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Eine Frage der Verantwortung Minderheitsregierung: Mehrheit "on demand"

Kanzler ohne Mehrheit – neben der Großen Koalition eine Option auf der Suche nach einer künftigen Bundesregierung. Eine dauerhafte Minderheitsregierung im Bund wäre neu. Sie muss sich bei Gesetzesvorhaben die Mehrheiten immer wieder neu organisieren. Das stärkt die Verantwortung der Parteien.

Von: Jürgen P. Lang

Stand: 25.11.2017 | Archiv

Der Reichstag in Berlin | Bild: pa / dpa

Minderheitsregierungen gab es in Deutschland bereits viele, fast alle auf Landesebene. Die meisten waren kurzlebig, unfreiwillig und gerieten schnell in Vergessenheit: Ein Koalitionspartner war ausgestiegen, Angeordnete hatten die Fraktion gewechselt – oder der Landtag wählte überraschend einen Kandidaten der Opposition zum Ministerpräsidenten. Letzteres war 1976 in Niedersachen der Fall, als der CDU-Politiker Ernst Albrecht mit Stimmen der sozialliberalen Koalition Regierungschef wurde.

Höppners "Tabubruch“

Die wohl bekannteste Minderheitsregierung währte allerdings acht Jahre – von 1994 bis 2002. Ihr Chef, Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reinhard Höppner, sollte später von ihr sagen, sie sei stabiler gewesen als manche Koalition. Der Sozialdemokrat ließ ich von der PDS tolerieren. Dass Höppner die Nachfolgepartei der SED von der Regierungsbank fernhielt, milderte den Tabubruch, den damals viele in dem Pakt sahen.

Das "Magdeburger Modell" könnte sich als lehrreich für eine Minderheitsregierung im Bund erweisen: Gesetze mussten vorher mit der PDS abgestimmt werden. Irgendwie befand man sich ständig in "Koalitionsverhandlungen". Höppner hatte leichtes Spiel: Die auf Reputation bedachte PDS wagte es nicht, die Regierung ins Messer laufen zu lassen. Auch dann nicht, als die SPD die CDU als Mehrheitsbeschaffer gewann.

Parteien in der Verantwortung

Auf einen so treuen Partner im Dauerduldungsmodus kann eine künftige Minderheitsregierung im Bund wohl nicht hoffen: Sie muss sich darauf einstellen, wechselnde Mehrheiten zu finden. Das kann auf ein permanentes Geschacher um Zustimmung und Belohnung hinauslaufen und am Ende die Effizienz der Regierungsarbeit beeinträchtigen. Das ist ein Nachteil.

Der Vorteil: Eine Minderheitsregierung nimmt die Nicht-Regierungsparteien in die Pflicht. Sie müssen von Fall zu Fall entscheiden, ob sie mit der Regierung ein Ergebnis anstreben oder nicht. Flexibilität statt Parteiräson und Parlamentsroutine: Das fördert die Konzentration auf konkrete Problemlösungen. Wer sich verweigert, kann sich nicht auf eine Oppositionslogik berufen, sondern muss sich die Frage nach der Verantwortung gefallen lassen.

Ungewisse Zukunft

Die klassische Konfrontation zwischen Mehrheitsregierung und Opposition gibt es unter eine Minderheitsregierung nicht mehr. Es sei denn, die Nicht-Regierungsparteien schalten auf Totalblockade – was schnell ein konstruktives Misstrauensvotum gegen die Regierung und Neuwahlen zur Folge hätte. In verfahrenen Situationen wäre der Weg zu diesem Notausgang kurz.

Über Minderheitsregierungen schwebt deshalb das Damoklesschwert einer ungewissen Zukunft. Doch ihr Ende könnte unter anderem so aussehen: Aus einer guten parlamentarischen Zusammenarbeit erwächst doch noch eine regelrechte Koalition. Eine Minderheitsregierung muss keineswegs Instabilität bedeuten.


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Truderinger, Samstag, 25.November 2017, 23:14 Uhr

22.

Wer ernsthaft eine Minderheitsregierung fordert, hat im Grunde nur die Destabilisierung der Demokratie im Sinn. Kein Wunder also, dass insbesondere die AfD-Meute nach dieser "Lösung" lechzt.

  • Antwort von Niederbayer, Sonntag, 26.November, 09:48 Uhr

    @Truderinger: Der Begriff "Meute" wird ausschließlich mit Tieren in Verbindung gebracht. Dass Sie ihn im Zusammenhang mit Menschen verwenden, ja auch die Ihnen verhasste AfD-Mitglieder sind Menschen, lässt schon sehr tief blicken.
    Unabhängig davon, dass Sie sich kategorisch einer sachlichen Diskussion auch hier zum Modell Minderheitsregierung verweigern,disqualifiziert sie dieser Jargon spätestens jetzt.
    Auch wenn ich andere politische Haltungen nicht mag, muss ich Menschen als "Meute" bezeichnen.
    Mehr ist dazu eigentlich nicht mehr zu sagen.

