NSU-Prozess


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Tagebuch der Gerichtsreporter Der 39. Verhandlungstag

Immer wieder verblüffen und treffen die Aussagen von Zeugen auch die Zuschauer im Gerichtssaal. Und immer wieder sucht man vergebens wenigstens ein Wort des Bedauerns.

Von: Tim Aßmann

Stand: 25.09.2013 | Archiv

Tim Aßmann | Bild: BR

25 September

Mittwoch, 25. September 2013

Wenn im NSU-Prozess Polizisten aussagen, die in einem oder mehreren der Mordfälle ermittelten bleibt man als Zuhörer immer wieder verblüfft und auch betroffen zurück. Im Zeugenstand heute: ein 63 Jahre alter ehemaliger Kripobeamter aus Kassel. Er berichtete von den Ermittlungen im Fall Halit Yozgat. Der 21 Jahre alte Betreiber eines Internet-Cafes wurde am sechsten April 2006 erschossen. Der Ex-Polizist erzählte nun von dem engen und nach seiner Ansicht sehr guten Kontakt zur Familie des Opfers. Bei der Suche nach den Tätern habe man an einem Strang gezogen. Die Familie Yozgat sei sehr kooperativ gewesen. Der ehemalige Polizist sagte über die türkischstämmige Familie auch: "Sie waren zwar gläubige Muslime aber westlich orientiert. Ich möchte sagen, dass sie sich in unser Wertesystem sehr gut integriert haben."

Vorurteile bei der Polizei?

Was wollte der Zeuge den Prozessbeteiligten damit sagen? Und was sagt das möglicherweise über das Bild aus, dass er von Türken hat? Das auch ein verdeckter Ermittler im Umfeld der Familie eingesetzt wurde und es eine Telefonüberwachung gab, sagte der Zeuge erst auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters. Ein Anwalt der Familie Yozgat konfrontierte ihn dann mit dem Vermerk eines türkischstämmigen hessischen Polizisten. Der hatte mit dem Vater des Mordopfers gesprochen und der wiederum hatte sich über die Ermittlungen bitter beschwert. Die Polizei sei auf dem falschen Weg und solle aufhören gegen die Familie zu ermitteln, habe Ismail Yozgat ihm gesagt vermerkte der türkischstämmige Beamte. Außerdem sei sich Vater Yozgat sicher, dass sein Sohn aufgrund von Ausländerfeindlichkeit sterben musste. Ihm habe der Vater des Mordopfers das so nicht gesagt erklärte der Ex-Ermittler nun im Zeugenstand und auf die Frage ob denn konkret wegen eines fremdenfeindlichen Hintergrundes ermittelt wurde, blieb er im Vagen. Ein Wort des Bedauerns darüber, dass in die falsche Richtung ermittelt und der NSU nicht entdeckt wurde fand auch er nicht. Am Montag kommt Ismail Yozgat selbst als Zeuge zum Prozess nach München.


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