15

44 Fälle in fünf Wochen Rätselhafte Keuchhusten-Welle im Raum Schongau

Der Landkreis Weilheim-Schongau wird derzeit von einer auffälligen Keuchhusten-Welle heimgesucht. Betroffen sind sowohl Kinder als auch Erwachsene. Der Ursprung der Erkrankungswelle konnte laut Gesundheitsamt bisher noch nicht gefunden werden.

Stand: 05.10.2016

Impfpass | Bild: picture-alliance/dpa

Mittlerweile gibt es laut Weilheimer Gesundheitsamt 44 bestätigte Fälle - und das in nur fünf Wochen. Normal sind in der Region im Durchschnitt elf pro Jahr. Betroffen von der Keuchhusten-Welle sind bisher die Orte Schongau, Schwabsoien und Bernbeuren, wo die meisten Erkrankungen auftraten. Laut Robert-Koch-Institut gibt es inzwischen auch vermehrte Erkrankungen in den angrenzenden Landkreisen Augsburg und Ostallgäu. Drei Babys mussten sogar stationär im Krankenhaus behandelt werden. Bei Säuglingen kann Keuchhusten lebensbedrohlich sein.

Ärzte raten: Impfschutz überprüfen

Karl Breu, Leiter des Weilheimer Gesundheitsamtes, hat keine plausible Erklärung für die Krankheitswelle. "Den Indexfall konnten wir nicht ausfindig machen", so Breu auf BR-Nachfrage. Wer in der Region keinen ausreichenenden Impfschutz gegen Keuchhusten (lat. Pertussis) hat, dem raten Ärtze dringend zu einer Impfung bzw- Auffrischung. Bei vielen Fällen sei es laut Breu so, dass die Betroffenen zwar einmal geimpft wurden, es jedoch versäumt hätten, die Impfung rechtzeitig aufzufrischen. Ärzte in der Region sowie das Gesundheitsamt bieten derzeit gezielt Impfsprechstunden an, um die Vollständigkeit der Impfungen zu überprüfen. Benötigt wird dafür der Impfausweis und die Krankenversicherungskarte.

Hohe Dunkelziffer trotz Meldepflicht

Keuchhusten, auch Pertussis genannt, ist eine durch Bakterien ausgelöste, hochansteckende Infektionskrankheit. Die Krankheit beginnt in der Regel mit leichtem Husten, ähnlich einer Erkältung, der sich allerdings zu starken Hustenanfällen verstärkt und über mehrere Wochen andauert. Nach dem deutschen Infektionsschutzgesetz sind der Verdacht einer Erkrankung, die Erkrankung selbst sowie der labordiagnostische Nachweis meldepflichtig. Experten schätzen die Dunkelziffer der Erkrankungen auf jährlich über 100.000 Fälle. Früher waren fast ausschließlich Säuglinge und Kleinkinder betroffen, inzwischen treten viele Fälle dieser langwierigen Krankheit auch im Erwachsenenalter auf.

Keuchhusten (Pertussis)

Verbreitung

Wie häufig ist Keuchhusten?

Keuchhusten ist weltweit verbreitet und gehört zu den häufigsten Infektionskrankheiten. Alle vier Jahre muss in Deutschland mit einer Keuchhustenepidemie gerechnet werden. Die Krankheit ist meldepflichtig.

Die Ständige Impfkommission (STIKO) sieht eine Grundimmunisierung im Baby-, Kindes-, und Jugendalter vor. Sie rät allen Erwachsenen zu einer Impfung - besonders natürlich denjenigen, die Kontakt zu Säuglingen haben. Dazu zählen Frauen mit Kinderwunsch, enge Kontaktpersonen (Eltern, Geschwister) und Betreuer von Säuglingen (Tagesmütter, Babysitter, Großeltern, Erzieherinnen). Ausdrücklich empfiehlt die STIKO auch Schwangeren zu einer Impfung.

Verlauf

Wie verläuft Keuchhusten?

Nach der Ansteckung dauert es ein bis zwei Wochen, bis sich die ersten Anzeichen von Keuchhusten entwickeln. Verursacht werden diese durch das Keuchhusten-Toxin, das die Bakterien absondern. Die Beschwerden - Schnupfen, tränende Augen, Heiserkeit - sind zunächst sehr unspezifisch und leicht mit einer harmlosen Erkältung zu verwechseln. Fatalerweise ist Keuchhusten genau in dieser Zeit am ansteckendsten. Diese Phase dauert ein bis zwei Wochen.

Symptome

Wie sieht das eigentliche Keuchhustenstadium aus?

Kennzeichnend sind die krampfartigen Hustenanfälle, die mit einem Ziehen enden. Dabei wird Schleim abgesondert, manchmal kommt es auch zum Erbrechen. Zwischen den Hustenanfällen, die vor allem nachts auftreten, können völlig beschwerdefreie Zeiten liegen. Besonders im Säuglingsalter können statt der Hustenanfälle Atemstillstände auftreten. Diese sind lebensbedrohlich und erfordern eine intensivmedizinische Behandlung. Nach vier bis sechs Wochen werden die Hustenanfälle allmählich weniger. Das vollständige Abklingen der Krankheit dauert weitere sechs bis zehn Wochen.

Impfung

Wann sollte geimpft werden?

