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Koalitionsgipfel im Kanzleramt Fahrplan ohne Flüchtlingsdebatte

Bei ihrem Spitzentreffen im Kanzleramt haben sich die Parteichefs von CDU, CSU und SPD auf einen Fahrplan für noch offene Projekte geeinigt. Den Streit über die Flüchtlingspolitik haben Merkel, Seehofer und Gabriel ausgeklammert.

Von: Janina Lückoff und Arne Meyer-Fünffinger

Stand: 11.09.2016

Von links: Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD, l-r), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)  | Bild: pa/dpa

Zuerst Merkel und Seehofer alleine, dann zu dritt mit Gabriel. Mehrere Stunden saßen die Koalitionsspitzen im Kanzleramt zusammen. Die Ergebnisse: überschaubar und nicht wirklich konkret. Abgesehen von der Flüchtlingspolitik sei über alle Streitpunkte gesprochen worden – Stichwort Neuregelung der Erbschaftssteuer oder die Angleichung der Ost-West-Renten. Im Laufe des Herbstes, so ließen es im beide Seiten durchsickern – wollen Union und SPD an die Arbeit gehen.

Horst Seehofer bei der Pressekonferenz nach dem Abschluss der Klausur in Schwarzenfeld | Bild: picture-alliance/dpa zum Artikel CSU-Vorstand zu Flüchtlingen "Mit Obergrenze schaffen wir es"

Eine Verschärfung der Flüchtlingspolitik und der damit verbundene Streit mit der CDU: Diese Debatten haben das Treffen der CSU in Schwarzenfeld dominiert. Parteichef Seehofer verteidigte zum Abschluss seinen Kurs auch im Interview mit der BR-Rundschau. Von Nikolaus Neumaier [mehr]

Nachdem das Thema Flüchtlingspolitik in der Sommerpause zu heftigen Auseinandersetzungen geführt hat und bis heute führt, ging  es wohl vor allem um Bestandsaufnahme. Wo stehen wir, wo müssen und wollen wir noch hin. Dass die Flüchtlingspolitik bei dem Dreiergespräch ausgespart wurde, zeigt: das zu bohrende Brett ist noch sehr dick. Vor allem die von der CSU geforderte jährliche Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr bleibt strittig – nicht nur innerhalb der Großen Koalition, sondern auch zwischen CDU und CSU. Kanzleramtsminister Peter Altmaier, der auch Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung ist, betonte aber im ARD-Bericht aus Berlin, inzwischen sei die Zahl der Flüchtlinge so stark zurückgegangen, dass sich der Streit über Obergrenzen möglicherweise von selbst erledige.

CSU-Papier befeuert Debatte in der Union

Vor allem in der Union kochte die Diskussion über Flüchtlingspolitik wieder hoch, nach dem schlechten Abschneiden der CDU bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern vor einer Woche; befeuert wurde sie durch die Forderungen nach einem "Klaren Kurs bei der Zuwanderung", wie ein Papier des CSU-Vorstands zum Thema überschrieben ist. Dass es auch noch in anderen Bereichen durchaus Gesprächsbedarf in der Großen Koalition gibt, geht in der öffentlichen Wahrnehmung leicht unter. Die Erbschaftssteuer ist so ein Thema, ebenso die Bund-Länder-Finanzen und die Rente.

ARD und ZDF zusammenlegen?

"Wir sind der Auffassung, dass die Grundversorgung auch von einer Fernsehanstalt geleistet werden könnte": So wird CSU-Chef Seehofer in der "Bild am Sonntag" zitiert. Im neuen Grundsatzprogramm, das im November verabschiedet werden soll, heißt es nach Angaben der Zeitung, langfristig werde die Beseitigung von Doppelstrukturen und die Zusammenlegung von ARD und ZDF unter einem Dach angestrebt. Die Kritik daran kam postwendend: von Journalistenvertretern, der Opposition, aber auch aus den Reihen der Großen Koalition. SPD-Vize Stegner teilte via Twitter mit: "Das kommt davon, wenn man sich von Herrn Orban inspirieren lässt."

Die Reform der Erbschaftssteuer

Erst am Donnerstag hat sich der Vermittlungsausschuss nach kurzen Beratungen darüber vertagt. Bis zum 21. September soll nun eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe nach einem Kompromiss suchen, wie künftige Steuervergünstigungen für Firmenerben aussehen könnten. Laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hätte die Neuregelung schon bis Ende Juni vorliegen müssen, Bund und Länder konnten sich aber nicht einigen. Ende September läuft nun die nächste Frist ab; liegt dann immer noch keine Einigung vor, werden sich die Verfassungsrichter erneut mit der Erbschaftssteuer befassen müssen.

Die Bund-Länder-Finanzen

2019 laufen die Regelungen zum Finanzausgleich und zum Solidarpakt II aus. Die Bundesländer fordern eine radikale Neuordnung des Finanzausgleichs zwischen reichen und armen Ländern; außerdem solle der Bund jährlich rund 9,7 Milliarden Euro zahlen. Ein Vorschlag, den die Bundesregierung ablehnt: Finanzminister Schäuble hat 8,5 Milliarden angeboten; den Vorschlag zur Neuordnung hält er für zu kompliziert und mit dem Grundgesetz kaum vereinbar.

Das Thema Rente

Hier gibt es gleich mehrere Baustellen: Finanzminister Schäuble und Sozialministerin Nahles verhandeln darüber, wie Betriebsrenten steuerlich gefördert werden können. Auch ob die solidarische Lebensleistungsrente, also eine Aufwertung sogenannter Minirenten - kommt, ist noch offen. Und auch bei der Angleichung der Ost-Renten an das Westniveau ist die Große Koalition noch uneins.

Noch ein heißes Eisen

Wie das Flüchtlingsthema stand auch ein anderes heißes Eisen nicht offiziell auf der Agenda des Treffens: Das Thema TTIP. Geplant war, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA bis Ende des Jahres unter Dach und Fach zu bringen, doch SPD-Chef und Wirtschaftsminister Gabriel hat es vor kurzem als "de facto gescheitert" erklärt. Eine Äußerung, von der sich Bundeskanzlerin Merkel distanziert hat.


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