NSU-Prozess


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NSU-Prozess, 373. Verhandlungstag Ende der Beweisaufnahme

Der NSU-Prozess geht auf die Zielgerade – heute hat das am Oberlandesgericht in München die Beweisaufnahme beendet. Morgen beginnen die Plädoyers. Als erstes wird die Bundesanwaltschaft das Wort ergreifen.

Von: Thies Marsen

Stand: 18.07.2017 | Archiv

Blick auf das Strafjustizzentrum an der Nymphenburger Straße in München, in dem sich das Landgericht I befindet. | Bild: picture-alliance/dpa

Die Endphase des NSU-Prozesses ist eingeläutet – nach über 4 Jahren Dauer und mehr als 370 Verhandlungstagen. Einige Nebenklagevertreter wollten zwar noch erreichen, dass das Oberlandesgericht die Schlussvorträgen auf nächste Woche verschiebt, um ihren Mandanten die Teilnahme zu ermöglichen. Doch darauf wollte sich der Strafsenat nicht einlassen - zum Bedauern von Anwältin Seda Baysa, die Angehörige des Nürnberger Mordopfers Enver Şimşek vertritt:

"Der Bruder wird es morgen nicht nach München schaffen, er hat keinen Urlaub bekommen, aber Enver Şimşeks Mutter wird kommen. Für uns war es nicht absehbar, dass morgen schon plädiert wird."

Seda Baysa, Anwältin von Familie Şimşek

Erleichterung bei Verteidigung und Bundesanwaltschaft

Erleichterung dagegen bei Jacob Hösl, Verteidiger des mutmaßlichen NSU-Waffenlieferanten Carsten S. – dem einzigen Angeklagten, der von Anfang an umfassend ausgesagt und Reue gezeigt hat.

"Unser Mandant ist insgesamt froh dass es jetzt zu Ende geht“, so Hösl. „Er will einfach – unabhängig davon, wie das Verfahren ausgeht – eine Perspektive entwickeln und das kann er erst, wenn der Prozess zuende ist."

Jacob Hösl, Verteidiger von Carsten S.

Auch die Bundesanwaltschaft zeigte sich heute erleichtert. Sie wird morgen als erstes plädieren, seit Wochen schon sei man darauf vorbereitet, so Bundesanwalt Herbert Diemer:

"Es ist ein reiner Indizienprozess, wir haben keine Tatzeugen und da müssen die einzelnen Indizien zusammengestezt werden wie ein Puzzle."

Bundesanwalt Herbert Diemer

Die Bundesanwälte haben heute bereits angekündigt, dass sie für ihren Schlussvortrag rund 22 Stunden benötigen werden – also mindestens drei Verhandlungstage. Danach sind die Anwälte der Nebenkläger dran – auch deren Vorträge werden Tage, wenn nicht gar Wochen in Anspruch nehmen.

Urteil voraussichtlich im Frühherbst

Als letztes werden die Verteidiger der fünf Angeklagten plädieren, doch der Vorsitzende Richter Manfred Götzl hat heute bereits durchblicken lassen, dass damit erst nach der Sommerpause zu rechnen ist – also erst Ende August bzw. Anfang September. Danach wird das Oberlandesgericht sein Urteil verkünden. Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe und der mutmaßliche NSU-Waffenbeschaffer Ralf Wohlleben müssen dem Prozessverlauf nach mit langjährigen Haftstrafen rechnen. Weitgehend unklar ist, welches Strafmaß die drei anderen Angeklagten Carsten S, Holger G. und André E. zu erwarten haben.


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