Bayern 2 - Nachtstudio


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Humanisiert euch! Mehr Mut zum Manifest

Öffentlich widersprechen kann man auf viele Arten. Mit Demonstrationen, Flash Mobs, Internetaktionen. Und mit Manifesten. Doch wie zeitemäß ist es noch, mit einem Text die Welt verändern zu wollen? Fragt Stephanie Metzger aktuelle Manifestautoren und -autorinnen.

Von: Stephanie Metzger

Stand: 26.05.2017 | Archiv

"In dem Maße, als viele schreibende oder denkende Theoretiker nicht mehr nur die Universität und die akademischen Publikationsorgane und Wege als alleinige Möglichkeit sehen, sondern eben auch andere, in dem Maße bietet sich das Manifest wieder verstärkt an. Und in dem Maße als man erkennt, dass es bis zu einem gewissen Grade gar nicht mehr Sinn macht, sich an bestimmte neoliberale berufsfördernde Regeln zu halten, gewinnt man auch eine bestimmte Freiheit anders zu schreiben, anders zu publizieren, mehr experimentell zu denken und zu schreiben. Und dazu gehört das Manifest sicher, da bietet sich das als Genre an."

Armen Avenessian

Hier das "Ja", dort das "Nein". Hier das Wort, dort die Tat. Hier die Wirklichkeit, dort die Kunst. Und dazwischen: das Manifest. Im Laufe seiner Geschichte hat das Genre den Spielraum zwischen gesellschaftlicher Wirksamkeit und reiner Pose facettenreich ausgeschöpft. Nicht ohne sich selbst dabei immer wieder zu verabschieden. "Die Zeit der Manifeste ist vorbei", proklamierte Bruno Latour 2010. Und startete im gleichen Atemzug einen Versuch, das "Kompositionistische Manifest" zu schreiben.

Denn geschrieben wurden und werden sie, gerade heute. Zum Beispiel von einer Gruppe junger englischer Studenten, die in ihrem "Manifest für eine akzelerationistische Politik" (2013) den Kapitalismus mit seinen eigenen Mitteln schlagen wollen. Oder von französischen Intellektuellen, die im "Konvivialistischen Manifest" (2013) eine neue Kunst des Zusammenlebens erfinden. Von dem deutschen Aktionskünstler Philipp Ruch vom skandalträchtigen Zentrum für Politische Schönheit, der mit seinem Manifest "Wenn nicht wir, wer dann" (2015) einer humanistischen Revolution den Weg ebnen will. Oder von der österreichischen Autorin FALKNER, die ihr gesamtes Werk unter den Begriff des Manifestes gestellt hat.

Das Manifest ist hier nicht doktrinärer Text oder bloßes ironisches Spiel. Vielmehr wird es zum Befreiungsschlag aus akademischen Fesseln und zum Medium eines experimentellen Denkens.

Mehr Mut zum Manifest

Vom Versuch, mit einem Text die Welt zu verändern.
Von Stephanie Metzger

Mit Wiebke Puls, Thomas Loibl, Franz Pätzold, Hemma Sophia Michel
Regie: Stephanie Metzger
BR 2016, 53'15


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