Chronologie Sieben magere Jahre in Griechenland
Wann das griechische Drama seinen Anfang genommen hat, darüber lässt sich streiten. Ein Kassensturz im Jahr 2009 macht das Ausmaß der Misere erstmals klar. Seither erleben die Griechen die gefühlt schlimmste Wirtschaftskrise ihrer Geschichte. Ob nach den sieben mageren nun wieder sieben fette Jahre auf die Griechen warten, ist mehr als zweifelhaft.
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4. Oktober 2009
Giorgos Andrea Papandreou, neuer griechischer Ministerpräsident, rechnet nach.
4. Oktober 2009
Die Krise beginnt
Lange ist die Krise ein amerikanisches Problem. Dann fällt sie über die schwächste Volkswirtschaft der Gemeinschaft in Europa ein. In Griechenland haben die oppositionellen Sozialisten die Parlamentswahlen gewonnen und korrigieren die bisher verkündete Staatsverschuldung drastisch nach oben. Nach und nach enthüllt sich ein gewaltiger Statistikschwindel. Die Neuverschuldung Griechenlands fällt 2009 mit 12,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts doppelt so hoch aus wie von der konservativen Vorgängerregierung prognostiziert.
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16. Oktober 2009
Entscheidung mit großer Tragweite aus Amerika
16. Oktober 2009
Die Bonität geht baden
Nach der Ratingagentur Fitch stuft Standard & Poor's Griechenlands Kreditwürdigkeit herab. Die veröffentlichten Sparmaßnahmen der griechischen Regierung reichen laut S&P nicht aus, um eine nachhaltige Verminderung des Defizits zu erreichen. Außerdem geht die Agentur von großen Widerständen in Griechenland bei der Reform der öffentlichen Finanzen aus. Spekulationen um eine Staatspleite gehen um. Der Euro-Kurs bricht ein.
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25. März 2010
Europa greift Griechenland unter die Arme.
25. März 2010
Hilfe am Horizont
Die Staats- und Regierungschefs der 16 Eurostaaten einigen sich auf ein Hilfspaket, von dem sie hoffen, es nie überreichen zu müssen. Die Hilfen sollen nur im Notfall fließen, nämlich dann, wenn Griechenland am Kapitalmarkt nicht mehr ausreichend Kredite bekommt.
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10. Mai 2010
750 Milliarden für krisengeschüttelte Länder.
10. Mai 2010
Ein neuer Begriff: Der Rettungsschirm
Trotz des Rettungsprogramms für Athen rauscht der Euro weiter in den Keller. Auch Spanien und Portugal drohen in den Sog zu geraten. Dramatische Debatten, dann die Einigung tief in der Nacht: Die Europäische Union spannt einen beispiellosen Rettungsschirm. Insgesamt 750 Milliarden Euro will die EU bis 2013 bereitstellen - zur Rettung kriselnder Euro-Mitglieder vor dem Staatsbankrott. Die Vergabe der Gelder soll allerdings an strenge Bedingungen bei der Sanierung der Haushalte der Krisenländer geknüpft werden.
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29. Oktober 2010
Nicht nur die Staaten sollen helfen.
29. Oktober 2010
Schranken für Banken
Spät erinnern sich die EU-Staaten daran, dass die Auslöser der Krise in den oberen Stockwerken einiger Bankentürme sitzen - und beschließen eine weitgehende Änderung: Bei Rettungsaktionen für überschuldete Länder sollen künftig auch Banken und Fonds einspringen und nicht nur die Steuerzahler haften. Der provisorische Rettungsschirm soll zur festen Einrichtung werden, wofür der EU-Vertrag geändert werden muss.
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16. Dezember 2010
Der temporäre Rettungsschirm wird dauerhaft.
16. Dezember 2010
Rettungsschirm wird dauerhaft
Bei einem Gipfeltreffen beschließen die EU-Chefs einen dauerhaften Rettungsschirm für Krisenländer. Der Rettungsschirm soll die bisherigen Milliardenfonds für Griechenland und andere Euro-Länder ablösen, die - gemäß der ursprünglichen Planung - 2013 auslaufen. Zwei Monate später einigen sich die Euro-Finanzminister darauf, den ESM mit 500 Milliarden Euro verfügbaren Mitteln auszustatten.
