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Oktoberfest-Anschlag Verräterische Flugblätter

34 Jahre nach dem Oktoberfest-Attentat hat ein Opferanwalt neue Zeugenaussagen präsentiert, die die These des Einzeltäters erschüttert. Landespolizeipräsident Wilhelm Schmidbauer bestätigte nun den Eingang der Aussage - und teilte Neues zum ehemaligen Führer der "Wehrsportgruppe Hoffmann" mit.

Von: Ernst Eisenbichler

Stand: 03.10.2014 | Archiv

Oktoberfest während der Trauerfeierlichkeiten 1980 für 24 Stunden unterbrochen | Bild: picture-alliance/dpa

Der Opferanwalt Werner Dietrich hatte die neuen Zeugenaussagen vor einigen Tagen präsentiert. Die zentrale ist die einer Frau, die dem Anwalt zufolge einen Tag nach dem Anschlag von 1980 Flugblätter entdeckte, die darauf hindeuteten, dass Köhler Hintermänner gehabt habe. Die Zeugin hatte damals als Studentin Sprachunterricht in einer Münchner Unterkunft für Aussiedler gegeben.

Am Tag nach dem Attentat habe sie im Schrank eines Schülers, eines bekennenden Rechtsextremen, Waffen und Flugblätter entdeckt, die einen lobenden Nachruf auf den Attentäter Gundolf Köhler enthielten. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Polizei den Namen Köhlers noch gar nicht bekanntgegeben. Die Zeugin habe dies damals der Polizei gemeldet, sei aber wieder nach Hause geschickt worden.

Zudem gibt es laut Dietrich drei neue Zeugen, die Köhler vor der Tat mit zwei Männern in Parkas gesehen haben wollen. Köhler habe vor dem Attentat mit den beiden Männern gestritten. Danach seien diese davongelaufen. "Sie müssen etwas miteinander zu tun gehabt haben", so Dietrich. "Keiner geht alleine aufs Oktoberfest, will eine Bombe legen - und streitet sich dann kurz vor der Explosion mit irgendwelchen Gästen, die er nicht kennt." Bereits früher gab es Aussagen von Zeugen, die in dem Auto, in dem Köhler nach München kam, Mitfahrer gesehen haben, die sich gestikulierend unterhielten.

Anzeige des Ex-Führers der "Wehrsportgruppe Hoffmann"

Mitglieder der "Wehrsportgruppe Hoffmann" 1978 auf dem Grundstück von Karl-Heinz Hoffmann in Ermreuth bei Nürnberg

Landespolizeipräsident Schmidbauer bestätigte am 2. Oktober 2014, dass sich die Zeugin, die die Flugblätter entdeckt hatte, gemeldet habe. Außerdem teilte Schmidbauer mit, dass am 1. Januar 2014 bei der Kriminalpolizeiinspektion Bamberg eine Strafanzeige des ehemaligen Führers der "Wehrsportgruppe Hoffmann" gegen eine Privatperson eingegangen sei - wegen des Verdachts des gemeinschaftlichen Mordes in Zusammenhang mit dem Oktoberfest-Attentat. Dahinter könnte allerdings auch eine Racheaktion von Karl-Heinz Hoffmann gegen seinen ehemaligen Mitstreiter stecken, denn der soll als V-Mann für den Verfassungsschutz gearbeitet haben. Schmidbauer sagte dazu lediglich, die Ermittler hätten bislang "keine Hinweise".

Das Attentat 1980

Attentäter Gundolf Köhler, 21-jähriger Student mit Kontakten in die rechtsextreme Szene

Am 26. September 1980 hatte die Wiesn um 22.19 Uhr ein jähes Ende gefunden. Mit einem fürchterlichen Knall explodierte beim Haupteingang eine Bombe. Wo zuvor noch Hunderte Besucher die Theresienwiese verlassen hatten, lagen plötzlich Tote und Verstümmelte, Verletzte schrieen um Hilfe. In einem Umkreis von 30 Metern gab es 211 Verletzte und 13 Tote. Unter ihnen auch der Attentäter selbst: der 21-jährige Geologiestudent Gundolf Wilfried Köhler aus Donaueschingen, der gerade durch eine Prüfung gefallen und früher Anhänger der neonazistischen, kurz zuvor verbotenen "Wehrsportgruppe Hoffmann" gewesen war. Viele Opfer wurden mehrfach operiert und blieben doch für den Rest ihres Lebens gezeichnet.

