Bayern 2

     

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Lion Feuchtwanger Schriftsteller des Exils

Lion Feuchtwanger (7.7.1884 bis 21.12.1958) schreibt in Hitler-Deutschland verunglimpfte Bestseller und schafft es sogar im französischen und US-amerikanischen Exil, sich immer wieder neue große Bibliotheken aufzubauen.

Stand: 06.10.2015

  • 1884
    Lion Feuchtwanger | Bild: picture-alliance/dpa

    1884

    Geburt

    Lion wird als zweiter Sohn von Johanna und Sigmund Feuchtwanger in München geboren.
    Die Familie stammt ursprünglich aus Feuchtwangen, dem mittelfränkischen Städtchen, nach dem sie benannt ist, das die Feuchtwangers aber 1555 verjagte. Sigmund Feuchtwanger, Lions Vater, führte schon in zweiter Generation die Münchner Margarinenfabrik "Saphir Werke" und war ebenso wohlhabend wie konservativ.

  • 1903
    Münchner Wilhelmsgymnasium | Bild: picture-alliance/dpa

    1903

    Abitur

    Das Abitur am Münchner Wilhelmsgymnasium wurde für Lion Feuchtwanger so etwas wie ein Freibrief. Bis dahin musste er sich strikt dem Regiment seines orthodoxen Elternhauses beugen. Feuchtwanger erinnert sich: "Meine Eltern hielten darauf, daß ich die umständlichen, mühevollen Riten rabbinistischen Judentums, die auf Schritt und Tritt ins tägliche Leben eingreifen, minutios befolgte. Die strenge Einhaltung der Speisegestze und der Sabbat-Gesetze, die vielen langen, täglich zu verrichtenden Gebete, der sehr häufige Synagogenbesuch .... spannten das Leben in einen verzweifelt engen Rahmen."

  • 1907
    Doktorhut | Bild: colourbox.com

    1907

    Promotion

    Kurz nach dem Abitur vollzog Lion Feuchtwanger den Bruch mit seinem Elternhaus: Er zog aus dem wohlhabenden Bürgerhaus im Lehel aus und verzichtete - weil er den orthodoxen Lebenswandel seines Vaters samt täglichen Talmudstudien endgültig hinter sich lassen wollte - auf die väterliche Unterstützung des Studiums. Er schrieb sich in Germanistik und Geschichte in München ein und verdiente sich seinen schmalen Lebensunterhalt mit Rezensionen und Theaterkritiken. 1909 reichte er seine Dissertation über Heinrich Heines "Rabbi von Bacharach" ein.

  • 1912
    Archiv: Marta Feuchtwanger (aufgenommen im Januar 1987 vor ihrem Haus in Los Angeles) | Bild: picture-alliance/dpa

    1912

    Hochzeit

    Heirat mit Marta Löffler. Feuchtwanger hat die schöne, aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie stammende Marta bereits 1909 bei einem Ball seiner Schwester kennengelernt und ist gleich fasziniert von ihrem Salome-ähnlichen Auftritt. Marianne, ihre gemeinsame und einzige Tochter, stirbt nur wenige Wochen nach der Geburt. Marta aber bleibt bis zu seinem Tod im kalifornischen Exil die Frau an seiner Seite - obwohl Lion Feuchtwanger jede Menge Affären nebenbei hat.

  • 1915
    Münchner Kammerspiele | Bild: picture-alliance/dpa

    1915

    Theaterstücke

    Die erste Übersetzung Feuchtwangers erscheint 1915: "Die Perser“ des Aischylos. 1916 erscheinen Feuchtwangers erste Theaterstücke: "Julia Farnese" und "Warren Hastings". 1918 schreibt er "Die Kriegsgefangenen", eine Aufführung des Stücks verbietet die Militärzensur. Im gleichen Jahr entsteht "Thomas Wendt", ein Drama über einen Augenzeugen der Revolutionskämpfe in München, 1920 "Der Amerikaner oder Die entzauberte Stadt", ein Münchendrama, das in den Kammerspielen uraufgeführt wird. 1919 lernt Feuchtwanger Bertolt Brecht kennten. Die Freundschaft der beiden hält bis zu Brechts Tod 1956.

  • 1923
    Buchcover "Die häßliche Herzogin" von Lion Feuchtwanger | Bild: Aufbau Verlag, Montage: BR

    1923

    "Die hässliche Herzogin von Maultasch"

    Feuchtwangers erster großer Roman kommt 1923 heraus: "Die hässliche Herzogin von Maultasch" erzählt die Geschichte der Herzogin Margarete von Tirol-Görz (1318-1369), die ihre fehlende Attraktivität durch ungeheure Klugheit kompensierte. Inmitten einer - immer wieder auch stark antisemitischen - Gesellschaft jämmerlicher und egoistischer Gestalten erweist sie sich schließlich als ein großer, humaner Charakter.

