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Zehn Jahre "Probo Koala" Europas Giftmüll und die Folgen in der Elfenbeinküste

Mitte August 2006: Der Frachter "Probo Koala", beladen mit Hunderten Tonnen hochgiftiger Ölabfälle, wird seine Fracht in Europa nicht los – kurzerhand wird der toxische Brei in der Elfenbeinküste entsorgt. Unter den Folgen leiden die Menschen bis heute.

Von: Alexander Göbel

Stand: 18.08.2016

Der damalige europäoische Umweltminister Stavros Dimas spricht 2006 während einer Inspektion des Tankers "Probo Koala" zu Medienvertretern | Bild: dpa/epa/Toms Kalnins

Wenn es regnet in Akuedo, dann quillt das Gift immer noch an die Oberfläche. Ein dunkler, braun-bläulich schimmernder Brei, der nach Schwefel und faulen Eiern stinkt.  Akuedo ist ein ärmlicher Stadtteil von Abidjan, der Wirtschaftsmetropole der Elfenbeinküste. Schwer sei das Leben hier immer schon gewesen, sagt Anwohner Innocent Kassi. Aber die Nacht des 18. August 2006 habe  alles verändert. Die Nacht, als der Giftmüll aus Europa kam.

"Es war furchtbar. Plötzlich hat es so schlimm gerochen, und bald darauf haben wir keine Luft mehr bekommen, im Haus war es fast unmöglich, zu atmen. Wir sind dann raus auf die Straße, aber da war es noch viel schlimmer. Also sind wir wieder rein und haben durch Stofftücher geatmet, die ganze Nacht, und in großer Angst. Es war furchtbar."

Innocent Kassi

Männer in Schutzanzügen reinigen eine Straße von dem Giftmüll im Dorf Akuedo in der Elfenbeinküste.

Wochenlang war der Frachter Probo Koala, gechartert vom niederländisch-britischen Trafigura-Konzern, im Atlantik herumgeirrt. Seine Ladung –  hochgiftiger Brei aus Reinigungschemikalien, Benzin- und Rohölresten - war er nirgendwo losgeworden. Im Hafen von Abidjan wurden die 600 Tonnen Giftmüll  schließlich in Tankfahrzeuge gepumpt – und heimlich an vielen Stellen der Stadt ausgekippt. Auch in Akuedo. Mindestens 17 Menschen starben sofort, Zehntausende wurden vergiftet.

"Wegen des Giftmülls gab es hier Fehlgeburten, sagt Anwohner Thierry Gohore. Manche Säuglinge haben Missbildungen, und es ist noch immer nicht vorbei. Bis heute leiden wir hier jeden Tag an den Folgen.  Und wir haben nicht das Geld, um hier wegzuziehen."

Thierry Gohore

Zehntausende sind bis heute schwer krank. Recherchen haben ans Licht gebracht, dass offenbar auch die Amsterdamer Führungsspitze des Konzerns in den Giftmüllskandal verstrickt war.

Chronische Atemwegserkrankungen, Hautausschläge und Sehbehinderungen sind in Akuedo seit 2006 ebenso dramatisch angestiegen wie Krebs.  Bis heute hat es noch kein Arzt gewagt, den Zusammenhang mit dem Giftmüll zu beweisen. Die Mediziner hätten Angst vor Klagen durch den Trafigura-Konzern, glaubt Christine Melai. Sie leidet seit damals unter schwerem Hautausschlag und gibt jeden Franc für teure Medikamente aus. Wegen der Schmerzen hat sie ihre Arbeit als Textilverkäuferin aufgeben müssen. Sie gehört zu den rund  30.000 Betroffenen, die damals nach einem Vergleich zwischen der Elfenbeinküste und Trafigura umgerechnet etwa  1000 Euro erhalten hatten. Das Geld ist längst ausgegeben - für die teure Behandlung.

"Diese Entschädigung, das ist doch ein schlechter Witz. Mit Gift kontaminierte Menschen kann man doch nicht mit so einer einmaligen Zahlung abspeisen! Dafür reicht keine Geldsumme der Welt. Ich selbst bin seit 2006 ständig krank!"

Christine Melai

Trafigura-Konzern erzielt Vergleich mit 31.000 Opfern - ohne Anerkennung der Schuld

Experten entfernen hochgiftigen Giftmüll in dem Dorf Akuedo.