Die Bombe aus dem Papierkorb

Kurz nach der Explosion: Feuerwehr und Festbesucher kümmern sich um einen Verletzten.

Die Bombe mit fast 1,5 Kilogramm TNT hatte Köhler in einem Abfalleimer platziert, der an einem Verkehrsschild beim Haupteingang befestigt war - Grund dafür, dass es seither keine Papierkörbe mehr auf der Wiesn gibt. Das Oktoberfest wurde unterbrochen - für einen Tag.

Verwirrter Einzeltäter oder vernetzter Rechtsterrorist?

Wer ist verantwortlich für den schwersten Terrorakt der deutschen Nachkriegsgeschichte? Eine zeitweise 100 Beamte umfassende Sonderkommission zum Wiesn-Attentat befragte 1.800 Zeugen, kam aber zu keinem weiter reichenden Tatverdacht. Die Bundesanwaltschaft legte den Fall nach zwei Jahren zu den Akten. Köhler sei ein von einer Persönlichkeitskrise und Unzufriedenheit mit dem System getriebener Einzeltäter, lautete die Begründung.

Der Experte spricht

Ulrich Chaussy | Bild: BR/Gerhard Blank zum Audio Ulrich Chaussy über den Anschlag "Neonazis schon zuvor im Visier der Ermittler"

Till Seiler im Gespräch mit dem BR-Journalisten Ulrich Chaussy, der sich jahrzehntelang mit dem Oktoberfest-Attentat beschäftigt hat. [mehr]

Offizielle Version ist immer noch, dass Köhler als Einzeltäter die Bombe zündete. Bis heute gibt es jedoch Zweifel, ob er den Anschlag tatsächlich allein geplant und begangen hat. Opfer-Angehörige vermuten, dass Rechtsterroristen hinter dem Terrorakt standen. Sie werden vom Münchner Anwalt Werner Dietrich vertreten. Er und der BR-Journalist Ulrich Chaussy hatten von Anfang an Zweifel an der Einzeltäter-Theorie. Beide ermittelten auf eigene Faust zusammen. Chaussy sprach mit Zeugen, stieß auf Ungereimtheiten und erhielt von einem anonymen Informanten entscheidende Hinweise.

SPD will neue Ermittlungen durchsetzen

Die von Werner Dietrich präsentierten Aussagen sind in einem Wiederaufnahmeantrag enthalten, den der Anwalt nach eigenen Angaben bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe eingereicht hat. Es sei sein vierter nach 1983, 1984 und 2008. Die Bundesanwaltschaft bestätigte den Eingang. Der Generalbundesanwalt gehe nach wie vor allen Hinweisen nach, die eine förmliche Wiederaufnahme der Ermittlungen begründen könnten, teilte die Behörde mit. Unter anderem seien von Dezember 2009 bis März 2010 und im November 2010 Stasi-Unterlagen eingehend gesichtet worden. Zudem seien zwei ehemalige hochrangige MfS-Offiziere und eine ehemalige Angehörige rechtsextremistischer Kreise befragt worden. "Tragfähige neue Ermittlungsansätze im Hinblick auf den Oktoberfestanschlag haben sich daraus nicht ergeben", hieß es von der Behörde.

Die bayerische SPD forderte neue Ermittlungen. Notfalls müsse Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) eine Wiederaufnahme durch den Generalbundesanwalt anordnen, sagte SPD-Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher. Maas' Staatssekretär Ulrich Kelber habe ihm bei einem Gespräch in Berlin bereits "signalisiert, dass er unsere Forderung sehr ernst nimmt und eingehend prüfen wird". Rinderspacher sagte, es gebe genügend sehr relevante Hinweise, dass die Einzeltätertheorie keinen Bestand haben könne. Deshalb halte die SPD die Wiederaufnahme der Ermittlungen für nötig. Die Grünen fordern dies schon lange.

