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EU-Agrarpolitik Entwicklung über die Jahrzehnte

Die Agrarpolitik auf europäischer Ebene war von Anfang an das verbindende Element in der Gemeinschaft. Die Gelder aus Brüssel sind bis heute eine wichtige finanzielle Stütze der Landwirtschaft und größter Posten im EU-Haushalt. Über die Jahrzehnte hat sich die Agrarpolitik aber stark gewandelt: Von der Sicherung der Nahrungsmittelversorgung über den Abbau der Überproduktion bis hin zum Versuch die Landwirtschaft grüner zu machen. Ein Überblick über die europäische Agrarpolitik.

Von: Tobias Chmura

Stand: 17.09.2014

  • 1958
    Bundeskanzler Konrad Adenauer bei der Unterzeichnung der Römischen Verträge. Kurz darauf nimmt die EWG die Arbeit an einer gemeinsamen Agrarpolitik auf. | Bild: picture-alliance/dpa

    Unterzeichnung der Römischen Verträge

    1958

    Günstige Lebensmittel für alle

    Die sechs Gründerstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, kurz EWG, unter ihnen die Bundesrepublik Deutschland, vereinbaren eine agrarwirtschaftliche Zusammenarbeit. Das Ziel: eine Steigerung der Produktivität und damit erschwingliche Lebensmittel für die Bevölkerung.

  • 1962
    Schädlingsbelämpfung auf einer fränkischen Obstbaumplantage im Jahr 1962. Garantierte Preise sind für die Bauern Anreiz ihre Produktion zu steigern. | Bild: picture-alliance/dpa

    Schädlingsbekämpfung an Obstbäumen in Franken 1962

    1962

    Produktionsanreize für die Bauern

    Die Gemeinsame Agrarpolitik, abgekürzt GAP, tritt in Kraft. Ein gemeinsamer Markt für Lebensmittel entsteht. Durch garantierte Preise für die Produkte sollen bei den Bauern Anreize zur Produktion geschaffen werden. Die Zuschüsse sollten den Landwirten ein ausreichendes Einkommen sichern. In den folgenden Jahren greift die Politik: Die Bauern produzieren deutlich mehr Nahrungsmittel, und in der EWG muss schon längst niemand mehr Hunger leiden. Doch am Horizont zeichnet sich schon das größte Problem der Agrarpolitik der kommenden Jahre ab: die Überproduktion.

  • 1968
    EU-Agrarkommissar Sicco Mansholt stellt 1968 einen Plan vor, mit dem er Überproduktion und überbordende Subventionen bekämpfen will. | Bild: picture-alliance/dpa

    Porträt von EU-Landwirtschaftskommissar Sicco Mansholt

    1968

    Der Mansholt-Plan

    Auf den Feldern wird längst genug produziert. Das Problem der garantierten Preise für die Bauern: Die Produktion ist von der Nachfrage entkoppelt. Je mehr ein Bauer produziert, desto mehr Geld verdient er. Das lässt die Subventionen in die Höhe schnellen. Überliefert ist deshalb der Warnruf des Landwirtschaftskommissars Sicco Mansholt: "Wenn wir jetzt nichts tun, fließt uns spätestens 1970 die Butter auf die Straße." Mansholt legt einen Plan vor: Geld soll es nur noch für konkurrenzfähige, große Betriebe geben. Außerdem soll die Zahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft stark sinken.

  • 1972
    Als Reaktion auf den Mansholt-Plan demonstrieren Bauern in Brüssel. Sie fürchten um die Zukunft der kleinen Betriebe. | Bild: picture-alliance/dpa

    Bauernproteste 1971 in Brüssel

    1972

    Wütende Proteste der Bauern

    Die europäischen Landwirte protestieren, weil sie durch den 1968 angestoßenen Mansholt-Plan um ihre Kleinbetriebe fürchten. Der Protest ist letztlich ein Grund dafür, dass der Mansholt-Plan praktisch beerdigt wird. Die Subventionen sind weiter auf einem hohen Niveau.

  • 1984
    Ein sprichwörtlich gewordener Butterberg: 1984 wird die Überproduktion als "Weihnachtsbutter" besonders günstig verkauft. | Bild: picture-alliance/dpa

    Butterberg mit Weihnachtsbutter 1984

    1984

    Butterberge, Milchseen und so viele Subventionen wie nie

    Die Überproduktion hat längst zu den sprichwörtlich gewordenen Butterbergen und Milchseen geführt. Nun gibt es ein erstes Gegenlenken: Die Einführung eines Quotensystems soll die Milcherzeugung begrenzen.
    Gleichzeitig führt die Preisstützung zu einem Allzeithoch der Zuschüsse für die Bauern: 72 Prozent des gesamten EU-Haushalts werden für die Landwirtschaft ausgegeben. Seitdem geht der Anteil aber stetig zurück, auf zuletzt 42 Prozent im Jahr 2013.

  • 1992
    Ackerflächen in Oberbayern: Mit der MacSharry-Reform werden Zuschüsse für Flächen und die Anzahl an Tieren eingeführt. | Bild: picture-alliance/dpa

    Ackerfläche in Oberbayern aus der Luft

    1992

    Weg von der Preisstützung

    Die Landwirtschaft in Europa soll durch die MacSharry-Reform wettbewerbsfähiger werden. Aus diesem Grund werden die Stützungspreise verringert und ein Paradigmenwechsel eingeläutet: Die Zuschüsse aus Brüssel hängen nicht mehr allein von der Produktionsmenge ab. Stattdessen gibt es nun finanzielle Direkthilfen für die Landwirte. Die Bauern bekommen beispielsweise für ihre Anbauflächen oder Anzahl an Tieren Geld, unabhängig davon, wie hoch der Ertrag ist. Außerdem werden erstmals Umweltprämien für ökologisches und nachhaltiges Wirtschaften eingeführt.

