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Krise in Spanien vorbei Sozialisten machen Weg für Rajoy frei

Seit zehn Monaten steht Spanien politisch still, das Land hat keine Regierung. Nun wollen die Sozialisten eine Minderheitsregierung des konservativen Ministerpräsidenten Rajoy doch dulden. Die Entscheidung ist in der Partei umstritten.

Von: Oliver Neuroth

Stand: 23.10.2016

Mariano Rajoy | Bild: picture-alliance/dpa/Javier Lizon

Anton ist noch müde. Er musste mitten in der Nacht aufstehen, fast sechs Stunden Auto fahren – von Vigo im Nordwesten Spaniens nach Madrid – um an diesem Morgen vor der Zentrale der Sozialisten zu demonstrieren. Anton ist seit 36 Jahren Mitglied der Partei. Und für ihn steht fest: Die Sozialisten dürfen keinesfalls eine Regierungsbildung der Konservativen unterstützen.

"Ein absolutes Nein. Nein zu Korruption, nein zu einer konservativen Regierung. Ein Ja zur Würde dieser Partei. Davon hat sie jede Menge, seit 137 Jahren. Und heute verkauft sie sich, durch dieses Bundeskomitee."

Anton, Mitglied der Sozialistischen Partei in Spanien (PSOE)

Enthaltung in der zweiten Wahlrunde

Anton meint damit die Entscheidung der Parteispitze, die sie am Sonntagnachmittag (23.10.16) offiziell verkündet: Die Sozialisten wollen ihre Strategie bei der Wiederwahl von Ministerpräsident Rajoy im Parlament ändern. Es wird keine Total-Blockade mehr geben, kündigt Interims-Parteichef Fernandez an.

"In der ersten Parlamentsabstimmung über eine Wiederwahl Rajoys werden wir geschlossen mit NEIN stimmen. Aber um den Stillstand des Landes und seiner Institutionen aufzuheben, wird sich die Fraktion der Sozialistischen Partei bei der zweiten Wahlrunde enthalten."

Javier Fernandez, Interims-Parteichef der PSOE

Keine Abweichler

Das hieße: Bei seinem ersten Versuch, im Parlament wiedergewählt zu werden, würde Ministerpräsident Rajoy durchfallen. Denn dort braucht er eine absolute Mehrheit der Abgeordneten-Stimmen, die er nicht hat. Beim zweiten Versuch reicht die einfache Mehrheit, also mehr Ja- als Nein-Stimmen. Und diese bekommt er, wenn sich die Sozialisten enthalten. Die Partei ermöglicht also eine weitere Amtszeit des politischen Gegners.

Nach den Worten von Interims-Parteichef Fernandez wird es dabei keine Abweichler unter den Sozialisten geben – es gilt also der Fraktionszwang: "Unsere Botschaft geht an alle Mitglieder der Fraktion der Sozialistischen Partei. Wir wollen keine Spaltung unserer Partei im Parlament – so hat es das Bundeskomitee beschlossen."

"Wir halten nicht unser Wort"

Dabei gibt es unter den Sozialisten einige Parlamentarier, die gerne eine Wiederwahl des konservativen Rajoy verhindert hätten. Schließlich stimmten heute 96 der 235 anwesenden Mitglieder des Bundeskomitees gegen die neue Strategie.

"Ich bin sehr traurig über die Entscheidung unserer Parteispitze. Ich finde, wir müssen den Willen der Mehrheit unserer Parteimitglieder umsetzen. Nun hat das Bundeskomitee aber eine direkte Unterstützung einer konservativen Regierung beschlossen. Wir halten damit nicht unser Wort."

César Luena, Mitglied der PSOE-Parteiführung

Weiter kämpfen

So sieht es auch Anton aus Vigo in Galizien, der seit 36 Jahren Parteimitglied ist und vor der Sozialisten-Zentrale in Madrid demonstriert. Er hatte die Entscheidung der Parteispitze befürchtet, ist aber dennoch enttäuscht. Kehrt er seiner Partei nun den Rücken?

Nein. Er will weiter kämpfen, bis die Sozialisten ihre Haltung wieder korrigiert haben. Anton wird zusehen müssen, wie sein Feindbild Mariano Rajoy in den nächsten Tagen erneut zum Ministerpräsidenten gewählt wird. Für Montag (24.10.16) und Dienstag (25.10.16) hat König Felipe Gespräche mit den Chefs der Parteien im Parlament angesetzt. Mitte und Ende der Woche könnten die entscheidenden Abstimmungen anstehen, sodass Rajoy vor dem 31. Oktober offiziell eine neue Amtszeit beginnen kann. Und Neuwahlen in Spanien damit vom Tisch sind.


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