NSU-Prozess


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NSU-Prozess, 167. Tag Kommt ein Angeklagter frei?

Im Münchner NSU-Prozess muss das Gericht über die Haftentlassung des mitangeklagten Ralf Wohlleben entscheiden. Sein Verteidiger hat dies beantragt. Außerdem sagte ein Ex-V-Mann über den Umgang mit Waffen in der rechten Szene aus.

Von: Mira Barthelmann

Stand: 03.12.2014 | Archiv

Ralf Wohlleben | Bild: picture-alliance/dpa

Der Verteidiger von Ralf Wohlleben stellte heute am Ende der Verhandlung einen Antrag auf Haftentlassung für seinen Mandanten. Die Begründung: Es gebe seit dem vorherigen Antrag keine neuen Belastungsmomente – im Gegenteil. Der dringende Tatverdacht sei daher relativiert worden. Wohlleben sitze nun schon seit drei Jahren in Untersuchungshaft. Und obwohl der Senat zwar fast durchgängig an drei Tagen pro Woche verhandle, gehe das Verfahren nicht mit der gebotenen Beschleunigung voran. „Nach Auffassung der Verteidigung kommt es darauf an, nicht möglichst häufig, sondern entschlossen zu verhandeln.“ Daher sei die U-Haft aufzuheben oder wenigstens gegen Auflagen außer Vollzug zu setzen.

Ex-V-Mann sagt aus

NSU Prozess Gerichtsprotokoll | Bild: BR zum Artikel NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 167. Verhandlungstag, 03.12.2014

Am 167. Verhandlungstag im NSU-Prozess befasst sich das Gericht mit der vom Angeklagten Wohlleben geforderten Entlassung aus der Untersuchungshaft. Und ein ehemaliger V-Mann macht eine Aussage. [mehr]

Im Zeugenstand war heute S., ein ehemaliger V-Mann beim Brandenburger Verfassungsschutz. Er wurde während seiner Haft angeworben. Sein Auftrag: Informationen über das rechtsradikale Netzwerk "Blood- and- Honour" sammeln und weitergeben. Andere Zeugen im NSU-Prozess haben über den V-Mann bereits ausgesagt. Er soll nicht nur ein Mitläufer in der rechten Szene gewesen sein, sondern ein aktives Mitglied, das sogar die Führung übernehmen wollte.

Für die Vernehmung von S. hatte der Senat einen ganzen Tag vorgesehen. Doch dieser reichte nicht aus. Der Ex-V-Mann muss noch einmal zur Vernehmung nach München kommen. S., der Informationen über die rechte Szene in Sachsen sammeln sollte, antwortet mit ruhiger Stimme. Er habe Böhnhardt, Mundlos und die Angeklagte Zschäpe nicht gekannt. In engem, regelmäßigen Kontakt sei er vor allem mit dem Ehepaar P., mit St. und mit W. gestanden.

Das Ehepaar P. hätten einen Szeneladen betrieben in dem einschlägige Tonträger und Kleidung verkauft worden seien. Herr P. habe eine eigene Band gehabt, die rechte Musik spielte. Noch während seiner Freigänge und Hafturlaube hat der Zeuge bereits begonnen seine V-Mann-Tätigkeit auszuführen. Zu dem Ehepaar hatte er als erstes Kontakt knüpfen können. Über sie kam er kurz darauf, zu Beginn der 90er Jahre, an St. und W. heran.

"Absoluter Hardliner-Verband"

Der Zeuge habe in erster Linie das Blood-and-Honour-Netzwerk in Sachsen ausgespäht. "Ich hatte immer das Gefühl, dass W. vor Ort ganz an der Spitze war. Ich denke auch, dass er der aktivste war und die Fäden in der Hand hielt." Bei St. hatte er hingegen den Eindruck, dass er die rechte Hand von W. gewesen sei und ihm zugearbeitet hatte. W. und St. hätten in Sachsen vom Liederabend bis zum Großkonzert alles organisiert. Das Blood-and-Honour-Netzwerk habe sich am rechtesten Rand der Szene bewegt.

"Politisch gesehen war Blood-and-Honour der absolute Hardliner-Verband. Da fanden sich Leute zusammen, die halt neo- und nationalsozialistisch eingestellt waren und daraus auch keinen Hehl gemacht haben."

Zeuge S. im Prozess

Waffen als Statussymbol

Mehrfach fragte der Vorsitzende Richter nach Waffen. Wurden welche beschafft in der Zeit, als S. V-Mann war? Wurden dafür Spenden gesammelt? Wurde er aufgefordert, Waffen zu besorgen? Hier blieben die Antworten unkonkret. Der Zeuge schilderte den Umgang mit Waffen so:

"Waffen waren in der Szene tagesaktuell. Sie wurden verherrlicht, jeder wollte eine habe, jeder hat darüber gesprochen. Das gehörte quasi zum guten Ton in der Szene. Wie ein Statussymbol."

Der Zeuge über den allgemeinen Umgang mit Waffen.

Und immer wieder Erinnerungslücken

Zum eigenen Schutz vermummt - der Ex-V-Mann bei seinem Auftritt in München.

Bereits im letzten Jahr war der Zeuge vom BKA vernommen worden. Die Beamten hatten S. damals einen Vermerk vorgehalten, dass Frau P. drei Leuten ihren Reisepass zur Verfügung stellen wollte. Das habe S. zu seiner Zeit als V-Mann so dem brandenburgischen Verfassungsschutz gemeldet. Heute sagte der Zeuge vor Gericht, dass er sich ohne den Vorhalt bei der Vernehmung von sich aus nicht mehr an die Situation erinnern konnte. Die Information sei eine unter vielen gewesen. Und das Ganze läge nun schon zu lange zurück.


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