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Namensdiskussion in Regensburg Empfehlung des Kultusministeriums wird umgesetzt

Als Oberbürgermeister war Hans Herrmann Regensburg viele Jahre zu Diensten, inwiefern das für den Nationalsozialismus galt, ist umstritten. Deswegen hat sich die nach ihm benannte Grund- und Mittelschule dafür entschieden, den Namen abzulegen.

Von: Anna Hiendlmayer

Stand: 03.12.2014 | Archiv

Im Sommer 1959 stirbt Hans Herrmann mit 70 Jahren an einer Lungen- und Rippenfellentzündung. Als CSU-Oberbürgermeister hatte er in Regensburgs Stadtnorden eine Schule geplant und gebaut. Kurzerhand benennt man die Schule, die nur zehn Tage nach seinem Tod eröffnet wird, nach ihm. Der Maler Albrecht Altdorfer, der eigentlich der Namenspatron der Schule hätte werden sollen, kommt nicht zum Zug.

Grüne beantragen Prüfung der Schulnamen

Heute, beinahe 60 Jahre später, steht Hans Herrmann, Jurist und 17. Bürgermeister Regensburgs noch einmal im Zentrum der Aufmerksamkeit. Der Grund: Auf Antrag der Grünen prüfte das bayerische Kultusministerium Anfang 2013 alle Namensgeber bayerischer Schulen auf deren Verstrickung in den Nationalsozialismus. Die betroffenen Schulen sollten gegebenenfalls Informationen und Hilfestellung zum Umgang damit erhalten.

Wernher-von-Braun-Gymnasium löst Diskussion aus

Anlass für die Debatte um die Rolle eines Namenspatrons für Bildungseinrichtungen war das damalige Wernher-von-Braun-Gymnasium in Friedberg bei Augsburg. Die Schule, die im Laufe der Jahre oft schon über ihren Namen diskutiert hatte, wollte anlässlich des 100. Geburtstages des Wissenschaftlers ein Symposium zum Thema "Was kostet der Mond? Wernher von Braun und die ethische Dimension der Wissenschaft" veranstalten. Am Ende der darauffolgenden, breiten Diskussion in den Medien änderte die Schule schließlich - entgegen ihrem vorangegangenen Entschluss, die Namensgebung als "pädagogische Herausforderung" zu sehen - den Namen.

Kultusministerium: Fünf Schulen sollen Namenspatron überprüfen

Kultusminister Ludwig Spaenle hat selbst Geschichte studiert.

Die Prüfung des Kultusministeriums ergab insgesamt drei Persönlichkeiten und fünf Schulen, denen das Ministerium empfahl, ihren Namenspatron kritisch zu hinterfragen. Neben dem Wernher-von-Braun-Gymnasium waren das auch drei Schulen, die nach Erwin Lesch - einem Lehrer, der eng mit den Nationalsozislisten zusammenarbeitete - benannt waren und Regensburgs Hans-Herrmann-Grund- und Mittelschule. Als wichtiges Kriterium für das Kultusministerium galt dabei, ob die Person sich nach 1945 reuig oder selbstkritisch gezeigt hatte. Dies schien dem Ministerium im Falle Hans Herrmann nicht der Fall gewesen zu sein, legte sie der Schule doch nahe "in einen intensiven Meinungsbildungsprozess einzutreten, ob angesichts der so gegebenen Lage nicht die Aufgabe des jeweiligen Namensgebers angezeigt ist." (aus dem Bericht des Kultusministeriums)

Aus dem Kultusministerium selbst, dessen oberster Chef Ludwig Spaenle (CSU), selbst studierter Historiker ist, kommt folgende Einschätzung:

Hans Herrmann - Auszug aus dem Bericht des Kultusministeriums

Hans Herrmann, geb. 1889, machte in den 1920er Jahren Karriere in der Bayerischen Volkspartei, wurde 1925 zweiter rechtskundiger Bürgermeister in Regensburg, behielt diese Funktion auch während der Zeit der NS-Diktatur bei, nach 1945 war er in der CSU tätig, Mitglied des Bayerischen Landtags von 1954 bis 1958, Oberbürgermeister von Regensburg von 1952 bis 1959. Für ihn spricht die Beteiligung am demokratischen Wiederaufbau nach 1945 an exponierter Stelle. Gegen ihn spricht die Kontinuität in seiner amtlichen Tätigkeit ab 1933, darunter 1935 Beitritt in die NSDAP, ab 1936 als förderndes Mitglied in der SS. Bei der Entnazifizierung ursprünglich als "belastet" eingestuft, konnte er schließlich die Einstufung als "Mitläufer" erreichen. Das zentrale, in Fällen dieser Provenienz vielfach in Anspruch genommene Argument, es sei darum gegangen, Schlimmeres zu verhindern, wird im Blick auf eine so hohe Funktion im Kontext des NS-Regimes, hier insbesondere auch auf die Rolle bei der "Arisierung" von jüdischem Eigentum, brüchig.