  • 1925
    Buchcover "Jud Süß" von Lion Feuchtwanger | Bild: Aufbau Verlag, Montage: BR

    1925

    "Jud Süß"

    Der Roman thematisiert die schwierige Assimilation deutscher Juden am Beispiel des Schicksals des historisch verbürgten württembergischen Hofjuden Joseph Süß Oppenheimer (1698 1738). Nach dem Tod seines Gönners und ohne Schutz des Herzogs wird er als "Jud Süß" verfolgt und hingerichtet. Veit Harlan pervertiert den Stoff zum "ersten wirklich antisemitische Film" (Joseph Goebbels) mit Heinrich George in der Hauptrolle. 1925 ziehen Lion und Marta Feuchtwange nach Berlin, wo sie sich in Grunewald eine wunderbare Villa einrichten.

  • 1930
    Buchcover "Erfolg" von Lion Feuchtwanger | Bild: Aufbau Verlag, Montage: BR

    1930

    "Erfolg"

    "Drei Jahre Geschichte einer Provinz" lautet der Untertitel. "Das Land Bayern ist der eigentliche Held meines Romans" sagt Feuchtwanger zu seinem Buch - genauer die Geschichte Bayerns zwischen 1921 und 1924, in der der Nationalsozialismus aufkommt und seine erste Blüte und (Schein-)Niederlage hat. Bornierter Provinzialismus und machtgeile Korruption beherrschen die Isarmetropole. Dem politisch missliebigen Museumsdirektor Martin Krüger wird der Prozess gemacht, und er wird aufgrund eines Meineids zu drei Jahren Festungshaft verurteilt.

  • 1932
    Sanary-sur-Mer - Hochburg vieler Exilanten, die aus Hitler-Deutschland fliehen mussten | Bild: picture-alliance/dpa

    1932

    "Der jüdische Krieg"

    In diesem Roman geht es um das Leben des jüdischen Geschichtsschreibers Flavius Josephus (37 – 100 n.Chr.), der unbedingt beides sein will: Jude und Römer, Israelit und Weltbürger. Doch die Gegensätze drohen ihn zu zerreißen und zerstören seine Familie. Er verlässt das einst so umworbene Rom und geht zurück an seinen Ursprung. Auch Feuchtwanger verlässt im Januar 1933 Deutschland. In den USA hört er von der Machtübernahme Hitlers und beschließt, nicht zurückzukehren. Er lässt sich mit Marta in Sanary-sur-mer (Frankreich) nieder, wo er in seiner Villa wieder eine große Bibliothek aufbaut.

  • 1933
    Buchcover "Die Geschwister Oppermann" von Lion Feuchtwanger | Bild: Aufbau Verlag, Montage: BR

    1933

    "Geschwister Oppermann"

    Der Antisemitismus wird 1932/33 in Deutschland immer stärker - die einen reagieren empfindlich und sehr hellhörig auf die Gefahr, andere verdrängen die Bedrohung und stecken den Kopf in den Sand. Mitreißend und eindrucksvoll zeigt Lion Feuchtwanger das an den vier Geschwistern Oppermann. Er hat diesen zeithistorischen Roman, der ursprünglich für die Briten als Drehbuch über Nazideutschland geplant war, in wenigen Monaten geschrieben.

  • 1937
    Moskau | Bild: picture-alliance/dpa

    1937

    "Moskaureise"

    Schon in "Erfolg" macht Feuchtwanger aus seiner Sympathie für den Kommunismus keinen Hehl. Von November 1936 bis Februar 1937 reist der Schriftsteller durch die Sowjetunion und publiziert kurz darauf "Moskau 1937. Ein Reisebericht für meine Freunde". Einige Freunde sind allerdings empört über den Bericht - vor allem darüber, dass Feuchtwanger darin die stalinistischen Schauprozesse rechtfertigt. In den USA sorgt der Text dafür, dass Feuchtwanger die US-amerikanische Staatsbürgerschaft vorenthalten wird. Er bleibt staatenlos bis zu seinem Tod.

  • 1940
    Buchcover "Exil" von Lion Feuchtwanger | Bild: Aufbau Verlag, Montage: BR

    1940

    "Exil"

    Dank der guten Einnahmen aus seinen Romanen kann sich Feuchtwanger im südfranzösischen Sanary-sur-Mer ein schönes Haus mit Marta leisten, das zum Treffpunkt zahlreicher verfolgter Schriftsteller und Künstler aus Deutschland wird. Hier schreibt er zwischen 1937 und 1939 den Roman "Exil", in dem er den mühseligen und zutiefst deprimierenden Alltag von deutschen Flüchtlingen im Pariser Exil beschreibt. Mit den beiden Zeitromanen "Erfolg" und "Geschwister Oppermann" vollendet "Exil" die "Wartesaal-Trilogie".

