NSU-Prozess


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265. Verhandlungstag, 25.2.2016 Hinter Gittern

Alle Versuche der Wohlleben-Verteidiger, ihren Mandanten aus der Untersuchungshaft zu befreien, sind bisher gescheitert. In zwei Tagen hat Wohlleben Geburtstag. Er wird ihn wieder hinter Gittern verbringen. Dann zum fünften Mal.

Von: Mira Barthelmann

Stand: 25.02.2016 | Archiv

Mira Barthelmann | Bild: BR

25 Februar

Donnerstag, 25. Februar 2016

Seit über 50 Monaten sitzt Ralf Wohlleben ohne eine Verurteilung im Gefängnis. Die lange Untersuchungshaft hat bei dem Familienvater Spuren hinterlassen. Er wirkt ermattet, abgemagert, sein Blick oft stoisch. Im Dezember letzten Jahres liest er seine Aussage vom Blatt ab. Er habe mit Konzentrationsproblemen zu kämpfen und stottere gelegentlich aufgrund der langen Haftdauer. Auch die Richter sind sich sehr wohl darüber im Klaren, dass die Untersuchungshaft für die Angeklagten Zschäpe und Wohlleben ein belastender Zustand ist. Der Senat beruft sich immer wieder auf den sogenannten Beschleunigungsgrundsatz, wenn zur Diskussion steht, ob das gesamte Verfahren unterbrochen werden soll. So auch heute.

Verstoß gegen die Aussagefreiheit?

Es liegt nun einmal in der Natur der Sache, dass für einen Strafverteidiger das Wohl seines Mandanten – neben einer sachgerechten Verteidigungsstrategie – höchste Priorität haben muss. Und es ist das gute Recht der Wohlleben-Anwälte, den Fortbestand der Untersuchungshaft anzuzweifeln. Um an dem Zustand etwas zu ändern, müssen sie allerdings glaubhafte, gewichtige Gründe vorbringen. Der letzte Antrag zur Haftentlassung wurde vom Senat abgelehnt. Die Begründung haben die Verteidiger am gestrigen Mittwoch nach der Hauptverhandlung erhalten. Was sie darin lesen, empört sie so sehr, dass sie heute zum wiederholten Mal einen Ablehnungsantrag des gesamten Senats formuliert und verlesen haben. Die Begründung: Die Richter hätten gegen den Grundsatz der Aussagefreiheit des Angeklagten verstoßen, indem sie in ihrer Haftentlassung-Ablehnung geschrieben hatten, dass Wohlleben sich „erst am 251. Verhandlungstag geäußert“ habe.

Will Wohlleben-Verteidigung den Prozess platzen lassen?

„Hier wird ein Popanz aufgeführt und etwas hineininterpretiert“, schimpft Nebenklagevertreter Eberhard Reinecke anschließend. Wohlleben-Verteidiger Olaf Klemke beantragt trotzdem, die Sitzung zu unterbrechen, bis über den Befangenheitsantrag entschieden ist. So etwas kann Tage dauern, denn es muss erst ein anderer Senat zusammenkommen und über die Ablehnung entscheiden. Der Vorsitzende Richter, Manfred Götzl, hat beschlossen, heute trotzdem weiter zu verhandeln. Der Beschleunigungsgrundsatz sei auch jetzt einzuhalten. Dass man bei diesem Mammut-Verfahren überhaupt Begriffe wie „Beschleunigung“ verwendet, wirkt fast schon bizarr. Dafür kann aber das Gericht nichts. Es hat die von der Bundesanwaltschaft vorgeworfenen Straftaten zu verhandeln. Und zwar so, dass ein späteres Urteil revisionsfest ist. Tempo darf dabei keine Rolle spielen. Umso mehr verwundert es, dass die Wohlleben-Verteidiger ihren Mandanten zwar einerseits so schnell wie möglich aus der U-Haft befreien wollen, andererseits aber alles dafür tun, den seit über drei Jahren amtierenden Senat abzusetzen. Das gesamte Verfahren würde platzen. Und Ralf Wohlleben? Er müsste mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einen neuen Prozess warten – und zwar hinter Gittern.


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