Den kompletten Bericht des Kultusministeriums zum Nachlesen:

Zur Namensgebung von Schulen Format: PDF Größe: 31,64 KB

Schule sollte selbst entscheiden

Die Reaktion der Stadtratsfraktionen auf diesen Hinweis war eindeutig: SPD und CSU waren für eine Umbenennung der Schule. Trotzdem wollte man nicht über deren Kopf hinweg entscheiden. Man einigte sich im September 2013 darauf, der Schule genügend Zeit für einen umfangreichen Meinungsbildungsprozess zu geben und sich dann nach dem Votum der Schulfamilie zu richten.

Stadt ließ Stellungnahme verfassen

Anfang 2014 - kurz vor dem Ende der Amtszeit von Oberbürgermeister Hans Schaidinger (CSU) - wurde ein historisches Gutachten in Auftrag gegeben. Stadtheimatpfleger Dr. Werner Chrobak und Professor Bernhard Löffler vom Institut für Bayerische Landesgeschichte an der Universität Regensburg sollten eine Diskussionsgrundlage schaffen. Diese wurde im September 2014 fertig.

Gutachten der Stadt zu Hans Herrmann Format: PDF Größe: 356,62 KB

Die Stellungnahme betont, "den gegenwärtigen Kenntnisstand zu resümieren, basiert aber nicht auf eigenen tiefer gründenden Forschungen zum Thema und versteht sich daher eher als Diskussionsbeitrag, mit Engagement und gewissenhaft verfasst zwar, aber durchaus vorläufig und skizzenhaft." Ihr Rat an die Schule bildet den Abschluss der Stellungnahme:

"Für den Historiker ist Herrmann gewissermaßen ein „normaler“ Strukturtyp, wie er oft und in vielen vergleichbaren Städten zu greifen ist, mit einem durchaus gängigen Mischungsverhältnis von Hell und Dunkel, Positiv und Negativ. Die Frage wird vermutlich sein, ob sich eine pädagogische Erziehungsanstalt den Namen einer Persönlichkeit mit vielen Graustufen und auch Schattenseiten gibt und sich damit an der Normalität eines komplizierten Lebens orientiert, oder ob man sich programmatisch ein möglichst makelloses Vorbild schaffen und eine Lichtgestalt wählen will."

Dr. Werner Chrobak und Professor Dr. Bernhard Löffler in 'Stellungnahme zu Hans Herrmann'

Eindeutige Entscheidung des Schulforums

An die Schulen schließt direkt der Hans-Herrmann-Park an.

Im Vorfeld der Abstimmung hatten sich alle Mitglieder der Schulfamilie - Rektor, Lehrer, Eltern und Schüler - intensiv mit dem umstrittenen Namengeber beschäftigt. Die Sitzung des Schulforums, bestehend aus drei Schülern, drei Lehrern, drei Eltern, dem Rektor der Schule und Oberbürgermeister Joachim Wolbergs, geht eindeutig zu Ende: Man will die Schule umbenennen. Weil die Stadt Regensburg die Entscheidung der Schulfamilie überlassen wollte, hatte Wolbergs seine Stimme als letzter abgegeben. Die Stadt will nach dieser Entscheidung jetzt auch den gleichnamigen Park umbenennen und Hans Herrmann aus der Liste der Ehrenbürger Regensburgs streichen.

Stadtrat löscht Herrmann aus Ehrenbürger-Liste

Ende Juli 2015 schließlich entschied der Regensburger Stadtrat, Hans Herrmann aus der Liste der Ehrenbürger der Stadt zu streichen. Zudem wurde sein Name aus der Liste der Träger der Silbernen Bürgermedaille entfernt. Auch der einstige Hans-Herrmann-Park wurde in Albert-Schweitzer-Park umbenannt.


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