NSU-Prozess


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Tagebuch der Gerichtsreporter Regelrechte Hinrichtung

Am Beispiel des Münchner Mordopfers Habil Kilic hat sich am 30. Verhandlungstag im NSU-Prozess wieder einmal gezeigt, wie brutal die mutmaßlichen Täter vorgegangen waren - aber auch, wie schwierig die Arbeit der Ermittler angesichts veränderlicher Erinnerungen bei Zeugen sein kann.

Von: Alf Meier

Stand: 31.07.2013 | Archiv

Alf Meier | Bild: BR

31 Juli

Mittwoch, 31. Juli 2013

Es war der vierte Mord des NSU. Nach den Erkenntnissen der Ermittler haben Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt den Münchner Lebensmittelhändler Habil Kilic am 29. August 2001 in seinem Geschäft in München-Ramersdorf erschossen. Fünf Zeugen wurden zu diesem Tatkomplex heute vernommen. Sie sollten dazu beitragen, die Umstände des Mordes weiter aufzuklären und schilderten grausame Details.

Die Tat war demnach eine regelrechte Hinrichtung. Die Terroristen benutzten vermutlich eine Pistole mit Schalldämpfer, die auch während der Schüsse in einer Plastiktüte steckte, sagte ein Waffentechniker der Polizei. Patronenhülsen seien am Tatort nicht gefunden worden.

"Geräusch wie von einer Kaffeemaschine"

Zweimal schossen die Täter Kilic in den Kopf. Eine Türkin beschrieb, wie sie das Opfer unmittelbar nach der Tat aufgefunden hatte. Kilic sei in einer großen Blutlache gelegen, sagte die Zeugin, sie habe seinen Namen gerufen, doch aus seinem Mund sei nur ein blubberndes Geräusch gekommen, wie von einer Kaffeemaschine. Kurz darauf muss Kilic tot gewesen sein. Ein Rechtsmediziner erklärte heute, dass der Lebensmittelhändler nach den Schüssen maximal wenige Minuten überlebt haben könne.

Veränderliche Erinnerung

Der 30. Verhandlungstag zeigte aber nicht nur die Brutalität und Skrupellosigkeit der Täter, sondern auch, wie sich Zeugenaussagen im Laufe der Zeit verändern können. Eine Frau, die in unmittelbarer Nähe des Tatorts wohnt, hatte am Tag des Mordes zwei Radfahrer beobachtet, möglicherweise Böhnhardt und Mundlos. In der ersten Vernehmung durch die Polizei hatte die Frau die Männer als Türken beschrieben, in einer weiteren Vernehmung als Westeuropäer. Heute war sich die Zeugin sicher: Die Radfahrer sahen aus wie Osteuropäer.


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