  • Antwort von hasan, Sonntag, 26.November, 11:35 Uhr

    Ich hätte auch eher von Schergen statt Meute geschrieben.
    Oder wollen Sie, Niederbayer, ernsthaft hier bezweifeln, dass diese Dumpf. etwas anderes, als eine Destabilisierung der Demokratie, erreichen wollen. Übrigens, im Nachhinein hat man die Braunhemden auch als Meute bezeichnet.

  • Antwort von latte e mielle, Sonntag, 26.November, 12:18 Uhr

    zur erinnerung: die "schergen","meute","bewegung" sind/ist demokratisch gewählt worden!

    in diesem sinne,demokratie muss vielfalt aushalten - egal welcher couleur!.

Rumsprecher, Samstag, 25.November 2017, 23:07 Uhr

21. Mit AfD will keiner gemeinsame Sache machen

Ist doch nicht so schwer zu verstehen?

Raymond, Samstag, 25.November 2017, 23:02 Uhr

20. Minderheitsregierung besser als GroKO

viele Probleme , die mit SPD nicht möglich waren könnten angegangen werden ..im Bereich , Flüchtlinge wär es sicher
mit Stimmen der AFD eine Mehrheit zu erreichen ..nach dem GROKO Stillstand besser als nichts. ob das allerdings mit der jetzigen Kanzlerin möglich
ist ?

  • Antwort von Nadine, Sonntag, 26.November, 04:07 Uhr

    Im Gegensatz zur AfD scheint Frau Dr. Merkel zumindest das mit dem Christentum verstanden zu haben. Es kann sich kein Mensch auf der Welt aussuchen wo er, sie oder es geboren wird. Dass dort in deren Heimatländer Diktatoren an der Macht sind, dies können Privatpersonen nun einmal nicht ändern. Selbst Journalisten wie in der ARD Mediathek zu sehen ist, werden gnadenlos verfolgt und bedroht. So musste ein Kamerateam Hals über Kopf Saudi-Arabien verlassen, da es versteckt in dem Land drehte. Hier kann man evtl. die Union kritisieren, da diese noch Waffen in das Pulverfass liefert, doch was die Aufnahme der Flüchtlinge betrifft, so ist dies aus humanitärer Sicht, sowie aus der Sicht des Christentum das absolute Notwendigste der Stunde. Natürlich steht da Deutschland in einer besonderen Verantwortung. Menschen in Not hilft man. Punkt.

Oliver M., Samstag, 25.November 2017, 22:32 Uhr

19. Ob sich Frau Merkel eigentlich bewusst ist, dass ...

sie an dem Chaos zu einem nicht unerheblichen Teil mit Schuld ist? Nicht, dass ich per se gegen Merkel wäre. Ich halte sie an sich für eine gute, neutrale, sachlich denkende und diplomatische Kanzlerin - essenziell in der heutigen Zeit. Was mich aber extrem gestört und enttäuscht hat, das war ihre Sturheit bzgl. der Themen Flüchtlinge und Zuwanderung. Und das hat ihr auch eine Menge Stimmen gekostet - und der CSU. Denn CSU wählen heißt Merkel wählen.
Wäre sie nur schon Monate vor den Wahlen zu einer (dynamischen) Obergrenze gestanden, dann wären die Wahlen m.E. um einiges eindeutiger ausgegangen. Eigentlich muss doch auch Frau Merkel - wenn nicht sogar gerade ihr - klar sein, dass wir nicht mehr Menschen aufnehmen dürfen, als unser Arbeitsmarkt und die Sozialsysteme aufnehmen können. Andernfalls kollabiert das System! Und dann hat Europa zudem genug eigene Probleme, als dass wir Zuwanderung brauchen könnten - Armut, Arbeitslosigkeit, Altersarmut, ... Nicht nachvollziehbar!

Maria Walter, Samstag, 25.November 2017, 22:09 Uhr

18. Minderheitsregierung

Die Menschen sind verunsichert, weil sich eine Bundeskanzlerin lieber in Europa beliebt macht und nichts mehr für ihre Bürger tut. Es liegt soviel im Atgen, hier in Deutschland. Ich wäre für eine Minderheitenregierung. Weil dann vielleicht die " Mächtigen" nicht mehr soo mächtig sind. Es gibt mir einfach nur zu denken wenn jemand an der Spitze nicht weiß was in Deutschland eigentlich los ist.