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Nach BR-Bericht Foto entfernt Salafisten werben nicht mehr mit Dreijährigem

Ein etwa dreijähriger Bub, abgebildet auf der Facebookseite von Münchner Koranverteilern: Inzwischen ist das Bild verschwunden. Haben die Salafisten dem öffentlichen Druck nachgegeben? Kinderschützer sind alarmiert.

Von: Joseph Röhmel

Stand: 12.11.2015 | Archiv

Bild von Facebook und Kommentarleiste | Bild: Privat

Ein Bild macht die Runde: Ein kleiner Bub, etwa drei Jahre alt, schaut verdutzt in die Kamera, ein kleines Schokopapier in der einen Hand, in der anderen einen Koran.

Münchner Koranverteiler der umstrittenen Aktion "Lies" haben dieses Bild offenbar geschossen und auf ihre Facebookseite gestellt. Der Bayerische Rundfunk entdeckte das Bild, informierte daraufhin den Bayerischen Kinderschutzbund in München.

Geschäftsführerin Margot Czekal warf den Salafisten vor, der Bub werde zu Werbezwecken missbraucht: "Das Kind weiß nicht, was es tut. Es wird von Erwachsenen dazu benutzt, eine Werbebotschaft zu vermitteln." Bis Dienstag befand sich das Foto auf der Facebookseite. Dann wurde der öffentliche Druck offenbar zu groß. Das Bild ist verschwunden. Trotzdem: Die Geschichte alarmiert kirchliche Verbände und die Politik.

Ein "drastisches Beispiel"

Immer wieder landen Koranverteiler beim Islamischen Staat oder anderen Terrormilizen. Gerade die Aktion "Lies" ist dafür bundesweit berühmt und berüchtigt. Auch mit Koranverteilern aus Bayern gab es schon Fälle von jungen Männern und Frauen, die in die Kampfgebiete nach Syrien ausgereist sind oder es zumindest versucht haben. Da wirkt es besonders problematisch, wenn ein Kleinkind auf der Facebookseite einer solchen Organisation landet.

"Lies den Koran, sagt dieses Kind, wenn es so da steht, obwohl es mit Sicherheit nicht weiß, was es in der Hand hält und welche Botschaft es in der Hand hält", sagt Czekal. Und das Bayerische Sozialministerium teilt mit: "Der kleine Junge ist ein besonderes drastisches Beispiel dafür, wie Kinder und Jugendliche für ideologische Zwecke instrumentalisiert werden."

Ebenso verurteilt der Caritasverband der Erzdiözese München und Freising die Aktion. Es reiche aber keinesfalls, sich darüber zu empören, sagt Johannes Mathes, stellvertretender Geschäftsführer der Caritas-Zentren München und Referent für Kinder, Jugend und Familie.

"Es ist vielmehr notwendig, genau hinzuschauen, wie sehr die Radikalisierung der Salafisten bereits in Schulen, Einrichtungen der Jugendarbeit und unter jungen Erwachsenen wirkt. Viele Pädagogen sind darauf nicht vorbereitet und erkennen oft nicht, welchen Grad der Indoktrination die Salafisten bei den Jugendlichen bereits erreicht haben."

Johannes Mathes, stellvertretender Geschäftsführer der Caritas-Zentren München

Jugendliche fit machen gegen Fundamentalisten

Derzeit geht der Freistaat einen Weg, der für andere Städte Signalwirkung haben könnte. Das Bayerische Sozialministerium verweist auf BR-Anfrage auf das neue Netzwerk gegen Salafismus. Monatelang haben Justiz-, Innen-, Sozial- und Kultusministerium daran gefeilt.

Teil dieses Netzwerks ist eine Kooperation mit dem Berliner Verein ufuq.de, der eine Zweigstelle in Augsburg eröffnet. Von dort sollen zwei Mitarbeiter durch Bayern reisen und unter anderem in Schulen Workshops anbieten, dort mit Jugendlichen über Auswüchse des Islam sprechen.

Auch kümmert sich ufuq.de um Pädagoginnen und Pädagogen. Für sie hat der Verein in München bereits im März letzten Jahres zwei Workshops veranstaltet. Die Stadt München ist ohnehin sehr interessiert an Aufklärung. Die "Fachstelle für Demokratie - gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit", widmet sich intensiv dem Thema religiöser Extremismus.

Gespräch über Werte in der Gesellschaft

"Jugendliche müssen fundamentalistische Versprechungen durchschauen und eigene Argumente dagegen parat haben," teilt das Sozialministerium mit. Von der Kooperation mit ufuq.de verspricht es sich einiges.

"Eine radikale Ideologie gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und dafür brauchen wir Partner wie ufuq.de. Denn die setzen genau hier an und arbeiten mit Jugendlichen. Sie unterhalten sich über das Thema, wie wollen wir denn leben. Was sind die Werte, die unsere Gesellschaft zusammenhalten?"

Christiane Nischler-Leibl, Ansprechpartnerin vom Sozialministerium für Kooperation mit ufuq.de   

Für religiösen Extremismus, so die Botschaft, ist jedenfalls kein Platz. Die Politik ist gewillt daran zu arbeiten, dass Kinder künftig nicht mehr so schnell auf Facebook-Seiten von Koranverteilern landen und damit als Propagandafutter dienen.

"Extremismus im Schafspelz eines Kinderfotos"

Der "Bund der Katholischen Jugend" (BDKJ) in München ist schockiert vom Bild mit dem Dreijährigen: "Die Tatsache, dass auf einer radikalen Seite Werbung mit dem Bild eines Kindes gemacht wird, widerspricht all unseren Grundsätzen und macht uns fassungslos."

Ebenso entsetzt sind die Grünen.

"Dass hier die Salafisten für ihre extremistischen Positionen werben, finden wir ziemlich entsetzlich. In unserer Gesellschaft ist kein Platz für Extremismus, schon gar nicht im Schafspelz eines Kinderfotos", sagt Heidi Schiller, Vorsitzende der Münchner Grünen.


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