Ermittlungen zu früh abgeschlossen?

Unter Erfolgsdruck: der damalige bayerische Ministerpräsident und Unions-Kanzlerkandidat Franz Josef Strauß

Hinterbliebene und Überlebende erheben bis heute Vorwürfe: Ministerpräsident Franz Josef Strauß (CSU) - in jenen Wochen Kanzlerkandidat der Union - hatte die Gefährlichkeit der rechtsextremen "Wehrsportgruppe Hoffmann" zuvor heruntergespielt und ihr Verbot durch Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) kritisiert. Strauß waren Ermittlungen in Richtung Rechtsextremismus kurz vor der Bundestagswahl nicht opportun. Jetzt brauchte die bayerische Polizei einen schnellen Erfolg. Wurden die Ermittlungen zu früh abgeschlossen? Der damalige Leiter der Mordkommission, Josef Ottowitz, sieht das anders: "Wo nichts ist, kann man auch nichts finden", meint er und vertritt damit die These vom Einzeltäter.

Mahnmal erinnert an die Opfer

Seit dem ersten Jahrestag des Attentats erinnerte eine bronzene Stele des Laufener Bildhauers Friedrich Koller an die Opfer. Der Künstler hat 2008 das Denkmal neu gestaltet. Alle früheren Versuche, das Mahnmal im Wiesngetümmel zu schützen, waren fehlgeschlagen. Lieferwagen und Betrunkene hatten die Stele beschädigt. Ein Podest, eine Steinwand und ein eingezäuntes Blumenbeet sollten Sicherheitsabstand schaffen - ohne Erfolg. Das Beet wurde als Mülleimer benutzt.

Mahnmal für die Opfer des Oktoberfest-Attentats am Eingang der Wiesn

Um die Würde der Gedenkstätte am Haupteingang wiederzustellen, wurde nach viel Hin und Her im Rathaus Koller mit der Überarbeitung beauftragt. Vom alten Ensemble ist nur die Stele übriggeblieben - und mit ihr die Inschrift zum Gedenken an die Opfer. Eine rostige, durchlöcherte Stahlwand um die Stele herum wirkt wie von einer Explosion zerfetzt. In den Boden sind 13 Stahlsplitter eingearbeitet, für jedes Todesopfer einer. "Dieser Mantel aus Stahl ist Metapher für Schutz, ja für Demokratie", erläutert der Künstler, "dieser Mantel wurde verletzt, er zeigt die Wunden."

Rechte Gewalttaten in Bayern


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Herbert, Montag, 06.Oktober 2014, 08:40 Uhr

2.

(Immer noch) auf dem rechten Auge blind?!

Für das Attentat 1980 bin ich zu jung.... Allerdings fallen die Parallelen zum NSU Prozess auf.
Ganz nach dem Motto von Herrn Ottowitz: Wo nichts ist kann man auch nichts finden....
Wir haben einen Täter(in) und gut ist. Der Rest interessiert uns nicht.

Ketzerlehrling, Samstag, 04.Oktober 2014, 20:20 Uhr

1. Attentat

Es ist für mich immer wieder verblüffend, an was sich Leute nach so langer Zeit angeblich erinnern. Sie müssen ja ein Elefantengedächtnis haben. Allerdings sind Flugblätter schon etwas, das man nicht so schnell vergisst. Wenn man die Studentin damals tatsächlich nach Hause geschickt hat, ist es ein grobes Versäumnis gewesen und unentschuldbar. Da kommt so ein dummes Mädchen daher und macht sich wichtig und pfuscht den gestandenen Kerlen in ihre Arbeit rein. Trotz allem bleibt ein etwas fader Nachgeschmack, dass jetzt jeder auf den rechten Zug aufspringt und Dinge erinnert und weiss, die 35 Jahre lang vergessen waren.