NSU-Prozess


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NSU-Prozess Eine Endphase, die sich ziehen kann

Während der NSU-Bundestagsuntersuchungsausschuss seinen Abschlussbericht vorlegt, schleppt sich der NSU-Prozess Richtung Verfahrensende - laut dem Vorsitzenden Richter Manfred Götzl "befindet er sich in der Endphase". Doch die kann sich ziehen.

Von: Thies Marsen

Stand: 29.06.2017 | Archiv

Schild mit Aufschrift "Angeklagte Zschäpe" | Bild: picture-alliance/dpa

Heute gab es sowohl neue Beweisanträge als auch einen erneuten Befangenheitsantrag gegen den Senat. Insbesondere die Verteidigung des mutmaßlichen NSU-Waffenlieferanten Ralf Wohlleben wird zum Verfahrensende immer aktiver. Kaum ein Prozesstag, an dem die Anwälte nicht neue Anträge stellen, um wahlweise Unschuld und Friedfertigkeit ihres Mandanten zu beweisen oder die Verantwortung für die NSU-Mordserie auf den Verfassungsschutz zu schieben oder gar eine angebliche psychische Erkrankung der beiden NSU-Killer Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nahezulegen.

Bislang hat der 6. Strafsenat die meisten Anträge abgelehnt, so auch heute: Der Senat will, anders als von Wohllebens Anwälten gefordert, kein forensisch-psychiatrisches Gutachten über die beiden toten Terroristen Mundlos und Böhnhardt erstellen lassen. Wohlleben reagierte darauf mit dem x-ten Befangenheitsantrag gegen den gesamten Senat.

Nebenklage kritisiert Ausschuss: Rolle des Verfassungsschutzes unterbelichtet

Am Rande des heutigen Verhandlungstages war auch der Abschlussbericht des NSU-Bundestagsuntersuchungsausschusses in Berlin Thema: Bei den Anwälten der NSU-Opfer stieß er auf ein geteiltes Echo. Der Ausschuss habe einige wichtige Zwischenergebnisse geliefert, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung, die 24 Nebenklage-Vertreter heute veröffentlichten. Insbesondere die Rolle des Verfassungsschutzes bleibe jedoch unterbelichtet.

So habe der Bundestagsausschuss nachgewiesen, dass das NSU-Kerntrio und seine Unterstützer von Geheimdienstspitzeln geradezu umzingelt war und dass die Aktenvernichtung im Bundesamt für Verfassungsschutz, die eine Woche nach der Selbstenttarnung des NSU im November 2011 einsetzte, gezielt erfolgte um die Verbindungen des Dienstes in das NSU-Umfeld zu verschleiern.

Nach Auffassung der Opferanwälte hätten die Morde des NSU verhindert werden können, denn die Geheimdienste hätten, zumindest in den ersten Jahren des Untertauchens, zahlreiche Hinweise gehabt auf den Aufenthaltsort der Terroristen. Bis heute verschleiere der Verfassungsschutz sein Wissen über den NSU und seine Verwicklung in die Affäre. "Die Aufklärung des NSU-Komplexes ist noch lange nicht erreicht und benötigt noch einen langen Atem", so die Nebenklagevertreter.

Der Münchner NSU-Prozess indes wird zur gewünschten Aufklärung der Rolle des Staates wohl nicht mehr allzu viel beitragen. Zuletzt hat das Oberlandesgericht alle Beweisanträge, die den Verfassungsschutz und seine V-Leute in der Neonaziszene betrafen, konsequent abgelehnt. Zwar versuchten Nebenklage und Verteidigung heute nochmals das Verhalten des hessischen Verfassungsschutzmitarbeiters Andreas Temme ins Zentrum zu rücken - Temme war beim Mord an dem Kasseler NSU-Opfer Halit Yozgat am Tatort gewesen. Vermutlich wird das Gericht jedoch auch diese Anträge ablehnen.


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