manchmal auch: Was sollte sie bewegen?

Das Nachtstudio steht für kulturelle Ermunterung. Es will Mut machen. Es stellt in Frage, weil es wissen will, wie belastbar unsere Anschauungen sind – oder ob sie doch nur rituelle Antworten liefern. "Die Bequemen beunruhigen und Bequemlichkeit für die Unruhigen schaffen", hat das der Essayist David Foster Wallace genannt. Diese Doppelfunktion hat eine lange Tradition. Das Nachtstudio war der Unterschlupf der Nonkonformisten in den 50er und 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, der Querdenker also, bevor diese Haltung mit der Postmoderne zum offiziellen Fitnesstraining der Intellektuellen wurde. Das Nachtstudio ging schon 1948 auf Sendung, damit gehört es zum Tafelsilber des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Es war immer ein Ort der big names, der führenden Intellektuellen, aber es hat auch immer neue Autorinnen und Autoren entdeckt. Mehr Ideen wagen – das könnte sein Motto sein: ein Ort für Freiheiten in einer Gesellschaft, die immer wieder aufs Neue lernen muss, wo sie frei sein und wo sie Grenzen setzen will.

Das Nachtstudio gehört zur Gattung der Allesfresser, die keine Nahrung verschmähen, ob Essay, Feature, Lesung oder Diskussion.  Denken tritt in vielen Formen auf: als das Grau der Theorie, das Orange des Spiels, das Gelb der Ironie, das Schwarz-Weiß der Dialektik, das Durchgestrichene der Dekonstruktion, das Ja der Religionen. Das Haus des Denkens hat viele Zimmer, jeweils am Dienstag und an Feiertagen stellt das Nachtstudio eines vor.


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