NSU-Prozess


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192. Verhandlungstag, 12.03.2015 Wie aus einem Pazifisten ein Neonazi wurde

Sie waren beste Freunde, drückten gemeinsam die Schulbank ab der ersten Klasse, hingen zeitweise jeden Tag zusammen, machten Fahrradtouren und auch mal durchaus gefährlichen Unsinn wie Sprengversuche mit Haarspraydosen. Doch während aus dem einen ein ganz normaler kaufmännischer Angestellter wurde, wurde aus dem anderen ein Neonazi-Terrorist und Mörder. Am 192.Verhandlungstag hat ein Kinder- und Jugendfreund von Uwe Mundlos ausgesagt und interessante Einblicke in den Werdegang des NSU-Terroristen geboten.

Von: Thies Marsen

Stand: 12.03.2015 | Archiv

Thies Marsen | Bild: BR/Theresa Högner

12 März

Donnerstag, 12. März 2015

Es ist schon verblüffend, wie viel bei Uwe Mundlos schon in der Schulzeit angelegt war, wie viel schon damals darauf hindeutete, welch kriminelle Karriere er später einschlagen würde – und welcher Mittel er sich dabei bedienen würde. Ausführlich hat sein einstiger Schulkamerad heute darüber berichtet und seine Schilderungen klingen durchaus schlüssig. Die Feindschaft gegenüber dem Staat – damals noch die DDR – hat Uwe Mundlos offensichtlich von seinem Vater übernommen. Auch der machte schon zu DDR-Zeiten aus seinem Herzen keine Mördergrube und attackierte den selbsternannten Arbeiter- und Bauernstaat, wo es nur ging und durchaus offen. Sein Sohn tat es ihm nach, trug als klares Zeichen seiner Opposition zum DDR-System erst selbstgestrickte Pullover und lange Haare – und bekam doch schon bald eine braune Schlagseite.

Judenwitze im KZ

Beim Schulbesuch im ehemaligen KZ Buchenwald machte er sich über Juden lustig, fabulierte stundenlang darüber, dass Hitler die Autobahnen gebaut und den Menschen Arbeit gegeben und auch sonst viel Gutes getan habe. Gleichzeitig interessierte er sich schon zu DDR-Zeiten für die bundesdeutsche Terrorgruppe RAF, begeisterte sich fürs konspirative Leben, wusste genau, was man machen musste, um der sogenannten Rasterfahndung zu entgehen.

Auch Waffen interessierten ihn. Als die beiden Schulfreunde nach der Maueröffnung 1989 erstmals in den Westen trampten, um sich im fränkischen Kronach die 100 Euro Begrüßungsgeld abzuholen, gab Mundlos das Geld gleich wieder aus: Um sich ein Klappmesser zu kaufen.

Ein früher Fan von Paulchen Panther

Selbst seine Vorliebe für Paulchen Panther, den die NSU-Terroristen für ihr zynisches Bekennervideo missbrauchten, rührt schon aus der Schulzeit. Die Pink-Panther-Sprüche gehörten bei ihm zum festen Wortschatz. So wie sein damaliger  Schulfreund es schildert, hört sich der Weg des Uwe Mundlos vom Pazifisten zum Neonaziterroristen so stringent, fast folgerichtig an, als ob alles zwangsläufig darauf zulaufen musste. Das ist natürlich Quatsch. Auch für Uwe Mundlos hätte es tausend Gelegenheiten gegeben, einen anderen Weg zu gehen. Er hat es nicht gemacht. Zehn Menschen wurden deshalb ermordet, Dutzende verletzt. Nur weil sie nicht in seine wirre Ideologie passten. Er selbst endete in einem brennenden Campingwagen in Eisenach.

Sein Freund dagegen hatte keinen Bock auf die Rechten. Als Uwe Mundlos neue Clique sich immer weiter radikalisierte, wandte er sich von seinem Freund ab, zog seine Lehre durch, heute ist er Vertriebsstellenleiter. „Er hat mich nicht erwischt mit seinen rechten Parolen“, sagt er heute über Mundlos. „Ich wollte mich davon fernhalten. Ich hab mir das eine Zeitlang angeschaut und dann hatte ich meine eigenen Interessen. Da habe ich Glück gehabt, dass ich da nicht reingerutscht bin.“ Sicher nicht nur Glück, ein bisschen Nachdenken wird schon auch dabei gewesen sein.


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