Trafigura hat mit  den Anwälten von rund 31.000 Opfern bereits vor Jahren einen millionenschweren Vergleich erzielt und die Aufräumarbeiten unterstützt – wobei das Unternehmen bis heute betont, dies sei kein Schuldeingeständnis. Auf internationalen Druck musste Trafigura damals einen Teil der Kosten für die Entsorgung des Giftmülls übernehmen. 2009 stimmte die Firma einem Entschädigungsvertrag zu – doch gezahlt wurde erst einmal: nichts.  2014 entschied dann ein Gericht in London, dass 5000 weitere Opfer je etwa 1000 Euro Entschädigung erhalten müssten: Noch immer warten die meisten von ihnen auf das Geld. Ebenso war den Trafigura-Opfern ein spezielles Krankenhaus versprochen worden – bis heute wurde nur die alte, kleine Krankenstation in Akuedo etwas aufgehübscht. Trafigura scheint mit dem Giftmüllskandal umzugehen wie mit einem harmlosen Kulanzfall.

"Nach zehn Jahren ist diese ganze Sache noch immer nicht abgeschlossen, klagt Denis Yao, Präsident der Opfervereinigung. Was die Entsorgung betrifft  – da fehlt es an unabhängigen Gutachten, die endlich klären könnten, wie vergiftet Böden und Grundwasser hier noch sind. Außerdem läuft die Entschädigung weiter schleppend. Noch immer ist juristisch niemand direkt verantwortlich für all das, was hier passiert ist!"

Denis Yao, Präsident der Opfervereinigung

Korruption tat ein übriges

Nach zehn Jahren wird weiter darüber spekuliert, ob Trafigura die vom Müll ausgehende Gefahr von Anfang an verheimlicht und Schriftstücke gefälscht hat, um die Schiffsladung nicht im Hafen von Amsterdam, sondern anderswo weit günstiger zu entsorgen. Fest steht: Auch Laurent Gbagbo, damals Präsident der Elfenbeinküste, war in den Skandal verwickelt. Rachel Gogoua aus Akuedo weiß nicht, wohin mit ihrer Wut.

"Trafigura hat viele Leute gekauft, um sie zum Schweigen zu bringen. Die Konzernleitung hat in der Elfenbeinküste damals 150 Millionen Euro für Aufräumarbeiten gezahlt, da haben sich hier viele die Taschen vollgemacht. Natürlich bin ich sehr enttäuscht von meiner korrupten Regierung. Aber eine Firma wie Trafigura, die an die Opfer Almosen verteilt, die keine Schuld eingesteht, die sogar versucht hat, die Berichterstattung über den Fall zu verhindern, solch eine kriminelle Firma ist doch eine Schande für Europa. Wir in Afrika sind keine Müllkippe für den reichen Westen. Die Europäer müssten mal ordentlich aufräumen, damit ihre Unternehmen sich moralisch verhalten."

Rachel Gogoua

Auch wenn inzwischen vor Gericht weitere Entschädigungen erstritten wurden: Viele Opfer in der Elfenbeinküste leiden also weiter. Und der Fall "Probo Koala" bleibt ein Lehrstück für den Umgang des Westens mit der so genannten "Dritten Welt".


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Dieter Weberpals, Mittwoch, 31.August 2016, 10:29 Uhr

3. Antwort und Quellenangabe des Autors?

Ich hätte mich gefreut, wenn der Autor dieses Artikels, Alexander Göbel, sich die Zeit genommen hätte auf meine Frage zu antworten. Gerade zum Thema Ouattara / Gbagbo wurde in den deutschen Medien so vieles an Unwahr- und Halbwahrheiten verbreitet, da wäre eine saubere Berichterstattung nun doch endlich angemessen, also: statt Behauptungen bitte Fakten liefern.

Dieter Weberpals, Mittwoch, 17.August 2016, 12:10 Uhr

2. Giftmüll Elfenbeinküste - Gbagbo

Sie berichten: "Fest steht: Auch Laurent Gbagbo, damals Präsident der Elfenbeinküste, war in den Skandal verwickelt. " Woher haben Sie diese Nachricht? Mir ist bis heute nicht bekannt, dass es auch nur den kleinsten Beweis für dieses Gerücht gibt. Ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren, dann aber bitte mit Quellenangabe - und nicht mit einfach mal so dahin gesagt.

  • Antwort von Der Wütende, Mittwoch, 17.August, 19:32 Uhr

    Ich würde die Verantwortlichen an den gleichen Stellen eingraben
    an denen sie das Gift entsorgt haben.
    So etwas macht mich unendliche wütend!

Juncker, Draghi und andere Wirtschaftsverbrecher, Mittwoch, 17.August 2016, 07:52 Uhr

1.

Typisch korruptes Europa - ja wir hier, die da sich im Wohlstand suhlen, auf Kosten anderer Kontinente. Angefangen mit Juncker, Draghi, Schulz und Konsorten.

  • Antwort von Franz, Mittwoch, 17.August, 11:58 Uhr

    Ich fürchte, die Korruption in Afrika ist um einiges größer als die in Europa.