NSU-Prozess


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154. Tag im NSU-Prozess Ein einziger Satz als Ausbeute eines Prozesstages

Einen ganzen Tag lang befasste sich heute das Münchner Oberlandesgericht im NSU-Prozess mit einem Ex-Anwalt von Beate Zschäpe im Zusammenhang mit dem Brand der Wohnung des Terrortrios. Die Ausbeute: ein einziger Satz.

Von: Oliver Bendixen

Stand: 23.10.2014 | Archiv

Zwickauer Terrorzelle: Das Haus, in dem die Mitglieder des NSU, Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos, gewohnt hatten, wenige Tage nach der Explosion | Bild: picture-alliance/dpa

An den Anwalt, eigentlich ein Fachmann für Familienrecht, hatte sich Beate Zschäpe gewandt - wenige Stunden, bevor sie sich nach dem Tod der beiden Uwes freiwillig der Polizei stellte. Die hatte ohnehin nach ihr gefahndet, nachdem ihre Zwickauer Wohnung in Flammen aufgegangen war. Laut Anklage hatte Zschäpe selbst dort Feuer gelegt, um Beweismittel in der Wohnung zu vernichten, die jahrelang vom NSU-Trio als konspirativer Unterschlupf genutzt worden war. Die Bundesanwaltschaft wertete dies auch als "versuchten Mord", da es einer anderen Mieterin, einer betagten Dame, erst in letzter Sekunde gelang, aus dem in Flammen stehenden Haus zu entkommen. Die Anwälte der Hauptangeklagten im NSU-Verfahren machen nun geltend, ihre Mandantin habe an derWohnungstür der Rentnerin geklingelt, um die Frau zu warnen. Beweise dafür gibt es aber bisher nicht.  

Ein Tag mit viel Pausen

Eine Entlastung Zschäpes erhoffte sich die Verteidiger-Riege von den Angaben jenes Anwalts, an den sich die Gesuchte zuerst gewandt hatte. Dazu wurde diesem sogar eine "Entbindung" von der anwaltlichen Schweigepflicht erteilt, um ihn im Prozess als Zeugen hören zu können. Dort hätte der Jurist nach den Vorstellungen der Zschäpe-Anwälte aber nur einen einzugen Satz zum Besten geben dürfen. Und der lautete: "Frau Zschäpe hat im Gespräch mit mir vorgetragen, dass sie bei ihrer Nachbarin geläutet hat - um so zu verhindern, dass in dem Haus Menschen verletzt oder getötet werden." Und das bestätigte der Zeuge dann auch. Der Rest des Tages ging einem stundenlangen Geplänkel mit zahllosen Verhandlungspausen dahin. Am Ende drehten sich alle Fragen nur um ein Problem: darf das Gericht und dürfen die Nebenklageanwälte den Zeugen nach den Umständen dieser Mandantenberatung fragen? Und vielleicht sogar, ob Beate Zschäpe noch mehr gesagt hat?

Viele neue Fragezeichen

Ein Antrag folgte dem anderen und es gab Gerichtsbeschlüsse, laute Worte und resigniertes Kopfschütteln auf allen Seiten. Ob der Anwalt im Zeugenstand nun hätte mehr sagen dürfen, blieb am Ende ungeklärt. Genauso die Frage, ob er sich durch weitere Angaben zu Details strafbar machen könnte. Mehr als der eine - schon zitierte - Satz war aus dem Zeugen als Substanz nicht herauszuholen. Er berief sich standhaft  auf seine Schweigepflicht - und das war es. Ob ihm Zschäpe bei dem Überraschungsbesuch in der Kanzlei die Wahrheit gesagt hat, war heute ohnehin nicht zu klären. Was für Zschäpe-Anwalt Wolfgang Stahl am Ende des Prozesstages die "Wende" beim Vorwurf des versuchten Mordes war, erschien den Prozessbeobachtern eher als stattliche Sammlung neuer Fragezeichen.

Der Prozess

Dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) werden unter anderem zehn Morde zur Last gelegt. Opfer waren neun Menschen mit ausländischen Wurzeln und eine Polizistin.


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