Geimpft wird ein sogenannter azellulärer Impfstoff, der nur die für den Immunschutz wichtigen Bestandteile der Bakterienzellen enthält. Die Grundimmunisierung erfolgt ab dem zweiten Lebensmonat in drei Impfungen bis zum 12. Lebensmonat. Meist wird ein Sechsfachimpfstoff verwendet gegen Diphtherie, Hepatitis B, Hib (Haemophilus influenzae Typ b), Keuchhusten, Kinderlähmung (Poliomyelitis) und Wundstarrkrampf (Tetanus).

Auffrischung

Wann sollte man auffrischen?

Sowohl nach durchgemachter Krankheit (Schutz: vier bis 20 Jahre) als auch mit Impfung (Schutz: vier bis zwölf Jahre) kann man wieder Keuchhusten bekommen. Ziel der Impfstrategie ist, besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen wie Säuglinge und Kleinkinder zu schützen. Eine erste Auffrischung der Impfung wird von der Ständigen Impfkommission (STIKO) im Alter von fünf bis sechs Jahren in Kombination mit Tetanus und Diphtherie empfohlen, eine zweite zwischen fünf und 16 Jahren. Personen, die Kontakt zu Säuglingen und Kleinkindern haben, sollten die Impfung ebenfalls auffrischen.

Verträglichkeit

Wie verträglich ist die Keuchhusten-Impfung?

Die Verträglichkeit einer Impfung ist abhängig davon, mit welchen anderen Impfstoffen das Serum kombiniert ist. Auch bestehende Krankheiten und die körperliche Verfassung spielen eine Rolle. Grundsätzlich sollten Sie immer mit Ihrem Arzt über mögliche Nebenwirkungen sprechen und mit ihm individuell entscheiden, ob eine Impfung sinnvoll ist und welcher Impfstoff verwendet wird. Für die Grundimmunisierung wird häufig ein Sechsfach-Impfstoff gegen Diphtherie, Hepatitis B, Hib (Haemophilus influenzae Typ b), Keuchhusten, Kinderlähmung (Poliomyelitis) und Wundstarrkrampf (Tetanus) verwendet.


15

Kommentieren

Andrea, Mittwoch, 05.Oktober 2016, 14:46 Uhr

3. Diagnose

Vor knapp 3 Monaten bekam ich heftigen Husten, der anders war, als ich sonstige Bronchitis kenne. Arztbesuch brachte als Ergebnis "Bronchitis" und ein Antibiotikum und 1 Woche Krankschreibung. Nach vier Wochen immer noch dieser anfallsartige Husten mit Würgen und Erbrechen, besonders schlimm nachts. Neuer Arztbesuch bringt als Info, dass "derzeit viele Patienten so eine hartnäckige Bronchitis haben". Gespräche mit Kollegen ergeben, dass viele derzeit andere Familienmitglieder oder Bekannte haben, die "auch so einen langen und "komischen Husten" haben" " wie ich. Ich huste seitdem immer weiter, habe kein besonderes Krankheitsgefühl, nur weiter die plötzlichen Hustenanfälle, die jetzt erst deutl. seltener werden.
Ich lebe und arbeite in Oberbayern. Wunder mich eher, dass jetzt "nur" von Schongau die Rede ist. Kann mir enorme Dunkelziffer vorstellen

Angelika Lemp, Mittwoch, 05.Oktober 2016, 14:00 Uhr

2. Keuchhusten-Impfung

Erwachsene und ältere Kinder und Jugendliche stellen nachweislich das größte Ansteckungsrisiko für Babys und Neugeborene dar, die erst nach dem vollendeten 2. Lebensmonat geimpft werden können. Je mehr Menschen geimpft sind, desto größer ist die Schutzwirkung für alle, auch Ungeimpfte - man spricht dann von Herdenimmunität. Erwachsene können den Check-up 35 nutzen, um ihre Impfungen auf den neuesten Stand zu bringen. Dieser Check-up 35 wird ab dem 35. Lebensjahr alle zwei Jahre von den Gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Übrigens werden auch Impfungen von den Krankenkassen übernommen. Also, warum nicht diese geniale Errungenschaft der Medizin nutzen und sich und andere vor Ansteckung schützen!

Joachim Lepple, Mittwoch, 05.Oktober 2016, 11:45 Uhr

1. Keuchhusten-Auffrischungsimpfung

Selten wird bei Erwachsenen eine Keuchhusten-Erkrankung diagnostiziert. Dabei treten 70 Prozent aller Pertussis-Infektionen bei Erwachsenen auf und das Durchschnittsalter beträgt heute etwa 42 Jahre – noch vor 18 Jahren lautete es 15 Jahre. Erwachsene gelten zudem als häufigste Ansteckungsquelle für noch ungeimpfte Babys und Kleinkinder, bei denen eine Infektion zu lebensbedrohlichem Atemstillstand führen kann. Die STIKO – Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut – empfiehlt daher seit sieben Jahren allen Erwachsenen eine einmalige Auffrischungs-Impfung mit einem Dreifach-Impfstoff, der auch gegen Tetanus und Diphtherie schützt. Mit dieser Empfehlung und den Auffrischungen zwischen dem 5. und 6. sowie zwischen dem 9. und 17. Lebensjahr soll eine hohe Durchimpfungsrate – Herdenimmunität – erreicht werden. Leider ist Insbesondere unter den Erwachsenen ist die Quote der Auffrischungen denkbar schlecht. Sie beträgt nur 7,6 Prozent!