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Flüchtlinge vor Gericht Urteil im Dschihadisten-Prozess erwartet

Im Prozess gegen zwei Flüchtlinge und mutmaßliche Syrien-Kämpfer wird heute vor dem Münchner Oberlandesgericht das Urteil erwartet. Es ist bayernweit der erste Prozess mit Flüchtlingen, die sich wegen mutmaßlicher Beteiligung in einer terroristischen Vereinigung in Syrien verantworten müssen.

Von: Joseph Röhmel

Stand: 19.09.2017 | Archiv

Zu Beginn des Prozesses im März wird der Angeklagte Kamel T. zu seinem Platz auf der Anklagebank gebracht. | Bild: picture alliance / Peter Kneffel/dpa

Sie sind als syrische Flüchtlinge eingereist und wurden als mutmaßliche Dschihadisten verhaftet: der 23-jährige Azad R. und der 25-jährige Kamel T. Die Bundesanwaltschaft fordert Haftstrafen - zwei Jahre für Azad R., vier Jahre für Kamel T. wegen Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung Ahrar al Sham und Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Für den zur Tatzeit 19 Jahre alten Azad R. kommt auch eine Verurteilung nach dem Jugendstrafrecht in Betracht, die zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

Die Verteidiger fordern dagegen Freisprüche. Ihre Mandanten seien in Syrien keine Mitglieder der Terrorgruppe gewesen. Und sie hätten auch nicht die Errichtung eines Staats mit den Gesetzen der Scharia verfolgt.

Eine große Bewegung der syrischen Aufstandsbewegung

Zahlreiche Handybilder, die während des Prozesses präsentiert wurden, zeigen die Männer offensichtlich als Kämpfer in Syrien. Laut Anklage hatten sie von August 2013 bis April 2014 Wachdienste für die Ahrar al Sham versehen und so am Kampf gegen andere Rebellen und syrisches Militär teilgenommen.

Azad R. bei Prozessbeginn im März.

Der Jüngere wurde in einem Gefecht verletzt und ist seitdem gelähmt. Der Ältere pflegte ihn. Gemeinsam flüchteten sie wohl über die Balkanroute nach Deutschland. Im Frühjahr letzten Jahres wurden sie in einer Asylbewerberunterkunft in Bamberg verhaftet. Seit Ende März stehen die beiden Männer vor Gericht.

Enge Kontakte zu Al-Kaida

2011 gegründet gilt die Vereinigung Ahrar al Sham als eine der größten Gruppierungen der syrischen Aufstandsbewegung - vor allem 2013 und 2014 mit geschätzten 10.000 bis 20.000 Kämpfern. Zunächst operierte sie vor allem in der Provinz Idlib, dann zusätzlich in Hama und Aleppo. Nach Erkenntnissen der Generalbundesanwaltschaft will sie den syrischen Machthaber Bashar al-Assad stürzen und einen Gottesstaat errichten. Auch pflegt die Gruppe enge Kontakte zum Al-Kaida-Netzwerk.

Der Islamwissenschaftler Guido Steinberg hat sich intensiv mit der Vereinigung auseinandergesetzt. Ahrar al-Sham argumentiert Steinberg zufolge stark nationalistisch. Selbst nach einem Sturz des Assad-Regimes seien die Nachbarstaaten nicht bedroht. Es gehe also nicht um die Bekämpfung der westlichen Zivilisation.

An positiven Schlagzeilen interessiert

Offensichtlich scheint die Vereinigung an positiven Schlagzeilen interessiert. Noch 2013 äußerte der bei einem Anschlag getötete Anführer Hassan Abboud, dass Christen in seiner Version eines islamischen Gottesstaates nicht dieselben Rechte hätten. Seit 2015 aber versucht sie sich verstärkt als moderate islamistische Gruppierung darzustellen, die nicht auf eine islamistische Diktatur abziele und auch die Rechte von religiösen Minderheiten schützen werde.

Wie glaubwürdig ist diese Entwicklung? Laut Steinberg haben sich in der jüngeren Vergangenheit innerhalb der Vereinigung Flügelkämpfe abgespielt. Einerseits die Vertreter einer gemäßigten Haltung, andererseits die Befürworter eines dschihadistischen Kurses.


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