NSU-Prozess


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169. Verhandlungstag, 10.12.2014 Lehrreich und unterhaltsam

Regelmäßig mischen sich unter die Zuschauer im NSU-Prozess Gruppen von Jurastudenten und -studentinnen. So auch heute. Und sie hatten sich einen perfekten Tag ausgesucht. Denn für angehende Juristen gab es reichlich Anschauungsmaterial aus der Praxis.

Von: Thies Marsen

Stand: 10.12.2014 | Archiv

NSU-Prozess: Gerichtssaal und Zuschauertribüne | Bild: picture-alliance/dpa

10 Dezember

Mittwoch, 10. Dezember 2014

Eigentlich sollte ja heute eine Zeugin aus der Chemnitzer Neonazi-Szene der 90er Jahre im Mittelpunkt stehen. Doch die geriet fast zur Nebenfigur. Denn vor allem lieferten sich heute die Prozessbeteiligten heftigste Scharmützel - wobei die Fronten wild durcheinander gerieten: Verteidigung gegen Nebenklage, Nebenklage gegen Bundesanwaltschaft, Richter gegen Verteidiger, Richter gegen Nebenklage. Immer wieder wurde es laut, immer wieder musste die Zeugin den Verhandlungssaal verlassen, um von den juristischen Disputen der Beteiligten nichts mitzubekommen. Immer wieder wurde der Prozess unterbrochen, weil die Richter einen Beschluss darüber fassen mussten, ob eine Frage nun zulässig ist oder nicht.

Was darf gefragt werden in einem Strafverfahren? Und was nicht? Wie darf gefragt werden? Und wie nicht? Wie oft darf etwas gefragt werden? Darf der Richter einem Prozessbeteiligten helfen, eine falsch gestellte Frage richtig zu formulieren?

Über all das wurde heute ausgiebig debattiert und gestritten. Für angehende Juristen hoch interessant.

Gemeinheiten und andere Irritationen

Und gleichzeitig konnten die Jurastudenten auch lernen, wie man in einem Verfahren so nebenbei ein paar Gemeinheiten gegenüber anderen Prozessbeteiligten los wird: Da petzt ein Verteidiger beim Richter aus der Pausenplauderei mit einem Nebenklägeranwalt, woraufhin der Opferanwalt ankündigt, in Zukunft eben kein Wort mehr mit der Verteidigung wechseln zu wollen. Da lässt der Bundesanwalt in einem Nebensatz fallen, dass es unter den Nebenklägern nicht nur "echte" Opfer, sondern auch "politische" Opfer gebe, die den Prozess wohl eher für anderes nutzen wollten als für Aufklärung. Woraufhin ein Opferanwalt mit dem Satz kontert: Bei dieser Bundesanwaltschaft müsse sich kein lügender Neonazi-Zeuge Sorgen machen, strafverfolgt zu werden. Da lässt eine anderen Opferanwältin nebenbei fallen, wie verwundert sie in letzter Zeit über das scheinbare Übereinstimmen zwischen Bundesanwaltschaft und Verteidigung sei - usw. usf.

Ob das alles der Wahrheitsfindung dient, bleibt fraglich - unterhaltsam und lehrreich war's heute in jedem Fall. Und das nicht nur für Jurastudenten, sondern auch für Gerichtsreporter.


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