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21. Juli 2011
Noch mehr Geld für Athen
21. Juli 2011
Griechenland: Es reicht nicht
Das krisengeschüttelte Griechenland bekommt ein neues Hilfspaket von den Eurostaaten und dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Mit weiteren 109 Milliarden Euro wird die Griechenlandhilfe somit quasi verdoppelt. Zum ersten Mal ziehen zudem Banken und Versicherungen mit einem eigenen Beitrag von zusätzlich 37 Milliarden Euro mit.
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16. September 2011
17 EU-Staaten wollen sparen. David Cameron und neun andere Regierungschefs nicht.
16. September 2011
Strengere Regeln in der Eurozone
Da war doch was: Die EU erinnert sich an den 1997 geschlossenen Stabilitätspakt. In wirtschaftlich normalen Zeiten soll jetzt strenger auf ausgeglichene Staatshaushalte sowie eine Begrenzung der öffentlichen Verschuldung geachtet werden. Doch vor allem die Briten legen sich quer. Im Dezember stellt sich heraus: Nur 17 der 27 Mitgliedsstaaten machen beim neuen Fiskalpakt mit. Für die Krisenstaaten ist die größte Reform der Währungsunion seit der Euro-Einführung 1999 ohnehin nicht relevant.
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27. Oktober 2011
Aufatmen, nicht nur in Griechenland
27. Oktober 2011
50 Prozent Rabatt: Der große Schuldenschnitt
Längst gehören Nachtsitzungen zum Brüsseler Alltag. Diese hart umkämpfte Entscheifung fällt um drei Uhr morgens: Griechenland muss nur noch die Hälfte seiner Schulden zurückzahlen. Banken und Fonds müssen auf 100 Milliarden Euro ihrer Forderungen verzichten. Doch werden sie freiwillig mitmachen? Bis Anfang März müssen sie sich dazu äußern.
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9. März 2012
Große Bereitschaft bei den Gläubigern
9. März 2012
Fast freiwillig: Auch die privaten Gläubiger verzichten
Der Weg für den griechischen Schuldenschnitt ist frei: Die Beteiligung der privaten Gläubiger an dem freiwilligen Schuldenerlass für Griechenland übertrifft alle Erwartungen. Die Quote liegt laut Finanzministerium in Athen bei 85,8 Prozent. Private Kreditgeber wie Banken, Versicherungen und Fonds sollen auf Forderungen in Höhe von 107 Milliarden Euro freiwillig verzichten. Die Gläubiger tauschen dazu ihre derzeitig gehaltenen Schuldenpapiere in neue Anleihen mit einem Nominalabschlag von 53,5 Prozent, geringeren Zinsen und einer Laufzeit von bis zu 30 Jahren ein.
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14. März 2012
Eurogruppen-Präsident Jean-Claude Juncker
14. März 2012
Das zweite Hilfspaket
Die Eurogruppe mit Chef Jean-Claude Juncker gibt das zweite Hilfsprogramm für Griechenland frei. Darüber hinaus beauftragen die Euro-Länder den Eurorettungsfonds EFSF, die ersten Hilfszahlungen in Höhe von insgesamt 39,4 Milliarden Euro freizugeben und in mehreren Raten auszuzahlen.
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17. Juni 2012
Antonis Samaras folgt Giorgos Andrea Papandreou in das Ministerpräsidentenamt
17. Juni 2012
Samaras soll's richten
Regierungswechsel, Teil 2: Nach ihrem Wahlsieg 2009 hatten Sozialisten nachgerechnet, was die Konservativen ihnen hinterlassen hatten - mit erschütterndem Ergebnis. Weil ihre eigene Regierungsbilanz vier Jahre später ähnlich desaströs ausfällt, darf jetzt wieder die Nea Dimokratia ran. Das Schreckensszenario eines griechischen Euro-Austritts scheint vorerst gebannt. Doch schon kurz nach der Wahl werden in Griechenland verstärkt Rufe laut, den Rettungsplan neu zu verhandeln und Athen mehr Zeit zum Erreichen seiner Sparziele zu geben.
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12. September 2012
Urteilsverkündung im Bundesverfassungsgericht
12. September 2012
ESM: Karlsruhe lässt den Schirm aufgespannt
Das Bundesverfassungsgericht macht den Weg für den Euro-Rettungsschirm ESM frei. Die Karlsruher Richter weisen zahlreiche Klagen gegen die deutsche Beteiligung an dem 700 Milliarden Euro schweren Fonds ab. Damit stärken sie im Grundsatz die Euro-Politik von Bundeskanzlerin Merkel. Das Urteil wird in Deutschland und weltweit mit großer Erleichterung aufgenommen. Im März 2014 bestätigt ein weiteres Urteil die Entscheidung.