  • 1999
    Ein zweites Standbein für die EU-Förderung: Mit der Agenda 2000 werden nicht mehr nur Bauern unterstützt, Geld gibt es auch zum Beispiel für die Dorfentwicklung. | Bild: picture-alliance/dpa

    Gasthof auf dem Dorf

    1999

    Agenda 2000 – Den ländlichen Raum stärken

    Mit Blick auf die EU-Osterweiterung wird die Agenda 2000 verabschiedet. Garantierte Preise werden weiter gesenkt und durch direkte Beihilfen an die Bauern abgefedert. Außerdem wird die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Förderung des ländlichen Raumes zum zweiten Standbein der Gemeinsamen Agrarpolitik. Geld gibt es zum Beispiel für die Dorfentwicklung. Damit profitieren nicht mehr nur Landwirte von den EU-Geldern.

  • 2003
    Großes Rapsfeld: Nun ist die Größe entscheidend. Die Zuschüsse aus Brüssel werden vollständig von der Produktion entkoppelt. Nun gibt es Prämien für jeden Hektar, den ein Bauer bewirtschaftet. | Bild: picture-alliance/dpa

    Großes Rapsfeld

    2003

    Einführung der Flächenprämien

    Die Beihilfen für die Bauern werden vollständig von der Produktion entkoppelt. Wie viel Geld jeder Betrieb bekommt, hängt nun von der Größe der bewirtschafteten Fläche ab.

  • 2007
    Neue Nachbarn im Osten: Mit der Erweiterung der EU verdoppelt sich auch deren landwirtschaftliche Erwerbsbevölkerung | Bild: picture-alliance/dpa

    Polnische Bauern

    2007

    EU-Osterweiterung: Doppelt so viele Bauern in der Union

    2004 wird die EU um zehn osteuropäische Staaten erweitert. 2007 ist die Erweiterung mit Rumänien und Bulgarien vorerst abgeschlossen. Insgesamt ist die EU damit um zwölf Mitgliedsstaaten gewachsen, die landwirtschaftliche Erwerbsbevölkerung in der Gemeinschaft hat sich verdoppelt.

  • 2009
    Kein Wochenende, kein Urlaub: Die Kühe müssen 365 Tage im Jahr gemolken werden. Bauern verdienen im Durchschnitt nur ein Drittel dessen, was ein Arbeiter bekommt. | Bild: picture-alliance/dpa

    Bauer am Melkstand

    2009

    Reiche Bauern? Arme Bauern?

    Trotz EU-Beihilfen ist der Beruf des Landwirts vergleichsweise schlecht bezahlt. Das Einkommen eines Bauern sinkt auf 33 Prozent von dem, was ein Arbeiter im EU-Durchschnitt verdient; das bisher niedrigste gemessene Niveau. Rentabel sind vor allem die großen Betriebe. Die Attraktivität des Berufes nimmt vor allem für viele kleine Bauern deshalb weiter ab. Zwischen 1991 und 2010 hat sich die Zahl der Höfe in Deutschland halbiert: von rund 540.000 auf 270.000 Betriebe. Und das obwohl im gleichen Zeitraum die EU, der Bund und die Länder 200 Milliarden Euro an die Bauern bezahlt haben.

  • 2010
    Soja-Import aus Südamerika: Ein großer Teil des Tierfutters für die heimischen Ställe wächst dort, wo einmal Regenwald war. | Bild: picture-alliance/dpa

    Mähdrescher laden Soja ab

    2010

    Die europäische Landwirtschaft als Global Player

    Die Landwirtschaft in Europa ist längst ein großer Akteur auf dem Weltmarkt geworden. Landwirtschaftliche Produkte im Wert von 62 Milliarden Euro verkaufen Europas Bauern im Jahr 2010 in alle Welt. Gleichzeitig wird aber auch weltweit eingekauft. Der Import beläuft sich auf knapp 100 Milliarden Euro. Die Hälfte der Importe kommt aus Mittel- und Südamerika. Dort wird zu einem großen Teil Futter für die Tiere in den heimischen Ställen eingekauft - mit gravierenden Folgen für die Umwelt in den Herkunftsländern.

  • 2014
    Klein ist gut? Die bislang letzte Reform stellt die kleinen Betriebe etwas besser. Auf Dauer bekommen sie aber genau wie die großen Höfe weniger Geld aus Brüssel. | Bild: picture-alliance/dpa

    Kleiner Bauernhof mit Misthaufen davor

    2014

    Kleine Höfe stärken, die Landwirtschaft grüner machen

    Die bislang letzte Agrarreform tritt in Kraft. Insgesamt steht weniger Geld für die Landwirtschaft zur Verfügung. Das Prinzip der Flächenprämie wird beibehalten. In Deutschland bekommen aber kleine Höfe im Verhältnis mehr Geld pro Hektar als große Betriebe. Neu ist das Greening: Ein Drittel der Direktzahlungen ist an Umweltauflagen gekoppelt. Viele Bauern fürchteten, dass sie einige ihrer Flächen stilllegen müssen, um die Greening-Auflagen zu erfüllen. Doch nun sind sogar der Anbau von Zwischenfrüchten und das Ausbringen von Dünger und Pestiziden auf Äckern mit Hülsenfrüchten erlaubt.


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