NSU-Prozess


2

264. Tag im NSU-Prozess Wohlleben stellt neuen Befangenheitsantrag

Erst vorgestern ist der letzte Befangenheitsantrag der Verteidigung Wohlleben abgelehnt worden, heute hat sein Anwalt nachgelegt und im Namen seines Mandanten erneut einen Ablehnungsantrag gegen den kompletten Strafsenat des Oberlandesgerichts gestellt. Die für den Vormittag geladenen Zeugen, die zu mehrere Raubüberfallen des NSU aussagen sollten, konnten deshalb erst am Nachmittag befragt werden.

Von: Thies Marsen

Stand: 24.02.2016 | Archiv

Die Angeklagte Beate Zschäpe (l) betritt am 24.02.2016 im Oberlandesgericht in München (Bayern) den Gerichtssaal. Vor dem Oberlandesgericht wurde der Prozess um die Morde und Terroranschläge des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) fortgesetzt. | Bild: dpa-Bildfunk/Tobias Hase

Der Hintergrund des erneuten Vorstoßes der Wohlleben-Verteidigung: Das Oberlandesgericht hat es zum wiederholten Male abgelehnt, den Haftbefehl Wohllebens aufzuheben. Die Begründung des Senats nimmt die Verteidigung des mutmaßlichen NSU-Waffenbeschaffers nun zum Anlass, dem Gericht erneut Befangenheit vorzuwerfen. Rechtsanwalt Olaf Klemke beschuldigte die Richter gar des verfassungswidrigen Verhaltens und der „objektiven Willkür“. Denn am Anfang ihrer Begründung erwähnen die Richter, dass Wohlleben erst  am 251. Verhandlungstag ausgesagt habe.

Nebenklage: Aussagefreiheit verletzt

Die Angeklagte Beate Zschäpe und ihr Anwalt Mathias Grasel-

Klemke beschuldigt den Senat damit den späten Zeitpunkt von Wohllebens in ihre Bewertung einbezogen und damit die Aussagefreiheit seines Mandanten verletzt zu haben.

Zum anderen kritisierte er, dass der Mitangeklagte Carsten Sch., dem dieselben Vergehen vorgeworfen werden wie Wohlleben, nicht inhaftiert sei – der Grund dafür ist freilich, dass Carsten Sch. von Anfang an mit den Ermittlungsbehörden zusammengearbeitet und im Prozess umfassend ausgesagt hat. Er befindet sich deshalb auch im Zeugenschutzprogramm.

Gericht rügt harsche Worte

Vorsitzender Richter Manfred Götzl rügte die Nebenklage.

Nebenklage-Anwalt Eberhard Reinecke kritisierte den Befangenheitsantrag in harschen Worten, für die er anschließend vom Vorsitzenden Richter Manfred Götzl gerügt wurde: Der Antrag beruhe auf einer „vorsätzlich bösartigen Interpretation des Haftbeschlusses“. Das Befangenheitsgesuch entbehre jeder Grundlage.

Das Gericht stellte den Antrag schließlich zurück und setzte die Verhandlung mit der Befragung mehrere Zeugen fort, die zu zwei Raubüberfällen auf Postämter in Chemnitz aussagten, die dem NSU zur Last gelegt werden. Dabei handelt es sich mutmaßlich um den zweiten und den dritten Raubüberfall von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, verübt innerhalb von drei Wochen im Oktober 1999 in den Filialen Barbarossastraße und Limbacherstraße.

Bankraub, Flucht per Moped

In beiden Fällen waren die Täter maskiert – das eine Mal mit Motorrad-Helmen, das andere Mal mit dunklen Mützen – und zwangen die weiblichen Angestellten der Filialen mit vorgehaltener Waffe ihnen Geld auszuhändigen. Anschließend flüchteten sie auf einem Moped beziehungsweise einem kleinen Motorrad.

Eine Pistole Ceska 83, 7,65 Browning mit Schalldämpfer, die erste Tatwaffe der sogenannten "Ceska-Mordserie" des NSU.

Einige Betroffene sind von den Ereignissen damals immer noch traumatisiert, so ließen sich zwei für heute geladene Zeugen vor Gericht entschuldigen, unter ihnen eine ehemalige Angestellte, die durch die anstehende Zeugenbefragung offenbar so aufgewühlt war, dass sie sich in psychiatrischer Behandlung begeben hat.


2