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7. November 2012
Die Griechen protestieren gegen das neue Sparpaket
7. November 2012
Athen billigt neues Sparpaket
Um neue Hilfen der internationalen Geldgeber zu bekommen, verschärft Griechenland weiter den Sparkurs. Mit knapper Mehrheit beschließt das Parlament Lohnkürzungen und Steuererhöhungen, wodurch bis 2016 rund 13,5 Milliarden Euro eingespart werden soll(t)en. Im Gegenzug soll eine Hilfstranche von 31 Milliarden Euro nach Athen fließen. Der Sparbeschluss trifft auf heftigen Protest: Ein 48-stündiger Generalstreik legt das öffentliche Leben in Griechenland lahm. Vor dem Parlament kommt es zu Ausschreitungen.
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27. November 2012
Griechische Euro-Münze
27. November 2012
Griechenland-Pleite vertagt
Nach wochenlangem Gezerre verständigen sich die internationalen Geldgeber auf die Auszahlung von neuen Milliardenkrediten. Demnach soll eine neue Tranche von fast 44 Milliarden Euro für Athen freigegeben werden: 34,4 Milliarden Euro davon noch 2012. Weitere 6,8 Milliarden folgen im Juli 2013. Die Verhandlungspartner Euro-Gruppe, EZB und IWF einigen sich zudem auf weitere Schritte wie ein Schuldenrückkaufprogramm, Zinserleichterungen oder längere Darlehenslaufzeiten.
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21. Januar 2013
Der neue und der alte Mister Euro: Jeroen Dijsselbloem und Jean-Claude Juncker (r.)
21. Januar 2013
Dijsselbloem neuer Mister Euro
Acht Jahre lang war der Luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker Chef der Euro-Gruppe. Als einer der Erfinder der Gemeinschaftswährung wurde er mit der Pleite der US-Bank Lehman Brothers 2008 zu einem der wichtigsten Euro-Krisenmanager. Das hat ihm den Beinamen "Mister Euro" eingebracht. Juncker gibt sein Amt aus gesundheitlichen Gründen auf. Die 17 Finanzminister der Euro-Staaten wählen den niederländischen Finanzminister Jeroen Dijsselbloem zu seinem Nachfolger.
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17. Juli 2013
Hunderttausende Griechen protestierten gegen die geplanten Massenentlassungen - ohne Erfolg.
17. Juli 2013
Massenentlassungen in Griechenland
Trotz heftiger Proteste hat das griechische Parlament ein Gesetz verabschiedet, das die Entlassung von bis zu 15.000 Staatsbediensteten ermöglicht. Die Reform des öffentlichen Dienstes ist eine Bedingung für weitere internationale Hilfszahlungen.
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22. Juli 2013
Staatsschulden nehmen zu
22. Juli 2013
Europas Schuldenberg wächst
Die Staatsschulden der 17 Euro-Länder sind im ersten Quartal 2013 weiter gewachsen: Mittlerweile haben sie mehr als 92 Prozent der Wirtschaftsleistung erreicht. Trauriges Schlusslicht ist Griechenland - trotz Schuldenschnitts.
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24. Dezember 2014
Freiwillige einer Hilfsorganisation errichten einen “Christbaum” aus gespendeten Milchdosen.
24. Dezember 2014
Traurige Weihnachten
2014: Deutschland wird Weltmeister, Putin besetzt die Krim, Hellas verschwindet vorübergehend aus den deutschen Schlagzeilen. Nicht aber das Elend im Land. Jeder vierte Grieche ist ohne Job, die Jugendarbeitslosigkeit liegt 50 Prozent. Besonders betroffen sind Migranten, die zudem immer öfter Opfer gewalttätiger Übergriffe werden. Das Gesundheitssystem steht vorm Kollaps. Seit den Sparvorgaben der EU fehlt es an Medikamenten, Operationen werden aufgeschoben. Einziger Hoffnungsschimmer: Das Bruttoinlandsprodukt, das seit 2008 kontinuierlich schrumpfte, ist wieder um 0,6 Prozent im Plus.
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31. Dezember 2014
Die Statistik
31. Dezember 2014
Aus Arbeitslosigkeit wird Armut
Zum Jahresende liegt die Arbeitslosenquote bei 26, 3 Prozent. Besonders problematisch: Nach zwei Jahren Arbeitslosigkeit gibt es in Griechenland aktuell keinerlei weriterführende Unterstützung. Im sechsten Jahr der Krise hat sich die Armut deshalb weit in die Mitte der Gesellschaft vorgefressen.
