Das Geschäft mit dem Zucker

Gesundheit versus Profit Das Geschäft mit dem Zucker

Stand: 16.12.2016

Zuckerwürfel mit Eurobanderolen | Bild: picture-alliance/dpa, colourbox.com, Montage BR

Dass Zucker krank machen kann, weiß praktisch jeder. Doch daraus zieht die Politik auf Druck der Lebensmittel-Lobby bislang keine Konsequenzen. Noch immer gibt es keine Verpflichtung, klar zu kennzeichnen wie viel Zucker in den Produkten enthalten ist. Auch Werbung für zuckerhaltige Lebensmittel, die sich an Kinder richtet, ist nach wie vor nicht verboten.

Von Lisa Schurr

Die letzten Versuche der Politik mit dem Einführen der Lebensmittelampel sind vor fünf Jahren auch durch den Druck der Lebensmittellobby gescheitert. Besonders Kinder und Jugendliche sind gefährdet: seit den 90er Jahren hat sich die Zahl stark Übergewichtiger unter ihnen verdoppelt, so eine Studie des Robert Koch Instituts. Das "Kompetenznetz Adipositas" spricht von einer Epidemie. Die Lebensmittelbranche argumentiert, diese Kinder würden sich einfach nicht genug bewegen und kämen oft aus sozial benachteiligten Familien. "Gerade deswegen müssen wir sie schützen", fordert Wieland Kiess, Leiter des Uniklinikums für Kinder in Leipzig.

"Es kann nicht sein, dass wir für mehr Profit in Kauf nehmen, dass Teile der Gesellschaft krank werden und dass dann gesagt wird, sie seien selbst schuld. Das ist menschenverachtend."

Wieland Kiess, Leiter des Uniklinikums für Kinder in Leipzig

Ein Professor gegen die Lebensmittel-Lobby

Gemeinsam mit dem Verein „foodwatch“ will der Professor grundlegend etwas verändern, statt nur die Symptome zu bekämpfen. Er fordert eine Steuer auf gesüßte Getränke und setzt sich dafür ein, für die Kinder eine Umgebung zu schaffen, die sich nicht zu Langzeitpatienten werden lässt. Denn Übergewichtige kosten die Krankenkassen in der Regel doppelt so viel wie andere Patienten. Trotzdem gibt es in Deutschland kaum Präventionsprogramme, vor allem keine, die Kinder am gesellschaftlichen Rand erreichen.

Besonders gefährlich: Übergewicht in der Jugend

Wer als Jugendlicher übergewichtig ist, der tut sich schwer wieder abzunehmen. Obwohl es enorm wichtig wäre: Denn je früher im Leben ein Mensch extrem übergewichtig ist, desto größer ist das Risiko, dass er später diabeteskrank wird. Deshalb gibt es Rehabilitationszentren, die sich auf die Therapie von übergewichtigen Jugendlichen spezialisiert haben. Zum Beispiel in Bischofswiesen, in der Nähe von Berchtesgaden. Hier versuchen Jugendliche aus ganz Deutschland über mehrere Monate durch eine Ernährungsumstellung, Sport- und Psychotherapie das zu schaffen, was ihnen zuhause nicht gelungen ist: Abnehmen, um danach wieder ein normales Leben zu führen.

"Man muss schon ganz schön krank sein, damit die Kassen eine Therapie hier bei uns bewilligen. Die Adipositas-Fälle, die wir sehen werden immer extremer. Es gibt immer mehr Jugendliche, die ein virtuelles Leben führen, nicht nur ess- sondern auch Internet-süchtig sind. Bis sie irgendwann merken, sie können nicht mehr zurück in die reale Welt. Das führt zu Depressionen."

Dr. Wolfgang Siegfried, ärztlicher Leiter Rehabilitationszentrum Insula

Die größte Herausforderung für die jugendlichen Patienten ist es, ihr Gewicht auch nach der Therapie und ihrer Rückkehr nachhause zu halten. Denn die Verführung wieder viel Süßes zu essen und zu trinken ist groß – auch im Internet.

Mangelnde Aufklärung

Was bewirkt Zucker? Wie viel davon ist gesund? Und vor allem in welchen Lebensmitteln ist er enthalten? Das wissen viele nicht, auch weil es auf den Lebensmitteln nicht klar und verständlich gekennzeichnet ist. Dazu kommt: Die Krankenkassen bezahlen Ernährungsberatung bislang kaum. Paradox, denn wer schließlich Diabetes hat, ist fürs Gesundheitssystem richtig teuer: Die Deutsche Diabetes Gesellschaft geht von 21 Milliarden Euro pro Jahr aus. Das sind 11 Prozent der Krankenversicherungsausgaben insgesamt. Ganz zu schweigen von den Kosten für die Folgeerkrankungen.

Gescheiterte Prävention               

Präventionsstrategien sind in Deutschland bislang gescheitert. Auch weil sie kurzfristig teurer sind als medikamentöse Therapien? „Ein Medikament ist schnell verschrieben, ein Arztgespräch zur Umstellung der Lebensweise dauert und kostet mehr Geld“, sagt Ernährungsmediziner Hans Hauner. Er erforscht an der TU-München die Ursachen von Adipositas und Diabetes 2 und vermisst mehr unabhängige Studien, die ohne finanzielle Unterstützung der Pharmaindustrie entstehen. Was auffällt: Der Markt mit Antidiabetika in ist den vergangenen Jahren überdurchschnittlich gewachsen. Eine weitere Geldquelle, die dazu beiträgt, dass die zuckerbedingte Epidemie sich weiter ausbreitet.