  • 1940
    Buchcover "Der Teufel in Frankreich" von Lion Feuchtwanger | Bild: Aufbau Verlag, Montage: BR

    1940

    "Der Teufel in Frankreich"

    Internierung in Les Milles:
    Nach dem Einmarsch Hitler-Deutschlands in Frankreich im Frühling 1940 kommt Lion Feuchtwanger, obwohl selbst von den Nazis verfolgt, als feindlicher Deutscher in ein Internierungslager im südfranzösischen Les Milles. Später gelingt ihm mit Hilfe der Amerikaner, die Marta mobilisiert, eine spektakuläre Flucht aus Frankreich. Die erste Station des amerikanischen Exils ist New York. Dort angekommen, schreibt er gleich das Buch über seine Lagerhaft: "Der Teufel in Frankreich".

  • 1941
    Villa Aurora | Bild: BR

    1941

    Kalifornisches Exil

    Sein gesperrtes Bankkonto, der eisigkalte Winter und die vielen bürokratischen Gänge, die er zu erledigen hat, machen New York ungemütlich für Lion Feuchtwanger. Im Januar 1941 folgt er der Einladung seines Freundes Bruno Frank nach Kalifornien, wo er sich gleich viel wohler fühlt. 1943 kaufen die Feuchtwangers eine Villa in den Hügeln von Pacific Palisades. Die legendäre Villa Aurora wird zu einem Zentrum der Exil-Künstler. Franz Werfel, Bertolt Brecht, die Manns, Charlie Chaplin und andere Exilanten gehen hier ein und aus.

  • 1948
    Buchcover "Die Füchse im Weinberg" von Lion Feuchtwanger | Bild: Aufbau Verlag, Montage: BR

    1948

    "Waffen für Amerika"

    Mit "Waffen für Amerika" bzw. "Füchse im Weinberg" erscheint 1948 der erste der Revolutionsromane, an denen Feuchtwanger im kalifornischen Exil arbeitet. Im Nachwort schreibt Feuchtwanger: "Sie werden ohne weiteres verstehen, daß der Held des Romans nicht Benjamin Franklin ist, auch nicht Beaumarchais ... sondern jener unsichtbare Lenker der Geschichte, der im achtzehnten Jahrhundert entdeckt, im neunzehnten Jahrhundert deutlich erkannt, beschrieben und gepriesen wurde, um dann im zwanzigsten Jahrhundert bitter verleugnet und verleumdet zu werden: der Fortschritt."

  • 1951
    Buchcover "Goya" von Lion Feuchtwanger | Bild: Aufbau Verlag, Montage: BR

    1951

    "Goya oder der arge Weg der Erkenntnis"

    Dieser große Revolutionsroman, an dem Feuchtwanger von 1948 an schreibt, zu einer Zeit als der Kalte Krieg erneut Europa entzweit und in den USA die Kommunismus-Jäger scharfmachen, erzählt die politischen Umwälzungen Ende des 18. Jahrhunderts anhand der Lebensgeschichte des spanischen Malers Francisco de Goya. Seine "Caprichos" mit dem sprechenden Titel „Die Nacht der Vernunft gebiert Ungeheuer“ provoziert das Heilige Tribunal. Doch die Inquisition zieht den Kürzeren.

  • 1955
    Buchcover "Die Jüdin von Toledo" von Lion Feuchtwanger | Bild: Aufbau Verlag, Montage: BR

    1955

    "Die Jüdin von Toledo"

    Die „Jüdin von Toledo“ dreht sich um das Schicksal des jüdischen Kaufmannes Jehuda Ibn Esra und seiner schönen Tochter Raquel im Spanien des 12. Jahrhunderts, in dem Muslime und Juden friedlich zusammen lebten. Nicht zufällig nimmt sich Feuchtwanger diesen historischen Stoff vor - zu einer Zeit, als die ersten kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Arabern und dem neu gegründeten Staat Israel toben.

  • 1958
    Pacific Palisades | Bild: picture-alliance/dpa

    Dezember

    Tod

    Feuchtwanger hat seit 1948 wiederholt versucht, die US-amerikanische Staatsbürgerschaft zu erlangen - erfolglos. Er bekommt 1954 den Nationalpreis der DDR für Kunst und Literatur und 1955 die Ehrendoktorwürde der Humboldt-Universität Berlin und 1957 den Kultur- und Literaturpreis der Stadt München, aber reist nicht nach Europa, weil er Angst hat, dass die Amerikaner ihn nicht wieder zurück lassen. Er stirbt mit 74 Jahren am 21. Dezember in Los Angeles.


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