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25. Januar 2015
25. Januar 2015
Syriza siegt
Regierungswechsel, Teil 3: Die vorzeitige Neuwahl bringt den erwarteten Erdrutsch. Die Unzufriedenheit mit dem Sparprogramm der Troika macht die neue Linkspartei Syriza zur stärksten Kraft im Parlament. "Wir haben Geschichte geschrieben", sagt Wahlsieger Alexis Tsipras. Die erste Fußnote dieser Geschichte ist eher bizarr: In Rekordzeit bildet Syriza eine neue Koalition - mit der rechtspopulistischen Partei "Unabhängige Griechen".
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29. April 2015
29. April 2015
100 Tage nach der Wahl
Hilfen für die Armen, Steuerreformen, kein Ausverkauf öffentlicher Güter, Wiedereröffnung des staatlichen Rundfunks: Das Programm der neuen Regierung ist ehrgeizig, die Umsetzung bisweilen chaotisch. Und die Krise verschärft sich weiter. Das Frühjahr 2015 ist eine ständige Folge von Zahlungsultimaten, europäischen Krisengipfeln und meist unzureichenden Reformlisten.
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9. Juni 2015
Eigentlich ging es um anderes. Uneigentlich ...
9. Juni 2015
EU-Gipfel in Elmau
Nein, Griechenland ist kein Thema auf dem EU-Gipfel, hatte die Kanzlerin immer wieder betont. War es doch. Dafür sorgte schon der griechische Premier Tsipras, der die Vorschläge der internationalen Gläubiger im Athener Parlament als "absurd" bezeichnet hatte. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker keilte zurück: Tsipras habe anders als vereinbart keine Gegenvorschläge zu den Sparvorschlägen erarbeitet. "Um Freundschaften zu führen, muss man einige Mindestregeln einhalten." Auch Merkel machte Druck: "Jeder Tag zählt."
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18. Juni 2015
18. Juni 2015
Schwitzen im Reformstau
Mitte Juni beschleunigt sich der Herzschlag der Verhandlungen zwischen Griechenland, EU und EZB. Doch die Debatten über ein Reformprogramm kommen nicht voran. Und die Uhr tickt: Schon Ende Juni droht Griechenland erneut die Zahlungsunfähigkeit. Anders als die Kanzlerin lässt Finanzminister Wolfgang Schäuble erkennen, dass seine Geduld zur Neige geht.
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29. Juni 2015
29. Juni 2015
Kapitalverkehrskontrollen
Griechenland schließt seine Banken, um sein Finanzsystem zu schützen. Dadurch will es einen Ansturm auf die Geldinstitute unterbinden und die Kapitalflucht ins Ausland stoppen. Nur die Bankautomaten funktionieren noch. 60 Euro pro Tag darf jeder Grieche abheben. Ausländer bekommen mehr Geld. Online-Überweisungen sind weiter möglich, jedoch nicht mehr ins Ausland.
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5. Juli 2015
5. Juli 2015
Referendum
Die Regierung unter Alexis Tsipras hält eine Volksabstimmung ab. Die Griechen sollen "Ja" oder "Nein" sagen zu den Spar- und Reformvorhaben der Gläubiger. 61,31 Prozent der Griechen stimmen mit "Nein". Alexis Tsipras will jetzt neu verhandeln. Zu seinen Landsleuten sagt er: "Das Mandat, das Sie mir erteilt haben, ruft nicht nach einem Bruch mit Europa, sondern verleiht mir eine größere Verhandlungsmacht."
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6. Juli 2015
6. Juli 2015
Minister no more
"Minister no more" twittert Gianis Varoufakis am Morgen nach dem Referendum. Der Ex-Finanzminister war hoch umstritten gewesen und hatte nicht selten durch gezielte Provokationen die Verhandlungen zur Rettung Griechenlands torpediert und ihre Teilnehmer genervt. Sein Nachfolger heißt Euklid Tsakalotos und war bisher Vize-Außenminister.
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8. Juli 2015
8. Juli 2015
3. Hilfsprogramm
Griechenland will mit einem neuen Hilfsantrag beim Euro-Rettungsschirm die drohende Staatspleite verhindern. Es beantragt ein dreijähriges, in der Höhe nicht näher beziffertes Hilfsprogramm, um fällige Kredite bedienen zu können.